Die Initiative stiess weltweit auf viel Beifall, als Staatschef Rafael Correa sie im September 2007 in der Uno vorstellte. Nobelpreisträger wie Al Gore und Michail Gorbatschow unterstützten den Plan. Yasuní sollte zum Beispiel werden, wie arme und reiche Länder gemeinsam das Klima retten. Als es dann aber ums Zahlen ging, liess die Begeisterung rasch nach. Lediglich 1,6 Millionen Dollar hat die internationale Staatengemeinschaft laut ecuadorianischen Medienberichten bis heute zur Rettung des Nationalparks Yasuní zusagt.
Die Regierung in Quito besteht jedoch darauf, dass noch in diesem Jahr mindestens 100 Millionen Dollar in den eigens dafür eingerichteten Uno-Treuhandfonds fliessen müssen. Andernfalls könnte Ecuador allen Umweltbedenken zum Trotz bereits Ende 2012 damit beginnen, die Erdölvorkommen im Regenwald zu fördern. Und damit einem Raubbau an einem bisher weitgehend unversehrten Naturparadies Tür und Tor öffnen.
Einzigartige Biodiversität
Der in den Provinzen Napo und Pastaza im Osten Ecuadors gelegene Yasuní-Nationalpark gilt als eines der Gebiete mit der weltweit höchsten Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Über 2000 verschiedene Baum- und Straucharten sollen dort wachsen. Wissenschaftler haben zudem in dieser Region mehr als 500 Vogelarten und rund 40 Prozent aller Säugetierarten des Amazonasbeckens registriert. Der 9820 Quadratkilometer grosse Nationalpark ist auch Lebensraum für mehrere Indianervölker, die sich dort freiwillig isoliert haben.
Die Unesco hat den Yasuní-Park 1989 zum Biosphärenreservat erklärt. Doch unter dem Schutzgebiet lagern riesige Erdölvorkommen: 850 Millionen Barrel (je 159 Liter) im Wert von schätzungsweise 7,2 Milliarden Dollar. Internationale Energiekonzerne würden diese Vorräte lieber heute als morgen ausbeuten. Frühere Regierungen hatten sich auch durchaus geneigt gezeigt, die Reserven des Yasuní-Parks zu vermarkten.
Der Linksnationalist Correa, der seit 2007 die Geschicke Ecuadors lenkt, entschloss sich jedoch für einen anderen Weg. Er schlug der internationalen Staatengemeinschaft einen Tauschhandel vor: Sein Land lässt das Öl, wo es ist, wird für diesen Verzicht aber von reichen Industriestaaten, Unternehmen und Privatpersonen entschädigt – gewissermassen in Anerkennung einer ökologischen Schuld. Die Nichtförderung, betont Staatschef Correa, sei ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und damit im Interesse der ganzen Welt. Deshalb halte er es nur für recht und billig, dass Ecuador den Gewinnausfall nicht allein trage.
Nach den Vorstellungen der ecuadorianischen Regierung müssten die Ausgleichszahlungen etwa der Hälfte der Einnahmen entsprechen, die das Land bei einer Förderung erzielen würde. Das Geld soll in einen Uno-Treuhandfonds fliessen und ausschliesslich für soziale und ökologische Projekte verwendet werden dürfen, beispielsweise den Bau neuer Schulen oder zur Förderung umweltfreundlicher Tourismusvorhaben.
Ban Ki-Moon soll es richten
Correa hat von Anfang klar zu verstehen gegeben, dass die Initiative zur Erhaltung des Yasuní-Nationalparks mit der internationalen Solidarität steht und fällt. Und weil die zu wünschen übrig lässt, rückt in Quito immer stärker der Plan B in den Vordergrund: die Ausbeutung der Reserven ungeachtet aller Bedenken und Vorbehalte.
Yvonne Baki, die ecuadorianische Chefunterhändlerin für die Yasuní-Initiative, hegt aber allen Rückschlägen und Enttäuschungen zum Trotz noch Hoffnung. Uno-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat ihr versprochen, sich an der kommenden Vollversammlung im September höchstpersönlich für die Yasuní-Rettung einzusetzen. Sie selber wird weiterhin in der Welt herumreisen und um Unterstützung für die Umweltschutzinitiative werben. Vielleicht gelingt es ihr doch noch, bis Ende Jahr im Ausland Zusagen über 100 Millionen Dollar einzusammeln.
Segen und Fluch zugleich
Erdöl ist Ecuadors wichtigstes Exportgut, der Staat bezieht rund einen Drittel seiner Einnahmen aus dem Verkauf des schwarzen Goldes. Doch bei weitem nicht alle der 15 Millionen Ecuadorianer profitieren von der Ölförderung. Vielen Ureinwohnern hat sie nicht den ersehnten und versprochenen Wohlstand gebracht, sondern ihre Lebensbedingungen massiv verschlechtert.
Durch den Bau von Anlagen im Regenwald wurden Lebensraum für Menschen und Tiere kaputt gemacht, das soziale Gefüge zerstört und Krankheiten eingeschleppt. Immer wieder ist aus havarierten Leitungen Rohöl in den Waldboden versickert und in Gewässer gelangt. Früher, klagen Einheimische, hätten sie im Fluss gebadet und das Wasser von dort getrunken. Doch dann sei ein Unternehmen in ihren Wald gekommen und habe nach Öl gebohrt. Seither sei der Fluss krank, das Wasser verseucht.
Welche verheerenden Folgen die rücksichtslose Ausbeutung von Bodenschätzen haben kann, erfuhr eine breitere Öffentlichkeit, als vor acht Jahren 30 000 Ureinwohner in Ecuador eine Sammelklage gegen den Ölmulti Texaco einreichten. Der US-Konzern hatte während Jahrzehnten Erdölrückstände und hochgiftige Förderwässer in den Regenwald gepumpt. In den Flüssen starben die Fische, die Familien konnten nicht mehr jagen, weil die Tiere aus dem Wald verschwunden waren. Unzählige Menschen wurden krank, Kinder kamen mit Missbildungen auf die Welt. Nach einem langen, mühsamen Rechtsstreit verurteilte das Gericht in Lago Agrio im Februar dieses Jahres den Konzern Chevron/Texaco zu acht Milliarden Dollar Schadenersatz.
Auch wenn man davon ausgehen kann, dass bei einer Ölförderung im Yasuní-Nationalpark umweltschonender vorgegangen würde: Die Schäden für Mensch und Natur wären auch dort gewaltig. Wissenschaftler haben berechnet, dass die Säuberung nach der Ausbeutung etwa vier Milliarden Dollar kosten würde. Neben diesem Betrag nehmen sich die 100 Millionen, die Yvonne Baki der internationalen Staatengemeinde, Firmen und Privaten bis Ende Jahr für den Treuhandfonds abringen möchte, ausgesprochen bescheiden aus.