Gegen 100 Tote und 900 Verletzte auf Seiten Israels – die meisten von ihnen Zivilisten, die am Samstagmorgen von einem Angriff der islamistischen «Hamas» aus dem Gazastreifen überrascht und überrumpelt wurden.
So zumindest sah die blutige Statistik zehn Stunden nach dem unerwarteten Überfall aus, endgültige Zahlen würden sicher noch Stunden auf sich warten lassen, versichern israelische Quellen.
Ganz zu schweigen von der Zahl der Opfer auf palästinensischer Seite, gegen die das israelische Militär ähnlich wie bei früheren Konflikten mit voller Wucht vorgeht. In Kreisen der «Hamas» ist von mindestens 200 Toten die Rede. Und dies ist sicher nicht das letzte Wort.
Netanjahu: «Wir sind im Krieg»
Ministerpräsident Netanjahu gab die Losung aus, Israel befinde sich im Krieg und es werde diesen Krieg gewinnen. Es ist nicht nur die Zahl der Todesopfer und Verletzten, die dies zu unterstreichen scheint, weil «Hamas» etwa 2700 Raketen abgefeuert haben soll – mehr als je zuvor – und weil die Angreifer zum ersten Mal auch die Demarkationslinie zwischen dem Gazastreifen und Israel überquerten und mit Motorrädern und PKWs in benachbarte israelische Orte fuhren, um dort Zivilisten zu überfallen und Dutzende von ihnen gefangen nahmen. Unter den Gefangenen sind auch einige Soldaten, die sich nun auf eine schwere Zukunft gefasst machen müssen: In der Vergangenheit war ein israelischer Soldat jahrelang in Gaza festgehalten worden, bevor er wieder freigelassen wurde und nach Hause zurückkehren konnte.
Beim letzten schweren Vorfall zwischen Israel und Gaza vor einigen Monaten hatte die «Hamas» sich erstaunlicherweise zurückgehalten und das Feld einer kleineren, aber umso radikaleren Islamistengruppe überlassen, dem «Islamischen Jihad», der besonders vom Iran unterstützt wird. «Hamas» hingegen schien die Zeit noch nicht gekommen, denn sie wollte – und will – die Führungsrolle der Palästinenser im Gazastreifen und dem Westjordanland übernehmen, um damit die Chancen für einen palästinensischen Staat ihrer Couleur zu steigern.
Neuer Druck für eine «Zweistaatenlösung»?
So war der angebliche Auslöser damals auch religiöser Natur. Nämlich der Streit um den Tempelberg in Ostjerusalem. Und Hamas könnte sich für den Fall von Wahlen im Westjordanland gute Chancen ausrechnen, gegenüber der PLO, die unter ihrem über 88 Jahre alten Führer Mahmud Abbas viel Anhängerschaft verloren hat. Dies besonders wegen der immer härteren Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern im Westjordanland.
Die Reaktion von Abbas auf die aktuellen Ereignisse am Gazastreifen ist denn eher ein Versuch, für seine Regierung festzustellen, dass man das Vorgehen der «Hamas» durchaus verstehe. Viel nützen und die Sympathie für Abbas unter den Palästinensern stärken dürfte dies kaum.
Auch Netanjahus Kriegs-Rede ist allerdings kaum geeignet, ihn von dem Druck zu befreien, der sich in letzter Zeit international verstärkt hat – selbst in den USA – dass es zu einer «Zweistaatenlösung» kommen sollte und dass dies die Voraussetzung sei für offizielle israelische Beziehungen zu Saudi-Arabien und weiteren arabischen Staaten.
Je nachdem, wie die Rechtsaussen-Regierung Netanjahus vorgeht, werden die Ansätze in diese Richtung wohl scheitern und im Nahen Osten droht die Verschärfung weiterer Konfliktherde. Der nächste könnte mit der «Hizbullah» im Libanon drohen: Als Verbündete des Iran teilt diese dessen Feindschaft gegenüber Israel und die Unruhe unter palästinensischen Flüchtlingen im Libanon in letzter Zeit lässt ebenfalls nicht Gutes erwarten.