Am 22. November 2021 endete die Frist, Bewerbungsunterlagen für die auf den 24. Dezember 2021 angesetzte erste Runde der Präsidentschaftswahl in Libyen einzureichen. Bis zum Montagabend meldeten mehr als 90 Bewerber und zwei Bewerberinnen ihre Kandidatur an. Die Wahlkommission braucht allerdings noch zwei Tage, bis sie die endgültige Liste der Namen publizieren kann. Sie war offenbar auf den plötzlichen Ansturm von Bewerbern nicht vorbereitet und kann zurzeit nicht die endgültige Zahl der Kandidaturen angeben.
Am 18. Januar 2021 hatte das Libysche Politische Dialogforum in Genf mit grosser Mehrheit dem Plan zum Aufbau gesamtlibyscher Repräsentationsorgane zugestimmt, auf den sich libysche Parteien auf einem von der Uno geförderten Treffen in Tunis am 15. November 2020 geeinigt hatten. Der Beschluss, am 24. Dezember 2021 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abzuhalten, war auf verschiedenen internationalen Konferenzen unter der Ägide der UN bekräftigt worden, letztmalig auf der Pariser Libyen-Konferenz am 12. November 2021. Die Umsetzung des von Libyen geleiteten und selbstverantworteten politischen Prozesses unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen schien auf dem besten Wege zu sein. Die Parlamentswahlen wurden Anfang Oktober um einen Monat verschoben, um der Präsidentschaftswahl noch mehr Gewicht zu verleihen.
Den zwei Bewerberinnen, der Sozialwissenschaftlerin Hunain al-Mahdi und der Journalistin Leila bin Khalifa aus Zuwara westlich von Tripolis, werden kaum Chancen eingeräumt, die zweite Runde der Wahl im Februar 2022 zu erreichen.
Der Wiedergänger
Doch am Sonntag, den 14. November, hat Saif al-Islam Gaddafi, der Sohn des 2011 getöteten Diktators Muammar Gaddafi, als zweiter Bewerber offiziell seine Kandidatur eingereicht. Seine erwartete Kandidatur stellt eine grosse Belastung für den zwischen Januar und Juni 2021 mühselig ausgehandelten innenpolitischen Befriedungsprozess dar.
Schon im Januar zeichnete sich ab, dass Saif al-Islam Gaddafi seinen Hut in den Ring werfen würde. Damals hatte der russische Vizeaussenminister Bogdanow gefordert, dass Gaddafi in der libyschen Politik «eine wichtige Rolle spielen» sollte. Begründung: Seine Patronage über Stämme von Sirt und Sebha in Zentrallibyen könnte als Bindeglied zwischen Tripolitanien im Westen und der Kyrenaika im Osten dienen. Das russische Planspiel sah vor, Gaddafi als Alternative zu dem selbsternannten Generalissimus Khalifa Haftar im Osten und der türkisch unterstützten tripolitanischen Regierung unter Fayiz as-Sarradsch aufzubauen. Tatsächlich reicht Gaddafis Hausmacht in Zentrallibyen von der Küstenstadt Sirte bis in die Gegend des 600 km südlich gelegenen Sebha. Grob geschätzt dürfte sich das Einflussgebiet Gaddafis in Libyen heute auf etwa 10% des Landes beziehen.
Bündnisse und Allianzen
Die politische Ordnung in Libyen beruht auf einem sozialen System, in dem Interessen fast immer nur durch Bündnisse und Allianzen durchgesetzt werden können. Auch die Scheiche, die Notabeln innerhalb von grossen Verwandtschaftsbünden («Stämme»), müssen die Interessen ihrer Gemeinschaften durch Bündnisse sichern. Diese innergesellschaftliche Bündnispolitik bietet Gaddafi den Raum, in die Politik zurückzukehren.
Gaddafi wird hoffen, dass es ihm gelingen wird, den Grossverband der Warfalla von Beni Walid und den südlich angrenzenden Gebieten wieder in ein politisches Bündnis einbinden zu können. Bis 1993 waren die Warfalla, dem sich etwa 15% der libyschen Bevölkerung zurechnen, im Bündnis mit den Qadhadhifa (dem Stamm der Gaddafi-Familie) und den südlich benachbarten Magariha hegemoniale Staatselite gewesen; Gaddafis Versuch, die Warfallah politisch zu spalten und dadurch deren Scheiche zu entmachten, hatte 1993 eine Revolte provoziert, auf die der Staat mit einer bis anhin nie gekannten Brutalität reagiert hatte. Im Gefolge hielten nur noch einige Fraktionen der Warfalla vor allem aus der Region von Beni Walid dem Regime die Treue. Muammar Gaddafi flüchtete im Oktober 2011 in die Gegend von Beni Walid, um sich dem Schutz der Warfalla zu unterstellen. Nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes versuchten die Warfalla, an ihre alte Machtstellung anzuknüpfen und zur dritten Kraft im Land zu werden, zwischen Khalifa Haftars Libyscher Nationalarmee (LNA) im Osten und der «Morgenröte» der tripolitanischen Regierung der Nationalen Eintracht (GNA).
