Halbwahrheiten sind mitunter auch in der Presse zu finden. So hiess es kürzlich in einem sehr kompetent abgefassten NZZ-Artikel über die globale Meeresschifffahrt und deren Umweltbelastung, dass «2012 auf Tanker, Hochseekreuzer und Containerschiffe mehr als 2% des weltweiten Ausstosses von Treibhausgasen zurückzuführen waren – eine ähnliche Grössenordnung wie bei der Luftfahrt.» Auch dort spricht man ohne Scheu von nur 2 bis 3 Prozent-Anteil des menschengemachten globalen CO2-Ausstosses. Gleich zwei Halbwahrheiten.
Hochsee-Schifffahrt
Zieht man allein deren enormen Treibstoffverbrauch in Betracht – heute noch vorwiegend umweltbedenkliches, aber billiges Schweröl – so mag der Anteil von 2 bis 3 Prozent CO2-Ausstoss am weltweiten Emissionstotal dieser Komponente vielleicht hinkommen, mit Betonung auf vielleicht. Was aber ist mit den Hunderten von Mega-Hochseehäfen rund um die Welt, mit ihren Tausenden von kleineren Hilfs-, Lotsen- und Servicebooten, mit den Verladekränen, den riesigen Entladepumpen, den klimatisierten Lagerhäusern und vielen Anlagen mehr, die je nach Weltgegend noch immer weitgehend mit fossilen Treibstoffen oder mit Strom aus Gas- oder Kohlekraftwerken angetrieben werden? Müsste deren CO2-Belastung nicht auch der globalen Schifffahrt angelastet werden? Dann wären es gemäss Berechnung der «International Maritime Organization» IMO, eine UNO-Agentur für Sicherheit und Umwelt bei der Schifffahrt, klar mehr als 3 Prozent der jährlichen globalen CO2-Emissionen. Die IMO in ihrer Studie weiter: «In einem Business-as-usual-Szenario und wenn andere Wirtschaftssektoren die Emissionen reduzieren, könnte die Schifffahrt bis 2050 etwa 10% der weltweiten Treibhausgasemissionen ausmachen.»
Auch wenn heute der CO2-Ausstoss der Schifffahrt bei nur rund 3 Prozent liegen sollte, so ist dieser Meeres-Wirtschaftszweig dennoch Verschmutzungs-Weltmeister mit 15% der Produktion von Schwefel, 13% Stickstoff und 11% Russpartikel. Grund dafür ist, dass die Riesenschiffe heute noch überwiegend mit Schweröl fahren, das aus den Rückständen der Raffinerien gewonnen wird und eine minderwertige Qualität im Vergleich mit Marine-Diesel – und erst recht mit im Strassenverkehr verwendetem Benzin und Diesel – aufweist. Dies trifft auch auf die noblen, schillernden Kreuzfahrtschiffe mit ihren Tausenden von Passagieren zu. Die meisten dieser Riesen verbrennen noch immer Schweröl. Jetzt jedoch wird international Druck aufgebaut, um die Reeder zu weniger umweltschädigenden Treibstoffen und Antriebsarten zu bringen. Doch so schnell wie erhofft wird das nicht gehen. Akshat Rathi von der international aktiven und publizierenden «Business News Organization» schrieb im Sommer 2017 dazu: «One of the world’s most polluting industries has two years to clean up – and it’s woefully unprepared.» «Erbärmlich unvorbereitet.»
Die Airlines
Halbwahrheiten sind auch bei den Airline-Managern beliebt. So liess sich Swiss-Konzernchef Thomas Klühr anfangs Jahr im «Blick» mit der Behauptung zitieren, dass das Airline-Business bloss für 2% des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich sei. Im April doppelte der Swiss-Manager Jean-Pierre Tappy, zuständig für Verkehrsrechte, Umwelt und wirtschaftspolitische Themen, nach: «Was mir nicht gefällt, ist die Fokussierung auf einen Emittenten, der für zwei bis drei Prozent des gesamten von Menschen verursachten Ausstosses verantwortlich ist.» Die internationale Weltluftfahrt brüstet sich gerne mit nicht mehr ganz neuen Zahlen des «Intergovernmental Panel on Climate Change», wonach sie bloss 3 bis 3,5 Prozent zum globalen Treibhauseffekt beitrage.
