Im Oktober 2007 verwalteten die Banken in der Schweiz noch Wertschriftenvermögen ausländischer Privatkunden in Höhe von CHF 1'078 Mrd., was damals rund 20% aller bei Banken in der Schweiz deponierten Wertschriftenbestände entsprach. Den höchsten Anteil am Total erreichten die ausländischen Privatkundenvermögen im Januar 2001 mit fast 29%. Heute, d.h. per Ende August 2010, belaufen sich diese Wertschriftenbestände der ausländischen Privatkunden noch auf CHF 619 Mrd. und ihr Anteil an den Wertschriftendepots liegt bei 14.6%.
Selbst wenn man noch die kommerziellen Auslandkunden als verdeckte ausländische Privatkunden einstufen würde, ergeben sich nur weitere CHF 127 Mrd. (Spitzenwert CHF 238 Mrd.) bzw. 3% am Gesamtbestand. Damit haben die Banken in der Schweiz seit dem Allzeithoch ausländische Privatkundenvermögen von CHF 459 Mrd. und CHF 111 Mrd. kommerzielle Kundendepots verloren, was einer Einbusse von total CHF 570 Mrd. bzw. fast 43% (Privatkunden) und 47% (Kommerzkunden) entspricht.
Vermögen wird abgezogen
Alleine in den ersten 8 Monaten des laufenden Jahres gingen CHF 62 Mrd. verloren. Zweifellos geht ein gewisser Teil dieser Vermögensschrumpfung seit 2007 auch auf Verluste an den Aktien- und Devisenmärkte zurück, aber im laufenden Jahr kann der Rückgang nicht auf die Verluste an den Finanzmärkten zurückgeführt werden, denn bis August, so zeigt z.B. der Pictet-25-Index liegen konservative gemischte Portefeuilles sogar marginal im Plus.
Der schwindenden Anteil an den verwalteten Gesamtvermögen ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Rückgang vor allem auf Rückzüge zurückzuführen ist. Diese können durch effektive Abzüge, Verschiebungen an andere Finanzplätze oder durch einen Wohnortwechsel des Depotinhabers in die Schweiz erfolgt sein. Ein Teil dieser Kapitalabflüsse ist die Folge der Rechtsunsicherheit, die durch den Bundesrat im Zusammenhang mit der Diskussionen um eine Abgeltungssteuer verursacht wurde.
Viele ausländische Kunden sind nicht gewillt zuzuwarten, bis ihre Vermögen durch Zwangsenteignungen zur "Regulierung der Altlasten" um 15-25% geschröpft werden. Nur ein kleiner Teil, nämlich 12% bzw. CHF 72 Mrd. der ausländischen Privatkundendepots, ist effektiv in Wertschriften von Schweizer Inland-Emittenten angelegt. Der Rest wurde im Ausland investiert, vor allem in der EU und dort wiederum zu einem grossen Teil im Euro-Gebiet. Rund 40% der Anlagen lauten auf USD, 38% auf EUR, 12% auf CHF und die restlichen 10% verteilen sich auf übrige Währungen.
Gefahr für den Finanzplatz Schweiz
Nach Anlageinstrumenten gliederten sich die CHF 619 Mrd. wie folgt: Geldmarkt 1.3%, Staatsanleihen 5.0%, übrige Obligationen 22.3%, Aktien 20.4%, Fonds Schweiz 4.5%, Fonds Ausland 38.4%, strukturierte Produkte 8.1%. Auf den meisten dieser Instrumente wird bereits eine Steuer erhoben, insbesondere für EU-steuerpflichtige Privatpersonen. Die Zinserträge von Obligationen und Geldmarktanlagen unterliegen entweder der Zahlstellensteuer oder einer Verrechnungssteuer. Von den Aktiendividenden wird in den meisten Ländern eine Verrechnungssteuer abgezogen.
