Modernes Financial Engineering ist eine feine Sache. Dank Algorithmen und Computern ist vieles möglich, was man sich vor wenigen Jahren noch nicht vorstellen konnte. Hochleistungscomputer und Zauberformeln aus mit Mathematik-Nerds besetzten Bastelabteilungen von neuen Finanzprodukten sorgen für eine Finanzkrise nach der anderen. Aber warum ins Grosseganze schweifen, das Ungemach liegt doch auch so nah. Denn mit solchen Algorithmen können wie mit dem Rasenmäher «Probleme» behoben werden.
Exorbitante Kosten
Schon seit einiger Zeit quälen eidgenössische Banken Schweizer Kontobesitzer, die es in die grosse weite Welt hinauszog, mit exorbitanten Kontoführungskosten. «Gewisse Banken verlangen Gebühren, die bis zu 1'200 Franken pro Jahr gehen können», beschwert sich die Auslandschweizer-Organisation. Aber immerhin, das Konto wird noch geführt.
Schwierig wird es für Schweizer, die es ins «Land of the Free» gezogen hat. Fatca hin oder her, von vielen Banken werden auch Besitzer eines roten Passes, die in den USA leben, einfach rausgeschmissen. Im EU-Raum leben Schweizer Banken den vorauseilenden Gehorsam aus und verlangen schon heute eine «authorization for voluntary disclosure». Der dort steuerpflichtige Kunde verzichtet also «freiwillig» auf das theoretisch immer noch existierende Schweizer Bankgeheimnis und erlaubt es seinem Geldhaus, den zuständigen Fiskalbehörden all seinen in der Schweiz gelagerten Besitz offenzulegen. Damit dann gerne auch mal mit Steuern zugegriffen werden kann. Denn dieses Recht ist international geworden.
Immer noch Glück gehabt
Nicht nur bezüglich USA, auch bei vielen exotischen und weniger exotischen Ländern wie Tschechien werden Kunden mit der Mitteilung überfallen, dass die Bankbeziehung gekündigt werde, und wohin man den Saldo denn überweisen solle.
Die Begründung ist immer die gleiche: zunehmende regulatorische Vorschriften, Rechtsunsicherheiten, Riesenaufwand für trotz hoher Gebühren kleinen Ertrag. Denn angesichts verlumpender Staaten auch in Europa werden ja ständig «Steuerschlupflöcher» gestopft. Oder, anders formuliert, immer ungehemmter auf im Ausland gelagerte Vermögenswerte zugegriffen. Ungeniert auch rückwirkend. Nach neuem Brauch haftet dann nicht nur der Kontoinhaber, sondern natürlich auch die kontoführende Bank.
Besonders fatal wird es, wenn der Auslandschweizer darauf angewiesen ist, ein Konto in der Schweiz zu haben. Sei das, weil nur dorthin seine Rente überwiesen wird oder sei das, weil er in der Schweiz immer noch eine Hypothek abbezahlen muss. Die ist bei Kündigung natürlich auch futsch, was im Extremfall zum Notverkauf der Immobilie führen kann. Und da immerhin rund 750'000 Eidgenossen aus welchen Gründen auch immer im Ausland leben, ist das Problem kein kleines.
Es bleibt die Postfinance – noch
Nicht nur das Kinderhilfswerk Zunzún, dem die Credit Suisse kürzlich das jahrelang unterhaltene Konto kündigte, flüchtete sich zur Postfinance. Die gehört (noch) dem Bund und bietet deshalb jedem Eidgenossen ein Heimetli in Form eines Kontos. Weil das heutzutage neben dem Pass wohl ein unverzichtbares Requisit ist. Allerdings vergibt Postfinance keine Hypotheken, und wie lange sie dieses Kontoführen noch als «Service public» sehen wird, steht in den Sternen.
Was sagen eigentlich die Schweizer Regierung und der Finanzplatz zu diesem Problem? Die Auslandschweizer-Organisation beschwert sich darüber, dass sie bereits mehrfach und erfolglos bei Bundesrätin Widmer-Schlumpf und bei der Bankiervereinigung interveniert habe. Wahrscheinlich ist man dort der Auffassung, dass der Schweizer doch gefälligst in der Schweiz bleiben könne, wenn er keine Probleme mit seinem helvetischen Konto wolle.
Das Netz zieht sich zu
Globalisierte Welt, Personenfreizügigkeit und gnadenloser Kampf gegen Steuerhinterziehung, vor allem von Privatpersonen: Hinter diesen Schlagworten verschwindet die Realität. Verschwinden zwei Tatsachen. Es kann erstens nicht angehen, dass Banken den steuerlichen Zustand ihnen anvertrauter Gelder überprüfen müssen und dafür sogar haftbar sind. Es kann zweitens nicht sein, dass Vermögenswerte, die nicht als Schwarzgelder in der Schweiz in Sicherheit gebracht wurden, dem Zugriff von Ländern ausgesetzt werden, in denen statt Rechtsstaat Willkür herrscht und in denen Enteignungen, das Requirieren von finanziellen Mitteln oppositioneller Bewegungen oder als Opferlamm ausgesuchter gesellschaftlicher Gruppen Gang und Gebe ist.
Enteignung setzt Zugriff voraus. Zugriff setzt Information und Kontrolle voraus. Geld kann, im Gegensatz zu Immobilien, flüchten. Fluchtgelder sind nicht per Definition schmutzige Gelder. Wenn Finanzströme weltweit lückenlos überwacht werden können, ist nicht das Allheilmittel gegen kriminelle Gelder und Schwarzgeld gefunden, sondern die Grundlage für weltweite Enteignung. Sei das in Form einer Sondersteuer von 10 Prozent für «Reiche», wie sie Piketty fordert. Oder in Form reiner Willkür, gerichtet gegen gesellschaftliche Gruppen, die aufgrund von Reichtum, Religionszugehörigkeit, Dissidenz zum herrschen Regime oder was auch immer ausgesucht werden.
Und sozusagen als Kollateralschaden trifft es selbst Auslandschweizer. Die sich meistens nicht mehr zuschulden kommen liessen, als dass sie eine berufliche Chance ergriffen, ihrem ausländischen Lebenspartner in dessen Heimat folgten oder den Lebensabend in einem klimatisch angenehmeren und billigeren Land als der Schweiz verbringen wollen. Aber im «Kampf gegen Steuerhinterziehung» muss wohl jeder Opfer bringen.