
Einerseits wird sie von Trump verehrt und will dieses Privileg nicht gefährden. Doch im Gegensatz zum amerikanischen Präsidenten steht sie fest an der Seite der EU, der Ukraine und Selenskyj. Schafft sie diesen Spagat?
Trump will Europa fallenlassen und geht auf Putin zu. Er weigert sich, den Kreml-Chef als Aggressor zu bezeichnen. Die jüngste Anti-Putin-Resolution der Uno lehnt er ab. Vieles deutet darauf hin, dass er Teile der Ukraine für «seinen» Frieden opfern will.
Anders Meloni: Sie hat seit Kriegsbeginn den russischen Überfall der Ukraine scharf verurteilt, nennt Putin einen Kriegstreiber. Tatkräftig unterstützt sie die EU in ihrem Kampf für eine Russland-freie Ukraine.
Die Haltung von Trump und jene von Meloni könnten verschiedener nicht sein. Ein schwieriger Spagat: Huldigt Meloni Trump, wird das in Europa kritisiert. Verteidigt sie aber klar die europäische Position, besteht die Möglichkeit, dass sie von Trump fallengelassen wird.
«Lavieren, schmeicheln, sich ein bisschen verleugnen»
In Rom fragte man sich: Knickt nun auch Meloni ein wie all die amerikanischen Tech-Feiglinge? Da sie unheimlich lange schwieg, machte man sich Sorgen, sie könnte ebenfalls auf die Trump-Linie einschwenken.
Doch dann endlich nach mehreren Tagen nahm sie Stellung: «Italiens Priorität ist es, gemeinsam mit seinen europäischen und westlichen Partnern und mit der Ukraine einen gerechten und dauerhaften Frieden zu schaffen». Und: «Rom war in diesen drei schwierigen Jahren da und wird – zusammen mit dem übrigen Europa und dem Westen – für eine Zukunft der Souveränität, des Wohlstands und vor allem der Freiheit da sein.»
Einerseits will sie die privilegierte Zuneigung, die sie im Weissen Haus geniesst, nicht verspielen. Andererseits will sie sich für Europa einsetzen. Dazu braucht sie diplomatisches Geschick. Und sie muss lavieren und schmeicheln – und sich ein bisschen verleugnen.
Ein Lob für J. D. Vance’ Brandrede
Per Videoschalte traf sie kürzlich bei der amerikanischen Conservative Political Action Conference (CPAC) auf. Dabei handelt es sich um ein jährliches Treffen von Trump-Verehrern, Rechtsaussen-Vertretern, Evangelikalen und anderen religiösen Rechten. Allein schon, dass sie vor diesen rechtskonservativen Leuten auftrat, war eine Schmeichelei für Donald Trump.
Ganz im Sinne des amerikanischen Präsidenten sprach sie sich gegen Linksliberalismus, gegen «die Eliten» und gegen «Woke»-Ideologien aus. Sie lobte die Rede des amerikanischen Vizepräsidenten J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz – eine Rede, die in Europa schlecht ankam und Amerikas europäische Verbündete vor den Kopf stiess.
Um den Ukraine-Krieg zu beenden, forderte sie – mit freundlichem Blick auf Donald Trump – «Mut, und eine starke Führung», um einen «gerechten und dauerhaften Frieden» zu erreichen. Solche diplomatischen Floskeln können viel bedeuten. Natürlich erwähnte Meloni nicht, dass Trump den ukrainischen Präsidenten als «Diktator» bezeichnete und ihm vorwarf, den Krieg begonnen und verlängert zu haben. Ebenso schwieg Meloni zu Trumps wohlwollenden Äusserungen zu Putin.
Italien beteiligt sich an Uno-«Friedensarmee»
Ihre Botschaft hatte zwei Teile. Der eine richtete sich an die Europäer, der andere an Trump. Im europäischen Teil erinnerte sie an das «stolze ukrainische Volk, das für seine Freiheit gegen einen brutalen Aggressor kämpft». Und weiter: «Die Aussicht auf Frieden ist heute dank des heldenhaften Widerstands des ukrainischen Volkes und der Unterstützung des Westens möglich.» Um dies zu erreichen, müssten echte und wirksame Sicherheitsgarantien festgelegt werden.
Dann eine weitere Schmeichelei an die Adresse von Trump: «Unsere Gegner hoffen, dass sich Präsident Trump von uns abwendet, aber ich kenne ihn, er ist stark und effektiv, wir werden ihnen das Gegenteil beweisen.»
Inzwischen hat sich Meloni – ganz im Sinne von Trump – bereit erklärt, sich an einer Uno-«Friedensarmee» zu beteiligen. Wenn nach dem Krieg in der Ukraine eine Friedensmission unter dem Schirm der Uno zu Ende gehe, so hiess es am Dienstagabend in Rom, werde Italien seinen Teil dazu beitragen. Konkret: Italien wird sich mit Soldaten und anderem Militärpersonal an der angestrebten «Friedensarmee» beteiligen. Auch Aussenminister Antonio Tajani gab grünes Licht für eine solche Beteiligung.
Innenpolitische Gründe
All dies, um die Gunst des amerikanischen Präsidenten und jene von Elon Musk nicht zu verlieren. Das hat auch innenpolitische Gründe. Meloni will sich als europäische Friedensstifterin in Position bringen. Das wertet sie innenpolitisch auf. Das kann sie gebrauchen.
