In den grossen französischen Städten schliessen die Wahllokale um 20.00 Uhr. Vorher dürfen keine ersten Ergebnisse veröffentlicht werden. So sieht es das Gesetz vor. Das machte einst Sinn.
Doch die französischen Journalisten und die Auslandkorrespondenten wissen schon um etwa 18.00 Uhr, wer gewonnen hat. Am Ausgang der Wahllokale werden von morgen früh an Wählerbefragungen durchgeführt, sogenannte exit polls. Die Ergebnisse dieser Befragungen werden hochgerechnet und geben normalerweise ein recht genaues Abbild des Schlussergebnisses.
Doch die Journalisten dürfen diese Ergebnisse nicht vor 20.00 Uhr publizieren. Man will verhindern, dass schon ganz Frankreich um 18.00 Uhr weiss, wer gewonnen haben könnte – obwohl noch Hunderttausende ihre Stimme nicht abgegeben haben. Vor allem bei einem extrem knappen Wahlausgang könnte eine frühzeitige Veröffentlichung erster Ergebnisse das Schlussergebnis beeinflussen.
So findet denn um punkt 20.00 Uhr der traditionelle Showdown der beiden grossen französischen Fernsehstationen statt: des privaten TF1 und des öffentlich-rechtlichen France 2. Ganz Frankreich sitzt dann vor dem Fernsehapparat. Mit einer riesigen Show wird das Ergebnis enthüllt. TF1 hatte früher einmal die Uhr um 30 Sekunden vorgestellt, um die ersten zu sein, die die Katze aus dem Sack liessen.
Doch das Verbot, die Ergebnisse nicht vor 20.00 Uhr zu publizieren, gilt nur für Frankreich. Die Auslandkorrespondenten der Westschweizer Zeitungen „Tribune de Genève“ und „Le Temps“ sowie des belgischen „Le Soir“ hielten sich nie daran. Sie meldeten das Ergebnis in ihre Zentralen. Dort wurden sie ins Internet gesetzt – und Millionen Franzosen klickten ab 18.00 Uhr die Westschweizer und belgischen Internet-Auftritte an. So wird es auch diesmal sein. Schon länger auch haben nicht-französisch-sprachige ausländische Medien begonnen, die Resultate früh zu publizieren - selbst internationale Nachrichtenagenturen, die nicht in Frankreich beheimatet sind. Auch das Schweizer und das belgische Fernsehen meldeten die Ergebnisse schon früh.
Im Zeitalter von Internet, Facebook und Twitter ist das Gesetz zwar demokratisch sinnvoll, doch es wirkt anachronistisch. Doch die französischen Gesetzeshüter bestehen darauf: auch über Internet, Facebook und Twitter dürfen die französischen Medien keine Ergebnisse vor 20.00 Uhr publizieren. Wer es trotzdem tut, zahlt eine Busse von 75‘000 Euro. Wer die Resultate twittert, zahlt 3‘750 Euro. Die meisten grossen Redaktionen haben knurrend bekanntgegeben, dass sie sich daran halten werden.
Die linke Zeitung „Libération“ jedoch kündigte Anfang der Woche an, sie werde die exit polls ab 18.00 Uhr auf ihrer Internetseite publizieren. Man darf gespannt sein, ob sich die Zeitung, die finanziell am Abgrund steht, die 75‘000 Euro leisten will.
(hh)