Diese 2 bis 3,5 Prozent mögen ja einigermassen stimmen, wenn bloss der reine Kerosinverbrauch der Jets rund um die Welt berücksichtigt wird. Aber müsste gerechterweise nicht noch vieles mehr der globalen Zivilaviatik zugerechnet werden? Etwa die Unmengen auf allen grossen Airports weltweit rund um die Uhr operierender, meist diesel- oder benzinbetriebener Fahrzeuge und Geräte: Busse für Flugpassagiere, wenn zuwenig Gates frei sind, Kleinbusse für die Crews, Cateringfahrzeuge, Fahrzeuge mit Kabinen-Putztrupps, Passagier- und Gepäckschlepper, Flugzeug-Rückschleppmaschinen, Kühlaggregate für in der Sonne stehende Jets, im Winter Schneeräumungsmaschinen – und nicht zuletzt Polizeiautos für die Sicherheit auf den Mega-Airports, mitunter sogar Panzerfahrzeuge. Und sollten nicht auch die direkten oder indirekten CO2-Emissionen der gigantischen, meist klimatisierten Flughafengebäude mit ihren vielen technische Anlagen und ihren hell erleuchteten Ladenstrassen der Zivilaviatik angelastet werden? Neben Hunderten von kleineren Flughäfen arbeiten rund um den Globus rund 60 Mega-Airports mit 25 Millionen bis mehr als 100 Millionen Passagieren pro Jahr. Nur einige der Riesenanlagen seien erwähnt: Atlanta, Amsterdam Schipol, John F. Kennedy New York, Mumbai, Jakarta, Kuala Lumpur Istanbul, London Heathrow, Hong Kong Internatonal, Shanghai Pudong Airport, Charles de Gaulle, Las Vegas, Los Angeles, Denver, Rom Fiumicino, Dubai, Tokyo Narita, Moskau etc. etc. Zugegeben, eine Anzahl grosser Airports bemüht sich gegenwärtig, klimaneutral arbeiten zu können. Ob das aber bei dem von der IATA prognostizierten massiven Wachstum der Zivilaviatik bis 2030 und darüber hinaus nachhaltig sein kann? Auch nur eine Halbwahrheit?
Zusätzliche Erwärmungseffekte
Halbwahrheiten. Davon redet auch Stefan Gössling, Professor an den schwedischen Universitäten Lund und Linnaeus, Mitherausgeber des Buches «Klimawandel und Luftfahrt: Probleme, Herausforderungen und Lösungen». Er erklärt, dass über die Emissionen hinaus, die nur im Flug entstehen, die zusätzlichen Aktivitäten der Luftfahrtbranche am Boden den Klimaeffekt erheblich vergrössern. Gössling: «Dieser Sektor leistet einen Beitrag zur Erderwärmung, der mindestens doppelt so hoch ist wie der Effekt von CO2 allein.» Weiter hält Gössling fest, dass «andere Luftemissionen wie Stickoxide (NOx), Wasserdampf, Partikel, Kondensstreifen und Zirrusveränderungen zusätzliche Erwärmungseffekte» von der Fliegerei sind.
Dennoch schreibt die NZZ am 14. Mai zum Thema Kompensation von CO2-Emissionen im Flugverkehr: «Starke Emotionen löst vor allem das Fliegen aus, obschon die internationale Luftfahrt mit grosszügig gerechnet 3 Prozent viel weniger CO2-Emissionen verursacht als beispielsweise der Strassenverkehr oder die Stromproduktion, wenn Kohle oder andere fossile Energieträger verfeuert werden.» – Die Rechnung bezüglich Strasse und Strom stimmt, aber die 3 Prozent bleiben eine geliebte Halbwahrheit.