Hühner, die so schnell wachsen und so viel Gewicht auf die Waage bringen, dass sie kaum mehr laufen können. Rinder in gigantischen Herden, die – obwohl von Natur aus Wiederkäuer und damit Grasfresser – mit einer ausschliesslichen, energiereichen Maisdiät völlig fehl ernährt werden.
Gentechnik gehört sowieso dazu und mit Lobbyisten durchsetzte Behörden verhelfen Firmen wie dem Saatgutkonzern Monsanto zu einseitigen Marktvorteilen und damit riesigen Gewinnen. Ganz zu schweigen von den Abertausenden von illegalen Arbeitern in der Land-, Lebensmittel- und Gastroindustrie, die sicherstellen, dass US-Lebensmittel so unglaublich billig sind.
Warum erzähle ich das Ihnen, lieber Leserin, lieber Leser, des Journals 21? Weil für mich ein System, in dem Lebensmittel einfach nur möglichst billig sein müssen, ein krankes System ist. Sicher, Amerika ist ein krasses Beispiel, das zeigt sich auch in anderen Bereichen. Dennoch offenbaren diese Zustände, wohin wir uns entwickeln. Dioxine in den Futtermitteln haben wir auch in Europa, Gammelfleisch-, Hormon und Antibiotikaskandale ebenfalls. Die Devise heisst nicht nur in Amerika „grösser, schneller, kostengünstiger, wettbewerbsfähiger“. In Europa müssen die Kühe ebenso immer mehr Milch geben, die Hühnchen schneller wachsen, alle Produkte allzeit und möglichst günstig verfügbar sein.
Die Schweiz hat vor fast 20 Jahren entschieden, einen anderen Weg einzuschlagen. Die Basis unserer Produktion soll – so beschlossen Volk und Politik – nachhaltig, tierfreundlich aber marktwirtschaftlich sein. Für die Bauern war die Umstellung von der gesorgten Nachkriegszeit ins neue System gewöhnungsbedürftig und so dauerte es einige Jahre bis sie dessen Vorteile erkennen und dahinter stehen konnten. Dank strengen Gesetzen und Kontrollen haben wir heute ein Niveau in Bezug auf Ökologie und Tierschutz, das sich weltweit einmalig nennen darf. Das Direktzahlungssystem, das die Bauern für die nicht marktfähigen Leistungen entschädigt, auch. So weit so gut.
Der Trend hin zu immer billigeren Lebensmitteln hat nun leider auch bei uns Einzug gehalten. Unsere paar wenigen Grossverteiler bewerben seit einiger Zeit ausschliesslich Preissenkungen und unterbieten sich stetig gegenseitig. Der Bundesrat spricht von der Hochpreisinsel Schweiz und will die Bauern über ein Freihandelsabkommen mit der EU auf mehr Wettbewerbsfähigkeit trimmen. Es ist sicher immer möglich, sich zu verbessern und Kosten zu sparen.
Überbetriebliche Zusammenarbeit oder die Senkung von Maschinenkosten bei den Bauern sind nur zwei Beispiele dafür. Die beiden grossen Detailhändler könnten Kosten sparen, in dem sie weniger luxuriöse Kauftempel aufstellten. Anstelle von viel Glanz und Glamour können sie mit etwas bescheideneren Läden ihre Wettbewerbskraft gegenüber den Discountern verbessern, ohne bei den Produzentenpreisen den Hebel ansetzen zu müssen. Vergessen wir jedoch eines nicht: Unsere Lebensmittel kosten mehr als im Ausland, aber wir verdienen auch besser! Jede Kaufkraftstudie belegt, dass wir in der Schweiz so wenig für’s Essen ausgeben, wie praktisch niemand sonst auf der Welt.
Food Inc. Was wollen wir wirklich essen? Mit dieser Frage möchte ich meinen Kommentar schliessen. Rücksicht gegenüber der Natur, den Nutztieren und den Menschen gehen nicht zusammen mit immer billiger. Wollen wir weiter eine Qualitätsführerschaft oder günstige und zweifelhafte Massenproduktion? Wir befinden uns aktuell auf der Suche nach einem neuen Optimum. Bleibt zu hoffen, dass diese uns nicht – wie bei vielen anderen Trends – auf die Spur in Richtung Amerika führt!
In der Rubrik "Gastkommentar" kommen Politiker aller Couleur, Wirtschaftsvertreter, Kulturschaffende, Wissenschafter und andere zu Wort. Die Autoren äussern ihre eigene Meinung.