Erinnern Sie sich noch an die heftigen Diskussionen rund um die Abstimmung zum Minarett-Verbot? Den Initianten der Initiative ging es offensichtlich nicht um das Verbot eines Turms, sondern vielmehr um ein Signal an die Politik, das da heissen sollte: „Wehret den Anfängen und setzt ein Zeichen - gegen Burka und Genitalverstümmelung.“ Der immer wieder abschätzig zitierten „Classe politique“ wurde vorgeworfen, sie sei untätig.
Wahr ist das Gegenteil: Die Rechtskommission des Nationalrates arbeitete just zu jener Zeit an einem neuen Gesetz gegen die Verstümmelung weiblicher Genitalien.
Das Gesetz ist nun da und man staunt nicht schlecht: Das öffentliche Interesse daran ist praktisch gleich null. Gerade deshalb, und weil das Verbot der Genitalverstümmelung richtig und wichtig ist, erlaube ich mir, dazu einige Worte zu sagen: Der Gesetzesentwurf, der in der kommenden Wintersession in den Nationalrat kommt, ist ein neuer Artikel des Schweizerischen Strafgesetzbuches, welcher die Verstümmelung weiblicher Genitalien explizit unter Strafe stellt. Erfasst werden sämtliche Formen von Genitalverstümmelung, also alle vier Kategorien, wie sie von der Weltgesundheitsorganisation WHO definiert werden. Täter, bzw. Täterin ist, wer die Genitalien einer weiblichen Person „verstümmelt“, „unbrauchbar macht“ oder „in anderer Weise schädigt“. Die Tat wird auch dann verfolgt, wenn sie im Ausland begangen wurde. Damit wird verhindert, dass Eltern für den Eingriff ins Ausland fahren und ihr Kind beschnitten wieder zurückbringen können.
Die Erfahrung im Ausland zeigt, dass eine solche Spezialstrafnorm einen hohen präventiven Charakter hat. Eltern, die ihre Töchter beschneiden wollen, wissen in der Regel genau, in welchen Ländern es eine solche Strafnorm gibt und in welchen nicht. Es ist daher wichtig, dass die betroffenen Personen erfahren, dass die Schweiz schon bald eine solche Norm besitzt.
Die Beratung in der Kommission führte bei der Erarbeitung der Gesetzesrevision zu wichtigen Korrekturen: Eine Einwilligung durch eine volljährige Person in eine Genitalverstümmelung ist nicht mehr vorgesehen. Eine solche Bestimmung war im Vorentwurf für die Revision noch enthalten gewesen und wurde schweizweit zu Recht hart kritisiert.
Weil eine Genitalverstümmelung nach dem neuen Straftatbestand kein „sinnvoller“ und „vertretbarer“ Eingriff darstellt, werden weder Eltern für ihre unmündigen Töchter, noch Erwachsene Frauen in eigener Sache in eine Beschneidung einwilligen können. Ausnahmen sind nur möglich, wenn damit aus medizinischen Gründen das Leben des Opfers gerettet werden kann (zum Beispiel bei schweren Operationen). Diese Ausnahmeregelung gilt bereits für alle anderen schweren Körperverletzungen und hat sich bewährt.
In den Materialien wird explizit erwähnt, dass freiwillig angebrachte Piercings, Tatoos oder Schönheitsoperationen nicht bestraft werden. Damit ist ein weiterer heikler Punkt auf annehmbare Weise gelöst worden. Als Strafrahmen beantragt die Kommission Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren oder Geldstrafen nicht unter 180 Tagessätzen.
Es hat lange gedauert, bis das neue Gesetz verabschiedet werden konnte. Das Resultat überzeugt und ist mehr als eine Scheindebatte oder ein blosses Zeichen – es sichert allen Frauen in der Schweiz die alleinige Bestimmung über ihre Sexualität und die körperliche Unversehrtheit. Nun liegt der Ball beim Nationalrat. Er hat es in der Hand, das Gesetz im Dezember 2010 zu verabschieden.
Barbara Schmid