Wirtschaftlich schreibt sie Milliardenverluste, technisch gerät jede Neuentwicklung zur Blamage. Entweder werden Reaktoren gar nicht erst fertig, oder fertiggestellte angeblich supersichere Anlagen erweisen sich extrem pannenanfällig. Hans Woller hat vor kurzem ein erschreckendes Bild der französischen Nuklarindustrie gezeichnet: Atomindustrie im Absturz.
Als sich 1986 die Katastrophe von Tschernobyl ereignete, erschien das Buch „Risikogesellschaft“ des deutschen Soziologen Ulrich Beck. Die Welt sei zu einem riesigen Versuchslabor für Grosstechnik geworden, schrieb er damals. Das sei der Preis für unseren Komfort. „Gefahren sind die Blinden Passagiere des Normalkonsums“, fügte er in einem seiner folgenden Bücher an.
Die damaligen Sorgen, die auch von anderen Autoren wie Charles Perrow, „Normale Katastrophen“, vorgetragen wurden, erscheinen heute beinahe wie Luxusprobleme. Denn damals hatten wir es mit grosstechnischen Anlagen zu tun, die zumindest im Westen von wirtschaftlich starken und expandierenden Gesellschaften errichtet wurden. Heute werden diese Anlagen weit über ihre ursprünglich veranschlagten Laufzeiten hinaus betrieben, ihre Betreibergesellschaften halten sich noch gerade so über Wasser, und es fehlt an technischem Nachwuchs.
Wurde früher den Betreibergesellschaften vorgehalten, dass sie mit ihrer Grosstechnik die Gesellschaft in ein Versuchslabor verwandelten, geschieht heute etwas anderes: Die Gesellschaften machen ungewollt mit der Grosstechnik ein Experiment, das darin besteht, sie mit immer geringerem Aufwand fortzuführen. Wie lange geht das gut? Anlass zur Unruhe.