Sein literarischer Ruhm ist unumstritten, auch wenn er mit seinem ekstatischen, expressionistischen Stil schwer zu lesen ist und trotz der kaum zu unterschätzenden Beeinflussung vieler und seiner Erneuerung der Roman-Sprache keine eigentlichen Nachfolger gefunden hat. Er blieb, auch in der Literaturgeschichte, ein Aussenseiter. Am 1. Juli 2011 wäre sein 50. Todestag zu feiern. Aber das offizielle "Verzeichnis der nationalen Gedenkfeiern" ist von Kulturminister Frédéric Mitterrand (ein Neffe des verstorbenen Präsidenten, der bis zu einem vergleichbaren Protest noch Kränze auf dem Grab Pétains niederlegte) im letzten Augenblick und kurzerhand nicht ausgeliefert worden - mit allen anderen Namen, die eine Gedenkfeier unbedenklich verdienen.
Umstrittener Protest von Serge Klarsfeld
Nicht so Céline. Serge Klarsfeld, der Präsident der Vereinigung der Kinder der jüdischen Deportierten in Frankreich hatte erfolgreich den Rückzug dieser Sammlung von Würdigungen verlangt, weil Céline mit seinen ungeheuren antisemitischen Schriften darin nicht seinen Platz habe. Klarsfeld hat sich bleibende Verdienste in der Erforschung der Shoa erworben. Sein Sohn Arnaud war früher mit Carla Bruni liiert, als sie noch nicht Präsidentengattin war, und arbeitet heute im Elysée, das seinen Segen gab, obwohl Céline einer der bevorzguten Autoren von Präsident Sarkozy ist.
Zahlreiche Intellektuelle waren empört über diese Massnahme. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass eine "jüdische Lobby" eine solche Zensur durchgesetzt habe, wünschte sich der Philosoph Alain Finkielkraut. Andere Kritiker monierten, dass nach rein moralischen Kriterien auch andere bedeutende Autoren nicht mehr "gefeiert" werden dürften, wie etwa Sartre, Gide, Aragon - in diesen Fällen wegen ihrer Unterstützung des kommunistischen Terrors - oder der antisemitische Hergé, der Autor von "Tintin". Auch Rousseau, der seine Kinder verlassen hat, aber freigebig Ratschläge zur guten Erziehung gab, wäre keiner Feier wert. Und die Musik des Antisemiten Wagners dürfte man dann auch nicht mehr hören. Es gibt noch weit mehr Namen, die zu erwähnen wären - in Deutschland gehörte auch der prominente Philosoph Heidegger dazu, der den Nazismus unterstützt hat, oder der Lyriker Gottfried Benn. Unauflösbarer Widerspruch
"Voyage au bout de la nuit" (Reise ans Ende der Nacht) und "Mort à crédit" gehören in Frankreich dagegen zur Pflichtlektüre, der erste Roman offiziell, der zweite für alle Liebhaber der zeitgenössischen Literatur. Die drei antisemitischen Pamphlete von Céline, von einer beispiellosen Grausamkeit und Geschmacklosigkeit, einschliesslich zum Ausruf, dass die Juden zu verschwinden hätten (dies Ende der 30er Jahre), stehen hingegen auf dem Index und sind in der Buchhandlung nicht erhältlich, sondern nur über Umwege oder antiquarisch für teures Geld.
Kritik an Krieg und Kapitalismus
Somit bleibt der skandalöse Widerspruch zwischen dem seriösen Werk und den widerlichen Ausfällen des Autors Céline bestehen; er ist unauflösbar. Statt Céline zu feiern, hätte man zum Beispiel auf biografische Ursachen hinweisen können. Aber ein vorbereiteter entsprechender Passus fand nicht Eingang in die Würdigung, die somit unvollständig und dadurch anstössig blieb. Die Folge: das gesamte Jahrbuch wurde zurückgezogen. Andernfalls hätte man auch daran erinnern können, dass Céline das Kriegsende als Arzt in Sigmaringen in Süddeutschland mit dem letzten Aufgebot des Pétain-Laval-Regimes verbrachte, im dänischen Exil eingesperrt, in Frankreich wegen Kollaboration mit dem Feind verurteilt und später wegen eines Verfahrensfehlers rehabilitiert wurde.
Mit seinen Romanen hat sich Céline als ein existenzieller Schrifsteller gezeigt, der mit Schärfe den Krieg, den Kolonialismus, die industrielle Ausbeutung - er kannte alles aus eigener Anschauung - gegeisselt hat - eine fanatische Hellsichtigkeit, die ihm anderorts fehlte. Denn mit seiner rassistischen Verblendung, in der er Hitler fast kindisch als Heilsbringer sah, hat er seine Begabung, exemplarischer literarischer Zeuge seines Zeitalters zu sein, selbst beeinträchtigt. Er ist, wie selbst seine Bewunderer einräumten, "un génie et un salaud" (ein Genie und ein Sauhund).