Der im chinesischen Volk populäre Kampf gegen Bestechlichkeit und Käuflichkeit wird auch 2018 mit unverminderter Härte weitergeführt. Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping hat zu Beginn seiner Amtszeit vor fünf Jahren versprochen, «Fliegen» und «Tiger», also hohe wie niedere Vertreter von Partei, Militär, Regierung und Staatsbetrieben zur Verantwortung zu ziehen.
«Tiger» und «Fliegen»
Der wohl gefährlichste «Tiger» war Zhou Yongkang, ehemaliger oberster Sicherheitschef der Volksrepublik und ehemaliges Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros. Er wurde wegen Korruption, Bestechlichkeit und Machtmissbrauch mit Gefängnis bestraft – lebenslänglich.
Ähnlich wie Zhou erging es nach Angaben der amtlichen Nachrichten-Agentur Xinhua (Neues China) Hunderten von andern «Tigern» und Zehntausenden von «Fliegen». Darunter befanden sich in den letzten fünf Jahren nach Angaben von Renmin Ribao (Volkszeitung), dem Sprachrohr der Partei, 13’000 Armee-Offiziere. Zudem seien, so Xinhua, «mehr als hundert Offiziere auf oder über Stufe Armeekorps» untersucht und bestraft worden. «Das ist», wird hinzugefügt, «sogar grösser als die Zahl der Armee-Generäle, die während den revolutionären Zeiten auf dem Schlachtfeld gefallen sind.»
Besonders hart hat es in den letzten Jahren auch immer wieder die oberste Generalität der Volksbefreiungs-Armee getroffen. Militärchef Xi Jinping hat sich nämlich auch für eine umfassende Reform der Streitkräfte stark gemacht, was nach Meinung vieler Militärexperten nicht allen in der Volksbefreiungs-Armee passt. Xi hat beispielsweise wirtschaftliche Operationen unterbunden. Reform-Ziel Xis: Die Kampfkraft der Streitkräfte nach dem Motto Qualität anstelle von Quantität zu verbessern.
Korruption ganz oben
Xi strebt für 2050 eine «Weltklasse-Armee» an, ohne freilich die Kriterien zu spezifizieren. Gleichzeitig verlangt Xi von den zwei Millionen Soldaten «unerschütterliche» Treue zur Kommunistischen Partei und deren «absoluten Führung». Beim 90. Jahrestag der Gründung der Volksbefreiungs-Armee am 8. August 2017 feierte Xi die Streitkräfte als «bewaffneten Arm der Partei». Schon Staatengründer Mao Dsedong hatte in seinen theoretischen Schriften während der revolutionären Zeiten Ende der 1930er-Jahre das Motto gesetzt: «Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen.»
Einige der korrupten Generäle haben das wohl falsch interpretiert. Anfang des Jahres hat es nun General Fang Fenghui getroffen. Der frühere Generalstabschef wird der Bestechlichkeit und Korruption verdächtigt und ist laut Xinhua der Militärjustiz übergeben worden. Fang ist nicht irgendwer, sondern war Mitglied der von Xi Jinping geführten mächtigen Zentralen Militärkommission. Fang stiess mitten in der Grossen Proletarischen Kulturrevolution 1968 als 16-Jähriger zur Volksbefreiungsarmee. Bereits 1998 wurde er Generalmajor, sieben Jahre später Generalleutnant und 2007 Kommandant der wichtigen Militärregion Peking. 2010 wurde Fang zum General befördert und zwei Jahre später zum Generalstabschef und Mitglied der Zentralen Militärkommission.
Fangs Abstieg begann fast unmerklich vor einem halben Jahr. Zusammen mit General Zhang Yang – ebenfalls Mitglied der Zentralen Militärkommission – wurde er wegen «ernsthafter Verletzung der Disziplin», eine Partei-Metapher für Korruption, befragt. Danach wurde Fang und Zhang freigelassen, allerdings unter Hausarrest gestellt. Der Niedergang nahm Ende August seinen Lauf, als Fang durch General Li Zuocheng als Generalstabschef ersetzt wurde und Zhang durch Admiral Miao Hua. Schliesslich befanden sich weder Fang noch Zhang auf der Liste der Armee-Delegierten für den 19. Parteitag im Oktober. General Zhang nahm sich im November kurz vor der Verhaftung zu Hause das Leben. Er habe, so die Nachrichten-Agentur Xinhua, Gesetze und Parteidisziplin «ernsthaft verletzt». Die Armeezeitung Jiefang Junbao kommentierte, Zhang habe seinem Leben «auf schamlose Weise» ein Ende gesetzt.
Politische Abrechnung?
Sowohl General Fang Fenghui als auch General Zhang Yang gelten als Protégés des Vorgängers von Xi, Parteichef Hu Jintao. Noch bezeichnender hingegen ist die Nähe der beiden gefallenen Generäle zum ehemaligen Vize-Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission und Politbüro-Mitglied Guo Boxiong. Guo wurde 2016 wegen Korruption und Machtmissbrauch zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein guter Bekannter und Mitstreiter von Guo war General Xu Caihou. Auch er war Vize-Vorsitzender der Zentralen Militärkommission. Er ging 2012 in Rente und zwei Jahre später geriet er wegen «ernsthafter Verletzung der Disziplin» in Schwierigkeiten. Ihm wurde vorgeworfen, «hohe Summen persönlich und durch die Familie» erhalten zu haben. General Xu habe zudem bevorzugte Kandidaten befördert. Nach Berichten chinesischer Medien brauchten die Behörden eine Woche, um Cash, Juwelen und Antiquitäten in Xus Haus zu katalogisieren. Zwölf Lastwagen seien nötig gewesen, um alles abzutransportieren. Xu erlag noch vor einem Prozess in Haft einem Krebsleiden.
Die Generäle Guo Boxiong und Xu Caihou gelten beide als Protégés von Xi Jinpings Vor-Vorgänger Jiang Zemin. Diese Abhängigkeiten aller involvierten Generäle, auch jene von Fang und Zhang, lassen viele Beobachter vermuten, dass es neben Korruption auch um politische Abrechnungen gehe. General Fang Fenghui jedenfalls steht jetzt vor Gericht unter verschärften gesetzlichen Bestimmungen. Der Oberste Volksgerichtshof und die Generalstaatsanwaltschaft haben bereits 2016 bestimmt, dass bei Schmiergeldzahlungen oder Unterschlagung von mehr als drei Millionen Yuan – umgerechnet 440’000 Franken – die Todesstrafe verhängt werden könne. Die Nachrichten-Agentur Xinhua präzisiert, dass das möglich sei, wenn die Tat «extrem abscheuliche soziale Auswirkungen und extrem bedeutende Verluste für die Interessen des Staats und des Volkes» habe.