Seit ihrem Amtsantritt vor gut zwei Jahren tanzt sie vor allem auf der internationalen Bühne. Und das beherrscht sie wunderbar. Sogar Berlusconi war häufiger in Rom anzutreffen als sie. Sie empfängt Scheichs, Präsidenten und Diktatoren. Joe Biden streichelte ihr Haar. Sie bereist die Hauptstädte dieser Welt und nimmt an vielen internationalen Konferenzen teil. Sie war im Nahen Osten, in Afrika, auf dem Balkan, in vielen europäischen Hauptstädten, auf dem Bürgenstock, mehrmals in Kiew – und natürlich vor allem im Brüssel. Wie oft haben sich Ursula von der Leyen und Meloni umarmt! Viele Italiener sind stolz, dass ihre Präsidentin auf dem internationalen Parkett immer mehr ein Star ist. Doch die Erfolge in der Aussenpolitik lenken davon ab, dass Meloni innenpolitisch fast nichts erreicht hat. Von den grossen Versprechen, die sie im Wahlkampf gab, wurde fast nichts realisiert. Und wo sind die 194 Milliarden hingegangen, die die EU Italien nach der Pandemie als Wiederaufbauhilfe zugesprochen hat? Italien ist auf vielen Gebieten immer noch ein krankes Land mit einer schrecklichen, lächerlichen Bürokratie, einem politischen Leerlauf mit teils überheblichen, allzu gut bezahlten Parlamentariern, einer maroden Infrastruktur und einer hoffnungslos überlasteten Justiz.
Meloni ist seit 2022 Ministerpräsidentin. Natürlich kann man nicht erwarten, dass sie in gut zwei Jahren paradiesische Zustände nach Italien bringt. Aber Ansätze zu kleinen Verbesserungen und Fortschritten wären doch angezeigt. Solche muss man allerdings lange suchen. Die Bevölkerung ist laut Umfragen pessimistisch gestimmt und sieht keine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage. Aber immerhin hat es die Regierung durchgesetzt, dass in den Mittelschulen wieder Latein gelehrt wird, dass auf dem Lehrplan Bibel-Unterricht steht und dass das Bussgeld für zu schnelles Fahren erhöht wird …
Zwei grosse Probleme
Doch Meloni, die Möchte-gern-Friedensstifterin, hat jetzt zwei Probleme: Das eine liegt in Rom, das andere in Paris.
Italien wird von einer Dreierkoalition regiert: Neben Melonis Fratelli sind es die «Lega» von Matteo Salvini und die Ex-Berlusconi-Partei «Forza Italia» von Aussenminister Antonio Tajani. Die drei sind nicht beste Freunde. Während Meloni es mit dem vernünftigen Tajani kann, gebärdet sich Lega-Chef Salvini als notorischer Querschläger. Er ist immerhin stellvertretender Regierungschef, bekämpft aber so ziemlich alles, was die Regierungschefin tut. So schart er immerhin etwa acht Prozent der Wählerinnen und Wähler hinter sich. Mit seiner rassistischen, sehr rechtsgerichteten, Putin-freundlichen Polter-Politik macht er Meloni arg zu schaffen. Doch sie braucht ihn. Ohne ihn verfügt sie über keine Mehrheit im Parlament.
Erwartungsgemäss wehrt sich Salvini jetzt gegen eine italienischen Beteiligung an einer Ukraine-Friedensarmee. In bekannt populistischer Art sagt er: «Keine italienischen Soldaten in die Ukraine! Kein italienisches Blut für die Ukraine!»
Einen Schrecken eingejagt
Das zweite Problem von Meloni ist Emmanuel Macron. Auch der französische Präsident will europäischer Ansprechpartner für Trump sein. Auch er, der innenpolitisch arg angeschlagen ist, versucht damit einen Befreiungsschlag und als Friedensstifter Lorbeeren zu erheischen. Seine Umfragewerte sind desaströs, doch jetzt sieht er eine Möglichkeit, wieder obenauf zu schwingen. Die Bilder, die Trump und Macron in fröhlicher, lachender Einigkeit zeigten, müssen Meloni einen Schrecken eingejagt haben.
Macron hat einen Vorteil. Er ist ein Charmeur, spricht ein perfektes Amerikanisch, weiss, wie man Leute ködert, ist eloquent, ein guter Redner und ein smarter Verführer, der aus der französischen «High Society» stammt. Mit seinen Komplimenten kann er den amerikanischen Präsidenten ködern. Der immer etwas holprige Trump scheint von seiner Eloquenz und seinem Charme fasziniert zu sein. Das Bild spricht Bände: Männerkumpanei, Männerkungelei. Das gefällt Trump.
Macrons Gegner bezeichnen ihn als Schaumschläger, doch das stört Trump nicht. Insider sprechen von einem «Überholmanöver Macrons».
«Danke Donald Trump für deine Worte»
Wer ist also europäischer Ansprechpartner für Trump und Musk? In Römer Insiderkreisen tippt man eher auf Macron. «Die Machos im Weissen Haus», sagt man, «betrachten Meloni als sympathisches Mädel, das man um den Finger wickeln kann. Macron hingegen hat doch mehr Substanz und Erfahrung». Wenn sich die Machos in Washington da nur nicht täuschen.
Meloni klammert sich jetzt an einen Satz, den Trump letzte Woche gesagt hat: «Sie haben eine fantastische Frau an der Spitze. Italien ist ein sehr wichtiges Land, und mit Giorgia haben Sie eine sehr starke Führungspersönlichkeit.» Umgehend verbreitete Meloni in den sozialen Medien ein Video mit Trumps Aussage und erklärte: «Danke Donald Trump für deine Worte. Italien, die Vereinigten Staaten und Europa teilen gemeinsame Werte und Verantwortlichkeiten.»