Von Hans Kaufmann, Nationalrat SVP, Wettswil (ZH)
Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Arroganz sich deutsche Politiker über hochverschuldete EU-Staaten hermachen. Dabei waren es doch gerade Deutschland und Frankreich, die als erste den Maastrichter-Vertrag brachen und Staatsdefizite über 3% des BIP auswiesen, ohne dass dieses Vergehen Folgen für die beiden Länder hatte.
Die Kritik Deutschlands an der US-Fed, als diese Aufkäufe von Staatsanleihen in Höhe von weiteren USD 600 Mrd. bis 850 Mrd. ankündigte, ist ebenfalls heftig ausgefallen. Deutschland tut so, als ob die tiefen Zinsen in Deutschland ihr Verdienst, ja sogar die Folge ihrer musterschülerhaften Fiskalpolitik sei und dass Deutschland nicht auf ein "Quantitatives Easing", d.h. Aufkäufe von Staatsanleihen durch die eigene Notenbank, im Falle der Euro-Länder die EZB, angewiesen sei.
Wenn man die grössten Abnehmer von deutschen Staatsanleihen in den letzten 2 Jahre zu orten sucht, dann stösst man allerdings auf eine überraschende Tatsache. Viele, sehr viele, der deutschen Staatsanleihen sind im Portefeuille der Schweizeri-schen Nationalbank (SNB) gelandet, die ihre riesigen Aufkäufe von Euros in solchen Papiere angelegt hat.
Dies bestätigte Finanzministerin Widmer-Schlumpf anlässlich der Fragestunde vom 6. Dezember 2010 im Nationalrat der Schweiz. Gemäss der Bundesrätin hält die SNB 55% ihrer Devisenanlagen in Euro. Davon investiert sie den grössten Teil in Staatsanleihen und davon wiederum sei Deutschland mit Abstand der bedeutendste einzelne Schuldner. Im Dreivierteljahresbericht der SNB ist nachzulesen, dass sich die Devisenanlagen per 30.9.2010 auf CHF 216 Mrd. (Ende 2009: CHF 95 Mrd.) beliefen. 55% davon wurden in Euro investiert, was einem Betrag von CHF 119 Mrd. entspricht. 83% aller Devisenanlagen oder CHF 179 Mrd. sind in Staatsanleihen investiert.
Wenn dieser Anteil auch für die Euro-Devisenanlagen gilt, dann entspräche dies rund CHF 99 Mrd. Der überwiegende Teil davon sei in deutschen Staatspapieren angelegt. Damit beträgt das Minimum CHF 50 Mrd., aber mit "überwiegender Teil" dürften wohl eher CHF 80-90 Mrd. (rund EUR 65 Mrd.) gemeint sein. Dies ist ein Betrag der rund 30-50% grösser ist, als der Haushalt 2010 der Eidgenossenschaft. Er entspricht auch rund 80% der Bruttover-schuldung des Bundes von CHF 111 Mrd. per Ende 2009. Es geht hier aus Schweizer Sicht somit um gigantische Engagements und um problematische Klumpenrisiken zugunsten Deutschlands.
Deutschland wies per Ende 2009 Staatsschulden von EUR 1'694 Mrd. aus, wovon EUR 1'054 Mrd. auf den Bund, EUR 526 Mrd. auf die Länder und EUR 114 Mrd. auf die Kommunen entfielen. Bezogen auf diese Bundesschulden würde das Engage-ment der SNB über 6% betragen und damit dürfte sie zu den grössten Einzelgläubi-geren der Bundesrepublik zählen. Möglicherweise ist sie sogar der grösste Einzelin-vestor. Wenn man diesen Betrag von EUR 65 Mrd. mit den Defiziten 2009 von EUR 34 Mrd. bzw. den provisorischen Ergebnissen der ersten 9 Monate mit einem negati-ven Finanzierungssaldo des deutschen Bundeshaushaltes von EUR 49 Mrd. ver-gleicht, dann stellt man fest, dass die Anleihenkäufen der SNB rund 75% dieser Fehlbeträge 2009/2010 decken würden. Solche Klumpenrisiken engen den geldpolitischen Spielraum der SNB stark ein. Sie könnte kaum von einem Tag auf den anderen für über EUR 60 Mrd. deutsche Staatsanleihen auf den Markt werfen ohne das Zinsgefüge im Euro-Raum in Bewegung zu setzen. Solche Mega-Engagements sind auch politisch brisant. Deshalb sollte die SNB in Zukunft detailliert über ihre Engagements bei anderen Staaten berichten und transparent darlegen, ob diese Engagements anonym über die Kapitalmärkte erfolgten, oder ob ihnen politische Absprachen zugrunde liegen. Ohne Transparenz bleibt ein ungutes Gefühl zurück.
Bis September 2010 hat die SNB gemäss Zwischenbericht riesige Verluste von CHF 21.2 Mrd. auf ihren Devisenpositionen eingefahren. Im Oktober, der letzterhältlichen Monatsstatistik, ist das Eigenkapital inkl. Rückstellungen für Ausschüttungen um weitere CHF 1.7 Mrd. geschrumpft. Von diesem per Ende Oktober mit CHF 52 Mrd. ausgewiesenen Eigenkapitalposten entfallen rund CHF 19 Mrd. auf Rückstellungen für die Ausschüttungen an den Bund und die Kantone, so dass das "freiverfügbare" Eigenkapital noch rund CHF 33 Mrd. bzw. 11.7% der Bilanzsumme von CHF 281 Mrd. beträgt. Damit steht die SNB im internationalen Vergleich mit den übrigen fünf führenden Notenbanken sehr gut da, denn diese weisen zusammen weniger als 3% Eigenmittel im Vergleich zu ihren Bilanzsummen aus. Aber wenn man diese CHF 33 Mrd. mit den Devisenreserven von CHF 214 Mrd. vergleicht, dann dürfen letztere nur noch um 15% abwerten, bis diese freien Eigenmittel der SNB durch Kursverluste aufgezehrt sind. Der Bundesrat ist zwar der Meinung, dass die SNB kurzfristig auch mit einer Überschuldung weiterbestehen und ihren geldpolitischen Auftrag wahrnehmen könnte, aber sie müsste Massnahmen ergreifen, um das Eigenkapital wieder aufzubauen. Dies könne durch das Zurückbehalten der Gewinne oder allenfalls durch die Einzahlung von neuem Eigenkapital geschehen. Für den Bund bestehe jedoch keine gesetzliche Verpflichtung zur Nachfinanzierung von Eigenkapital (Interpellation 10.3360).
Angesichts dieser Aussagen sollte sich die Politik intensiver über die Klumpenengagements der SNB im Euro und die milliardenschweren Stützungen der deutschen Regierung Gedanken machen. Denn eines ist sicher: Die SNB hatte mit ihren Kapitalanlagen in den letzten Jahren nicht immer eine glückliche Hand. So verkaufte sie zwischen 2000 und 2005 immerhin 1300 Tonnen Gold zu CHF 16'241 pro Kilo, was einen Verkaufserlös von CHF 21.1 Mrd. entsprach. Hätte sie dieses Gold nicht verkauft, dann entsprächen diese 1300 Tonnen heute bei einem Kilopreis von CHF 44'000 einem Wert von CHF 57.2 Mrd. Die Differenz von CHF 36 Mrd. würde ausreichen, um den Schweizer Steuerzahlern die direkte Bundessteuer für zwei Jahre zu erlassen.