Ganz besonders in Washington und Jerusalem, wo es von der politischen Führung als grosser Schritt auf dem Weg zu einer Friedensregelung in Nahost gefeiert wurde, wo aber auch leicht zu erkennen war, dass die verantwortlichen Politiker eigentlich ganz andere Ziele vor Augen haben: ihren eigenen politischen Vorteil nämlich und nicht die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in der Region. Noch nicht einmal eine humanere Behandlung derselben.
Ein krasses Beispiel hierfür schildert die israelische Tageszeitung „HaAretz“ in ihrer Sonntagsausgabe. Sie berichtet über einen 26-jährigen Palästinenser aus Khan Yunis im Gazastreifen, der trotz des vermeintlichen Friedensvertrages seit fast einem halben Jahr zum Opfer der fatalen Verquickung nahöstlicher Bürokratie mit der weltweiten Pandemie geworden ist. Dank der Annäherung zwischen Abu Dhabi und Israel konnte „HaAretz“ ihn immerhin auch telefonisch interviewen.
In der Falle
Alaa Alghamri, Sohn eines Taxifahrers in Khan Yunis, hatte für sich keine Zukunft in dem von der islamistischen „Hamas“ kontrollierten Gazastreifen gesehen und so kam ihm die Möglichkeit als rettende Lösung, mit gültigem Visum in die Emirate zu reisen, wo seit 30 Jahren ein Onkel von ihm bereits in Wohlstand lebt. Über Kairo flog er nach Dubai, wo der Onkel ihm eine Ausbildung bei der Feuerwehr vermitteln wollte.
Nach zwei Monaten unbeschwerten Touristen-Daseins in den Emiraten wurde ihm allerdings mitgeteilt, dass der Ausbildungskurs wegen der Corona-Pandemie annulliert worden sei und Alghamri beschloss, nach Khan Yunis zurückzukehren. Im März flog er nach Kairo, um von dort auf dem Landweg in den Gazastreifen zu fahren. Corona aber kam ihm zuvor: Im Kairoer Flughafen erklärten ihm die Beamten der Passkontrolle, dass er wegen der Pandemie nicht in Ägypten einreisen dürfe. Er solle einen Rückflug nach Dubai buchen. Als er dies ablehnte und nach den Gründen hierfür fragte, erhielt er die pampige Antwort, man sei ihm keine Erklärung schuldig. Kurzerhand wurde er auf dir nächste Maschine gesetzt und in die Emirate zurückgeschickt. Dort aber beschied man ihm, dass wegen Corona Ausländer nicht einreisen dürften und Alghamri sass in der Falle.
Hilft Israel?
Zunächst verbrachte er zehn Tage im Flughafen, wo er auf dem Fussboden kampierte, zusammen mit knapp über 100 anderen Gestrandeten (unter anderem aus dem Jemen, Albanien und Tadschikistan), die alle von der Fluggesellschaft mit Essens-Gutscheinen versorgt wurden. Von hier wurde er ins Flughafen-Hotel verlegt, das er aber nicht verlassen durfte. Einige seiner Leidensgefährten konnten inzwischen in ihre Heimat zurückkehren, die anderen – vor allem Syrer und Jemeniten – wurden im Mai in eine neue Unterkunft gebracht, in der Alghamri heute noch sitzt.
Wie lange das noch dauern wird, weiss er nicht. Auch seine „Gastgeber“ nicht, die ihn immerhin dreimal täglich mit Nahrung versorgen und ihn Abends kurz an die frische Luft lassen. Immerhin aber hat er Zugang zu Fernsehen und Internet. Und da entdeckte er im Juni, dass es in Israel eine Menschenrechtsorganisation gibt, die ihm vielleicht helfen könnte.
Auch Israel hilft nicht
Er kontaktierte diese („Hamoked“) und schilderte seinen Fall. Wenn schon die Ägypter ihn nicht in den Ganzastreifen reisen lassen, dann doch vielleicht die Israelis. Denn Gaza grenzt nur an diese beiden Länder an – Ägypten und Israel.
„Hamoked“ schaltete sich unmittelbar ein. Bisher aber ohne Erfolg: Ägypten habe den Ganzübergang zum Gazastreifen doch wieder für Ausländer geöffnet und da brauche Israel sich doch nicht einzuschalten. Erst recht nicht, nachdem er doch auch nicht über Israel ausgereist sei. Dass er von Israel nicht in die Emirate hätte gelangen können, ignorierte man ebenso wie den Fakt, dass Ägypten einen „Deportierten“ (bei seinem ersten Rückkehrversuch) nicht mehr einreisen lässt.
Bisher sitzt Alghamri also weiter in Dubai und hofft auf eine Lösung. Ohne zu wissen, welche Lösung wann kommen wird. Hoffentlich hat er nicht den Film „Das Terminal“ von Steven Spielberg gesehen. Dieser Film schildert den Fall eines Iraners, der nicht in die USA einreisen darf und deswegen im Pariser Flughafen „Charles de Gaulle“ hängen bleibt. Dieser Fall wäre kein Trost für Alghamri, denn der Iraner musste acht Jahre lang in dem französischen Flughafen bleiben.