Auch eine Anpassung an die Zeit? Auch dank ihrer Triennale kam die Stadt zu einer der bedeutendsten Grafik-Sammlungen des Landes.
Ende der fünfziger Jahre trafen sich einige Kunstfreund mit dem Ziel, gemeinsam den in den dreissiger Jahren gegründeten Kunstverein aus dem Dornröschenschlaf aufzuwecken. Sie beabsichtigten, mit periodischen Ausstellungen das Interesse an der Kunst zu fördern.
Die Initianten einigten sich darauf, dem Kunstanlass „Bianco e Nero“ in Lugano die „Internationale Triennale für farbige Originalgrafik“ von Grenchen gegenüber zu stellen; Farben statt schwarz-weiss. Damit war die Grafik-Triennale geschaffen.
Ihre Gründer waren Uhrmacher, Journalisten, Bauunternehmer, Juristen, Künstler und Galeristen. Sie stammten aus allen Schichten der Bevölkerung und waren sehr eng mit der lokalen Politik verzahnt. Sie suchten nichts Geringeres auf die Beine zu stellen, als einen geographisch unbegrenzten freien Wettbewerb unter den Künstlern möglichst vieler Länder. Gleichzeitig schlossen sie strikte Einsendungen von Grafik-Verlagen aus: Triennale Besuchende sollten uneingeschränkt entdecken können. Eine internationale Jury musste die Einsendungen prüfen und jene Blätter aussuchen, welche ausgestellt wurden. Die Teilnahme an der Grenchner Grafik-Triennale war für alle Künstler aller Länder frei.
Das Echo auf die erste Ausschreibung war überraschend gross: Rund 1000 Kunstschaffende aus 28 Ländern sandten über 3000 Blätter ein. Die Organisation des Anlasses ruhte ausschliesslich auf dem Einsatz von Freiwilligen. Der bekannte Galerist und Freund von Friedrich Dürrenmatt, Hans Liechti, war damals Wirt auf dem „Volkshaus“ in Grenchen. Er war einer jener Freiwilligen, die als Autobesitzer die Kunstblätter fast täglich im Zollamt Biel herauslösen mussten. Das war eine heikle Arbeit: Jedes Blatt musste ausgemessen und in mehreren Listen aufgeführt werden. Gleichzeitig hatten diese Leute darauf zu achten, dass auf den Bildern keine Zollstempel angebracht wurden.
Es waren auch Freiwillige, welche die Stellwände im Parktheater präparierten und aufstellten. Freiwillige halfen der Jury, schleppten stossweise Bilder von einer Ecke zur andern. Andere wieder führten in der Ausstellung ein kleines Restaurant, für welches eine Bewilligung eingeholt werden musste, und schliesslich waren es Freiwillige, welche Tag und Nacht den Ordnungsdienst versahen.
Die Triennale- Ausstellung war ein dreiwöchiger Anlass, an dem viele Grenchnerinnen und Grenchner in irgend einer Form beteiligt waren. Übrigens der erste Preisträger der ersten Triennale von 1958 war der französische Künstler Alfred Manessier (1911 – 1993). Sein prämiertes Blatt „Février en Hollande“, war zum Preis von 300 Franken erhältlich. Dass Manessier rund vier Jahre später ausgewählt wurde, die Glasfenster für die römisch-katholische Kirche von Moutier zu schaffen, dürfte auf Kontakte während der ersten Grenchner Triennale zurückzuführen sein.
Eine wechselvolle Geschichte
Den Triennalen Nr. 2 bis und mit 4 stand der Unternehmer und Fabrikant Paul Glocker vor. Mit seiner Belegschaft arbeitete er während Wochen für die Ausstellung. Nach wie vor beruhte die gesamte Organisation auf der Mitarbeit von Freiwilligen, und noch immer galt der „Freie Wettbewerb“ als Kern der Veranstaltung. Die vierte Triennale von 1967 war soeben mit einem grossen Defizit zu Ende gegangen. Deshalb und weil die Stadt einen zusätzlichen Defizitbeitrag von 6000 Franken nicht leisten wollte, beabsichtigten der Kunstverein und das OK die Rechte an der Grafik-Triennale nach Bern zu geben. Im buchstäblich allerletzten Augenblick konnte die 1964 gegründete „Gesellschaft für ein Grenchner Kunstmuseum“ erreichen, dass die Ausstellung in Grenchen blieb. Möglich wurde dies jedoch nur, weil sich Kanton und Stadt bereit erklärten, in Zukunft die Triennale zu unterstützen.
