Die syrische Luftwaffe hat am vergangenen Freitag ihre Bombenangriffe auf die syrische Stadt Douma (Duma) wieder aufgenommen. Zuvor herrschte zehn Tage lang Ruhe. Begleitet wurden die neuen Bombardierungen von einer grossen Bodenoffensive.
Douma leistet als letzte Stadt in der Ost-Ghouta der syrischen Armee noch Widerstand. Ihre Kämpfer gehören der „Jaish al-Islam“-Bewegung an. Sie wollten, offenbar via russische Verbindung, mit den Asad-Emissären über eine Beendigung der Belagerung verhandeln. Sie wollten die Zusage erhalten, in Douma bleiben und dort als lokale Sicherheitskräfte wirken zu können. Dies gelang ihnen nicht. Die Verhandlungen waren am Donnerstag abgebrochen worden.
Das Asad-Regime rechtfertige seine neue Offensive damit, dass „Jaish al-Islam“ von Douma aus Wohnquartiere der Hauptstadt Damaskus beschossen hätte. Laut Zeitungsberichten seien dabei drei Menschen ums Leben gekommen. Die Kämpfer in Douma dementierten und erklärten, einen solchen Beschuss habe es nie gegeben.
Kanister mit Giftgas
Am Samstag trafen erste Meldungen über einen Giftgas-Angriff in Douma ein. Helikopter hätten Kanister mit Giftgas abgeworfen. Die Rettungskräfte der „Weisshelme“ sprachen von Dutzenden Opfern. Sie alle wiesen Symptome auf, die eindeutig auf den Einsatz von chemischen Kampfstoffen hinwiesen.
Auch Ärzte der wenigen verbliebenen Spitäler bestätigten diese Meldungen. Die Rede war zunächst von mindestens 70 Toten und Hunderten Verletzten, die sich in Spitalpflege befinden. Viele der Opfer würden ersticken. Später wurde von 100 Toten gesprochen. Es wird vermutet, dass Sarin oder eine Kombination von Sarin mit Chlorin eingesetzt wurden. Inzwischen dauert die Bodenoffensive der Asad-Truppen an.
Giftgas-Einsatz Nummer 215
Das amerikanische State Department erklärte, dies sei der 215. Einsatz von Giftgas in Syrien, der sich gegen die syrische Bevölkerung richte. Präsident Trump soll mit Beratern über die Frage diskutiert haben, ob die USA auf den Angriff reagieren sollten. Vor einem Jahr, am 6. April 2017, hatte Trump einen amerikanischen Raketenangriff auf die syrische Luftbasis Shayrat bei Homs angeordnet – dies als Reaktion auf einen syrischen Giftgas-Angriff auf den Ort Khan Shaikhun. Doch diesmal, so hiess es, habe er sich dagegen entschlossen, etwas zu unternehmen.
Trumps Verteidigungsminister,General James Mattis, hatte am 11. März das Asad-Regime gewarnt, ein neuer Giftgas-Angriff in Syrien werde Folgen haben. Über Twitter verurteilte Trump die Attacke und sprach von einem „sinnlosen“ (mindless) Angriff. Er machte Asad und Russland dafür verantwortlich. Am Ende seines Tweet stand der unvollständige Satz: „Hoher Preis ...“ (big price ...). Sollten sich die Anschuldigungen an die Adresse Asads bestätigen, so verlautete aus Trumps Entourage, werde er die internationale Gemeinschaft auffordern, energisch zu reagieren. Natürlich wissen Trump und seine Berater, dass die internationale Gemeinschaft nichts tun kann, weil sie auf ein Veto Russlands stossen wird.
Die Armee hat ein Motiv
Die syrische Regierung hat, wie immer, Berichte über einen Giftgas-Angriff dementiert. Russland desgleichen. Die syrischen Zeitungen erklären, „Jaish al-Islam“ stehe in Douma vor dem Zusammenbruch. Deshalb erfinde sie Dinge wie den Giftgas-Angriff, um eine amerikanische oder französische Intervention auszulösen.
Dass die eigene Regierung ihre eigene Bevölkerung mit Giftgas angreift, ist in der Tat schwer nachvollziehbar. Deshalb werden die syrischen und die russischen Dementis, so routinemässig sie ausfallen, stets da und dort offene Ohren finden.
Dennoch sind die Hinweise darauf, dass es sich um einen Giftgas-Angriff der syrischen Regierung handelt, überzeugender als in vielen früheren Fällen. Die syrische Armee hat ein klares Interesse und Motiv, einen solchen Angriff durchzuführen. Sie will den Verzweiflungskampf des „Jaish al-Islam“ abkürzen und dadurch die Verluste des syrischen Militärs klein halten.