Als Sumiati in Dschiddas König-Fahd-Hospital eingeliefert wurde, war ihr Körper übersät von zahlreiche Brandwunden, sie konnte ihre Beine kaum noch bewegen, Teile der Kopfhaut fehlten und zahlreiche Narben am ganzen Körper zeugten von früheren Verwundungen. In der Hoffnung, ihre Familie unterstützen zu können, war die 23-Jährige aus Westjava einem Angebot aus Saudi-Arabien gefolgt. Doch anstatt dort als Hausmädchen 200 Dollar, mehr als das Doppelte ihres Verdienstes in Indonesien, zu verdienen, wurde sie „von ihrem ersten Arbeitstag an misshandelt und geprügelt“, wie ein indonesischer Konsularbeamter berichtete. „Sie litt unter Unterernährung und exzessivem Blutverlust.“
Nur wenig später wurde in den Strassen von Abha Kikim Komalasaris Körper mit Spuren schwerer Misshandlungen gefunden. Auch Kikim Komalasaris war als Hausmädchen aus Indonesien nach Saudi-Arabien gekommen.
Sukmi bint Sardi Umar war 18 Jahre alt, als sie eine Stelle als Hausmädchen in Saudi-Arabien annahm. Nachdem ihre Familie in Indonesien über Jahre keinen Kontakt zu Sukmi hatte, wandte sie sich an die indonesischen Behörden, die die inzwischen 40-Jährige schliesslich ausfindig machen konnten und sofort in eine Maschine nach Jakarta setzten. Nachdem sie von der indonesischen Botschaft gefunden worden war, erhielt Sukmi zum ersten Mal ein Gehalt ausbezahlt – nach 22 Jahren Arbeit. Nach Verhandlungen der indonesischen Regierung bezahlte der Arbeitgeber schliesslich 44’000 Dollar, 166 Dollar pro Monat.
Exportschlager Hausmädchen
Die öl- und gasreichen Emirate, Katar und Saudi-Arabien haben einen hohen Bedarf an Hausmädchen. Und Hausmädchen sind der grösste Exportschlager Indonesiens. Das Land schickt jeden Monat 25’000 junge Frauen nach Saudi-Arabien, Bahrain, Hongkong, Malaysia, Singapur. (Aus den Philippinen treffen jeden Monat etwa 5000 und aus Sri Lanka 2500 in Saudi-Arabien ein.) Die saudische Nachrichtenwebsite Al-Youm schätzt, dass eine Haushaltshilfe etwa 260 bis 325 Euro monatlich verdient. In einem indonesischen Haushalt würde sie gerade einmal 80 Dollar im Monat verdienen. Von ihren Arbeitsplätzen in Hongkong, Taiwan, Saudi-Arabien oder den Emiraten überweisen die jungen Frauen den grössten Teil ihres Lohns, bis zu vier oder gar fünf Millionen Rupiah (230 bis 280 Euro) monatlich, nach Hause.
„Aber nur wenn sie Glück haben“, schränkt Rinno von der Koalisi Perempuan Indonesia (Indonesische Frauenkoalition) in Jakarta ein. „Viele dieser Mädchen und jungen Frauen werden nie bezahlt. Sie werden geschlagen, verprügelt, vergewaltigt, gequält und rennen dann weg, ohne zu wissen wohin. Stellen Sie sich vor, das ist das erste Mal, dass sie überhaupt ihr Dorf verlassen haben.“ Rund zwanzig Prozent aller heimkehrenden Haushaltshilfen berichteten von Problemen. Und neuerdings tauchen sie sogar auf saudischen Sklavenmärkten auf und werden immer wieder auf Twitter zum Verkauf angeboten – „inklusive Transport“. „Während die Welt sich freut, dass Frauen in Saudi-Arabien endlich Autofahren dürfen, was als Meilenstein in der Geschichte für Frauenrechte gefeiert wird, sieht es hinter den verschlossenen Türen dramatisch aus“, schrieb die Organisation „Netzfrauen“ auf ihrer Webseite.