Das bedeutete aber auch, dass die beiden Kunstvereine der Stadt fusionierten. In den folgenden Triennale-Jahren wurden einige Änderungen eingeführt: 1973 wurde erstmals der „Prix Etoile“ vergeben, eine Initiative zweier Privatleute. Erster Preisträger war der Berner Künstler Rolf Iseli.
Eine weitere wichtige Änderung bestand später darin, dass die Künstler nicht mehr ihre Werke einschickten, sondern in einem ersten Gang Fotografien. Auf Grund der eingereichten Bilddokumente entschieden die Organisatoren zusammen mit der Jury welche Kunstwerke ausgestellt werden sollten. Nochmals einige Jahre später wurden die Künstler zur Teilnahme an der Triennale eingeladen und damit der freie, auf Fotobasis beruhende Wettbewerb, weiter eingeschränkt. Mit diesen Massnahmen konnte der Gang zum Zoll in Biel umgangen und die Organisation wesentlich vereinfacht werden.
Um zusätzliche administrative Erleichterungen einzuführen nahm die Triennale ab 2003 den Charakter einer Verkaufsausstellung an, an der sich schliesslich in erster Linie eingeladene Galeristen beteiligten. Die „Verschlankung“ der traditionsreichen Triennale äusserte sich zudem auch in der verkürzten Ausstellungsdauer. Die diesjährige Triennale Ausstellung wird gerade noch fünf Tage dauern.
Die Vereinfachung der Organisation hatte zur Folge, dass verschiedene Sonderausstellungen stattfanden. Die kommende Triennale 2012 wird unter dem Titel „International Triennal of Grafic Art“ rund 120 Arbeiten von Künstlern aus Mazedonien zeigen.
Die heutige Form der Triennale besitzt aus der Sicht der Organisierenden zweifelsohne verschiedene Vorteile. Vor allem ist man nicht mehr derart stark auf die Mitarbeit freiwilliger Helferinnen und Helfer angewiesen wie früher. Selbst der Name „Triennale“ erscheint auf den Drucksachen nur noch im Untertitel. Damit wurde die Bezeichnung des traditionsreichen Anlasses verändert: Man spricht neu von „multiple art – art limited“ und dies, der Zeit entsprechend, englisch. Doch Besuchende der Triennale von heute werden kaum mehr in die Lage versetzt, Entdeckungen machen zu können – und die einst ausgeschlossenen Verleger beherrschen den Ausstellungs- und Kunstraum. Die Triennale setzt nicht mehr wie in ihren Gründungsjahren Akzente.
Die Grafik-Triennale als Ausgangspunkt
Dank der Triennale war die Richtung für den Auf- und Ausbau der Städtischen Kunstsammlung klar vorgegeben: Die Sammlung besitzt einen dominierenden Schwerpunkt im Bereich der zeitgenössischen Grafik. Und hier wiederum sind es die Schwerpunkte der Sammlung, die von grosser Bedeutung sind. So besitzt die Sammlung das gesamte Druckwerk von Franz Anatol Wyss und zwar mitsamt den Druckplatten. Weitere Schwerpunkte in der Sammlung sind die Arbeiten der Solothurner Künstler Peter Wullimann, Max Kohler und Franz Eggenschwiler und anderen. Dazu kommen die Werkgruppebn von Emil Zbinden und Rolf Iseli sowie Michel Terrapon. Diese starken Gruppen lassen sich ausweiten und mit Arbeiten weiterer Kunstschaffenden ergänzen.
Man darf zudem annehmen, dass die Triennale dazu führte, dass sich heute in der Stadt über hundert Kunstobjekte im öffentlichen Raum sich befinden.
Schliesslich beeinflusste die Triennale das grafische Kunstschaffen generell. Dabei ist vor allem wesentlich, dass dank der Triennale die Grafik nicht mehr eine blosse Wiedergabe der Malerei mit Mitteln grafischer Techniken blieb, sondern sich zu einer eigenständigen Form in der Kunst wurde. – Die Grenchner Grafik Triennale liess sehr oft neue Formen der Kunst zu und wurde zum Forum der Auseinandersetzungen. Die Triennale beeinflusste künftige Stilrichtungen. Das war jedoch in erster Linie damals möglich, als der freie Wettbewerb dominierte.
Die 19. Triennale findet statt vom 6. – 10. September 2012. Ort: Tennishalle Grenchen