Nach Art. 53 Strafgesetzbuch, Teil des neuen allgemeinen Teils, der auch sonst reichlich umstriitten ist – Geldstrafen zum Beispiel -, kann ein Strafverfahren eingestellt werden, hat der Täter den Schaden gedeckt. Überdies muss das Interesse der Oeffentlichkeit und der geschädigten Person an der Strafverfolgung gering sein.
Sodann gilt dies nur, wenn keine Strafe von über 2 Jahre in Frage gekommen wäre. Auf Grund dieser Bestimmung wurden in letzter Zeit zwei prominente Verfahren beendet, jenes gegen Roland Nef, den ehemaligen Armeechef, sowie ganz kürzlich jenes des eidgenössischen Finanzdepartementes EFD gegen den russischen Finanzmann Vekselberg wegen Missachtung der Meldepflicht hinsichtlich seiner Beteiligung an Sulzer. Im September ist Vekselberg ja bereits vom Bundesstrafgericht in Bellinzona wegen des gleichen Vorwurfs in Sachen „Oerlikon“ freigesprochen worden. Inzwischen fordert die SVP die Aufhebung dieser Bestimmung.
Freilich liegt das Problem nicht generell an der Anlage dieser Bestimmung. Sie kann sehr wohl sinnvoll sein, vor allem wenn Alltagsstreitigkeiten, die etwas zu Raufereien führen, auf diese Art beendet werden können. Das gilt auch für Fälle der Ehrverletzung, Fällen von Drohung oder Nötigung. Ob das sinnvollerweise tatsächlich bis zu der schwere eines deliktischen Verhaltens, das eine zweijährige Strafe – Grenze für bedingten Strafvollzug – möglich sein soll, muss indes mit einem Fragezeichen versehen werden.
In den beiden Fällen Nef und Vekselberg liegt das Problem aber nicht in der Bestimmung als solcher, sondern deren jeweiligen Anwendung, die beidfalls Erstaunen evoziert. Allerdings kann man sich fragen, ob es gerechtfertigt ist, ein Verfahren bis zu einer Strafe von 2 Jahren einstellen zu können. Natürlich verstärkt dies die Kritik, hier würden Gutbetuchte bevorteilt, Straffreikauf für Vermögende. Diesen Eiundruck hat man natürlich auch in den beiden fraglichen Fällen.
Die Vorwürfe gegen Nef waren happig. Zudem hatte Nef schon damals ein Spitzenamt in der Armee Inne. Warum die Geschädigte kein weiteres Interesse am Verfahren bekundete, entzieht sich unserer Erkenntnis. Also geht es um die Frage, ob tatsächlich das öffentliche Interesse gering war? Dies ist zu verneinen. Zum einen, weil die Vorwürfe eine Intensität strafbaren Verhaltens zum Inhalt hatten, das so intensiv war, dass es nicht mehr als Angelegenheit zu taxieren war, die auch privat geregelt werden kann, auch wenn das Opfer das so sieht. Zum andern, weil es auch auf die Stellung von Nef ankommt. An einen Mann in dieser Stellung sind andere Massstäbe zu setzen, als an einen durchschnittlichen Angestellten, was sich auf das Verschulden zusätzlich auswirkt.
Die Einstellung erfolgte sodann zu einem Zeitpunkt, als Nefs Wahl zum Armeechef bekannt war. Natürlich erhebt sich deshalb der Verdacht, gerade deshalb sei das Verfahren so beendet worden, was die Unzulässigkeit zusätzlich unterstreicht. Jedenfalls gibt es kein öffentliches Interesse, einen neu gewählten Armeechef vor einem Strafverfahren zu verschonen. Natürlich gilt auch das Umgekehrte nicht: In jedem anderen Fall hätte bei gleichen Vorwürfen das Verfahren eingestellt werden dürfen.
Im Falle Vekselberg ist schon einmal unklar, wie er alles tun konnte, um das von ihm begangene Unrecht auszugleichen, wenn er offenbar weiterhin bestreitet, überhaupt Unrecht begangen zu haben. Zudem wird ja das EFD das Verfahren nicht zuletzt aus grossem öffentlichem Interesse, hier bei Uebernahmen und Beteiligungen Grenzen zu setzen und die Ernsthaftigkeit der diesbezüglichen Gesetzgebung unter Beweis zu stellen. Wenn das EFD gegen einen Mann wie Vekselberg ein Verfahren eröffnet, ob zu Recht oder nicht, kann es nachher nicht plötzlich sagen, dessen gerichtliche Verfolgung sei nicht mehr im öffentlichen Interesse. Es macht aber ganz den Eindruck, das Verfahren sei eingestellt worden, weil das EFD nicht eine weitere Pleite vor dem Bundesstrafgericht riskieren wollte und Vekselberg sich vor möglichem weiterem Reputationsschaden freikaufte. Also weit und breit ist keine Konstellation in Sicht, die etwas mit dem fraglichen Artikel zu tun haben könnte.
Muss mithin diese Bestimmung tatsächlich abgeschafft werden. Ich denke nein. Freilich muss sie, wird der allgemeine Teil ohnehin wieder revidiert, was an sich nach so kurzer Zeit mehr als fragwürdig ist, aber es ist so beschlossen, klarer formuliert und die Höchststrafe reduziert werden. Vor allem aber sollte diese Bestimmung nur sehr zurückhaltend angewandt werden, denn sie begünstigt so oder anders immer jene, die überhaupt bezahlen können. In der Natur der Bestimmung liegt es, dass uns das Bundesgericht nie wird sagen können, wann und in welchen Grenzen nur sie anzuwenden erlaubt sei, was zusätztlich unterstreicht, wie heikel die ganze Geschichte ist.
Daniel Vischer