Hausmädchen als Freiwild
In Saudi-Arabien dürfen Hausmädchen – wie alle Frauen – das Haus nicht ohne Begleitung eines Mannes verlassen. „So erfährt niemand, was sich dort zuträgt. Gleich bei ihrer Ankunft kassiert der Arbeitgeber die Papiere, Pass, Arbeitsgenehmigung, Gesundheitsattest“, erklärt Dian Kartika, die Vorsitzende der Koalisi Perempuan Indonesia, die in der Ankunftshalle des indonesischen Flughafens Soekarno-Hatta einen Stand unterhält, um heimkehrende, oftmals traumatisierte Hausmädchen zu betreuen. Rund zehn Prozent der jungen Frauen kehrten vergewaltigt zurück. „Man muss sie nicht einmal unbedingt vergewaltigen. Viele geben nach, wenn sich der Mann ihnen nähert – einfach weil sie Angst haben, zum Boss Nein zu sagen. Da spielen sich Tragödien ab.“ Dian weiss von einer jungen Frau, die in Riad entsetzt und nackt vor ihrem Vergewaltiger auf die Strasse floh. „Dort wurde sie natürlich von der Polizei aufgegriffen und dann ausgepeitscht“ – weil sie sich nackt auf der Strasse aufgehalten hatte.
Beinahe regelmässig erfahren die Mitarbeiterinnen der Frauenkoalition von jungen Indonesierinnen, die in Saudi-Arabien grausam zu Tode gekommen sind, ermordet von ihren Arbeitgebern. Dann würden die saudischen Behörden einfach die Autopsieergebnisse fälschen. Der Tod wird auf Unfall oder eine natürliche Erkrankung zurückgeführt. Manchmal werden von den saudischen Behörden solche Erklärungen auch gegeben, um nicht öffentlich zugeben zu müssen, dass das Hausmädchen im Gefängnis im Todestrakt auf seine Hinrichtung wartet, weil es seinen Arbeitgeber getötet hatte – in Notwehr, wie die verurteilte junge Frau behauptet. Der Mann habe sie vergewaltigen wollen. Dem jedoch steht meist das Wort eines Mannes aus der Familie des Opfers entgegen. Und das Wort eines Mannes wiegt vor arabischen Gerichten doppelt soviel wie das einer Frau.
In zahlreichen Fälle versuchten die Behörden in Riad, weibliche Hausbedienstete, die vergewaltigt wurden, als Ehebrecherinnen zu diskreditieren, und erhoben sogar Anklage. Leider gibt es keine zuverlässigen und aktuellen Daten. Aber „Solidaritas Perempuan“ (Frauensolidarität), eine andere regierungsunabhängige Organisation in Indonesien, spürte zehn sogenannte „International Contract Workers“ mit korrekten Arbeitspapieren auf, die in den Jahren zwischen 1991 und 1997 an Folter oder durch die Todesstrafe gestorben waren, 22 erlagen im selben Zeitraum Arbeitsunfällen und acht waren freiwillig aus dem Leben geschieden. 552 weitere Verstorbene, darunter 33 durch Hinrichtung, blieben anonym, weil sie mit falschen Papieren nicht identifiziert werden konnten. (In Jakarta verkaufen korrupte Beamte beantragte, aber nicht abgeholte Pässe gerne ein zweites Mal. Dazu kleben sie einfach das Foto des neuen Passinhabers ein, ohne die Angaben zur Person zu ändern.)
Die Verhöhnung der Menschenrechte durch die Uno
Nach zwei Hinrichtungen indonesischer Hausmädchen wegen angeblichen Ehebruchs – sie waren von ihrem Arbeitgeber vergewaltigt worden –, schritt die Regierung in Jakarta 2011 ein und untersagte indonesischen Frauen, in den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens als Hausbedienstete zu arbeiten.
Als Jakarta den Bann 2017 wieder aufhob, jubelte die Saudi Gazette: „Mit der Rückkehr indonesischer Hausmädchen 50% Kostensenkung für Haushaltshilfen aus anderen Ländern erwartet“, und Indonesiens Regierung feierte ihren Exportschlager als „Heldinnen der nationalen Entwicklung“.
In einem Bericht vom April dieses Jahres klagte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine UN-Organisation: „Die anhaltenden und glaubhaften Vorwürfe über Misshandlungen und betrügerisches Verhalten plagen diesen Arbeitsbereich immer noch.“ Ein Jahr zuvor war Saudi-Arabien in einer geheimen Wahl des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen (ECOSOC) für die Amtszeit 2018 – 2022 in die „Kommission für die Rechtsstellung der Frau“ gewählt worden. Schon im September 2015 war Faisal Bin Hassan Trad aus Saudi-Arabien der neue Experte der Vereinten Nationen für Menschenrechte geworden. Und noch bis 2019 ist Saudi-Arabien neben so illustren Verfechtern der Menschenrechte wie China oder Ägypten im UN-Menschenrechtsrat vertreten, aus dem Donald Trumps USA im Juni ausgetreten sind.