Schweizer Fonds unterliegen einer Verrechnungssteuer. Ausländische Fonds, deren Erträge zu 40% aus Zinserträgen bestehen, unterliegen der Zahlstellensteuer. Dieser Satz sinkt ab 2011 sogar auf 25%. Deshalb sind die Steuererträge, wie sie gewisse EU-Finanzminister aus einem Abgeltungssteuerabkommen erhoffen, viel zu hoch gegriffen. Es sei denn, die Abgeltungssteuer würde zusätzlich zu den bereits abgezogenen Verrechnungs- oder Zahlstellensteuern erhoben.
Eine solche Doppelbesteuerung würde den Finanzplatz Schweiz vollends aus dem Wettbewerb werfen. Werden aber die Zahlstellensteuern für EU-Steuerpflichtige aus einzelnen Ländern und die Verrechnungssteuern (z.B. auf Dividenden von Schweizer Aktien) aufgehoben, dann würde der Schweizer Fiskus massiv betroffen, denn der Bund kassiert 25% der Zahlstellensteuer und 35% Verrechnungssteuer auf sämtlichen inländischen Zins- und Dividendenausschüttungen, die nicht zurückgefordert werden.
Bei einem Anlagevolumen von rund CHF 72 Mrd. bei inländischen Emittenten und weiteren CHF 28 Mrd. in inländischen Fonds, könnte sich der Gesamtbetrag der Erträge durchaus auf gegen CHF 2-3 Mrd. (2%-3% Rendite) belaufen, woraus sich eine Verrechnungssteuer von rund CHF 500 Mio. bis CHF 1 Mrd. ergibt. Diese müsste sich der Bund ans Bein streichen, wenn anstelle der Verrechnungssteuer die Abgeltungssteuer tritt. Auch von der für 2011 budgetierten Beteiligung an der zahlstellensteuer von CHF 135 Mio. würde wohl rund ein Drittel entfallen.
Banken verlieren Arbeitsplätze
Der Abzug ausländischer Privatkundenvermögen trifft die Schweiz aber noch viel härter, denn allein der bisherige Aderlass von CHF 570 Mrd. (ausländische Privatkunden- und Kommerzkundendepots) bedeutet bei einer "Activity ratio" (Depotgebühren, Börsenkommissionen, Devisenhandel etc.) von 0.8% einen Verlust an Wertschöpfung von rund CHF 4.5 Mrd. oder umgerechnet auf Vollzeitstellen von rund 10'000 Mitarbeitern. Dass diese Schätzungen durchaus realistische sind, zeigen die Zahlen für alle Banken in der Schweiz, die im Jahre 2007 noch rekordhohe Kommissionserträge aus dem Wertschriften und Anlagegeschäft von CHF 38.5 Mrd. erzielten, 2009 noch CHF 26 Mrd.: ein sattes Minus von CHF 12.5 Mrd.
Dass der Personalbestand "nur" um 6'400 gesunken ist, dürfte wohl der Zurückhaltung der Banken zu verdanken sein, die ihre hochqualifizierte Belegschaft in der Hoffnung auf bessere Zeiten nicht reduziert haben. Die Lohnsumme der Schweizer Banken in der Schweiz ist seit dem Höchststand um knapp CHF 4 Mrd. auf CHF 28.3 Mrd. zurückgefallen. CHF 4 Mrd. weniger Lohnsumme bedeutet wohl auch rund CHF 500 Mio. weniger Einkommenssteuereinnahmen.
Sollten diese Hoffnungen auf bessere Zeiten aber durch die Politik noch endgültig zunichte gemacht werden, dann werden Verlagerungen von Geschäftsaktivitäten nach Fernost etc. auch personelle Konsequenzen nach sich ziehen. Deshalb sind als Mindestforderungen bei den Verhandlungen mit Deutschland und Grossbritannien in Sachen Abgeltungssteuern die Beibehaltung der Schweizer Verrechnungssteuer, Reziprozität bei der Zahlstellen- und Abgeltungssteuer für Schweizer Geldanlagen in der EU, der freie Zugang für Schweizer Anlagefonds in Deutschland und Grossbritannien und die freie Kundenwerbung in diesen Ländern durch Schweizer Finanzdienstleister ein Muss.