Auch weiter im Süden, in der Region Fezzan mit dem Zentrum Sebha, wird Gaddafis Machtanspruch auf Zustimmung treffen. Sebha beheimatet eine wichtige Fraktion der Qadhadhifa sowie den Grossverband der Magariha, denen Gadddafi garantieren wird, ihre Machtposition, die sie unter dem alten Gaddafi-Regime genossen hatten, zurückzugewinnen. Vorteilhaft für Gaddafi ist, dass er unter der Herrschaft seines Vaters zum inneren Machtzirkel gehörte und im Namen seines Vaters Aufgaben im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und der innergesellschaftlichen Diplomatie ausübte. Im System Gaddafi genoss Saif al-Islam die Reputation eines inoffiziellen Premierministers.
Nach dem Sturz des Vaters
Saif al-Islam Gaddafi hatte am 22. Oktober 2011, zwei Tage nach dem Tod seines Vaters, im syrischen Fernsehen verkündet: «Ich bin in Libyen, ich bin am Leben und frei und bereit, bis zum Ende zu kämpfen und Rache zu nehmen.» Er konnte sich noch einen Monat in der Gegend von Beni Walid verstecken, wurde aber schliesslich am 19. November 2011 auf der Flucht in Richtung Niger verhaftet und in Zintan südwestlich von Tripolis inhaftiert. 2015 wurde er von einem Gericht in Zintan zum Tode verurteilt. Allerdings zeichnete sich schon damals ab, dass das Urteil nicht vollstreckt werden würde, da sich die lokalen Machthaber der Zintan von der Regierung in Tripolis losgesagt und sich der Patronage durch den Befehlshaber der Libyschen Nationalarmee, Khalifa Haftar, unterstellt hatten. Haftar hielt schon damals seine schützende Hand über Gaddafi. Am 10. Juni 2017 wurde Gaddafi auf Haftars Druck hin in Zintan freigelassen. Fortan konnte er sich im Machtbereich von Haftar frei bewegen.
Trotz der Niederlage der LNA und der mit ihr verbündeten Zintan-Milizen vor Tripolis haben die Zintan ihre Machtposition im Bergland von Nefoussa bislang halten können. Sie profitieren von der strategischen Position für den Transit nach Süden, den guten Beziehungen, die sie zu bestimmten Stämmen in der Region pflegen (insbesondere zu Tuareg-Gruppen) und den drei von ihnen kontrollierten Ölfeldern. Sie haben in den letzten Monaten stark aufrüsten können und ihre Waffenmacht jüngst bei Paraden in Zintan demonstriert.
Ein neues Bündnis für Zentrallibyen
Es ist zu erwarten, dass es Gaddafi gelingen wird, das Bündnis zwischen seinem Stamm, den Gadhadhifa in Sirte, den Warfalla in Beni Walid und den Magariha in Sebha zu erneuern. Doch das wird ihm noch nicht die Hausmacht in Zentrallibyen sichern. Dazu müsste er auch das Bündnis mit den Aulad Sulaiman, den heimlichen Machthabern in Fezzan, wiederbeleben. Dieser grosse Stammesverband hat im Verwandtschaftssystem Libyens ein sehr hohes Prestige. Unter der Herrschaft von Muammar Gaddafi hatten die Aulad Sulaiman allerdings viel Macht an die Magariha abtreten müssen, die heute als die wichtigsten Gaddafi-Loyalisten im Fezzan gelten. Auch der Finanzverwalter der Familie Gaddafi, der Investmentbanker Umar Abu Sherida, gehört den Magariha an und hatte Sitz und Stimme im Libyschen politischen Dialogforum, wo er den Süden mitrepräsentierte.
Im Gegenzug vermochten es die Aulad Sulaiman, mit den mächtigen Milizen von Misrata, der rebellischen Hafenstadt, ein Bündnis einzugehen. Die Misrata-Milizen haben schon klargemacht, dass sie sich jeder Gaddafi-Restauration militärisch entgegenstellen werden. Im vergangenen September organisierten darüber hinaus Abordnungen der Aulad Sulaiman mit Fraktionen der Warfalla-Führung ein «Treffen der Brüderlichkeit», um diese von einer möglichen Allianz mit Gaddafi abzuhalten.
So ist es noch keineswegs ausgemacht, dass es Saif al-Islam Gaddafi gelingen wird, sich in Zentrallibyen eine Hausmacht aufzubauen, um dann in einem zweiten Schritt Verbündete in West beziehungsweise Ostlibyen zu finden. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Gaddafi im vergangenen Jahr von seinem Patron Haftar losgesagt hat. Noch im Frühjahr 2019 hatte Haftar das Bündnissystem von Gaddafi genutzt, um im Rahmen der Offensive der LNA auch den Fezzan zu besetzen. Als sich aber im Sommer 2020 abzeichnete, dass die LNA ihre Positionen in Westlibyen nicht mehr halten könnte, setzte sich Gaddafi von seinem Patron ab und stellte sich, wohl mit Billigung russischer Stellen, unter den Schutz seines Bündnisses in Zentrallibyen. Von Sebha aus versucht er nun, sukzessive seine Machtposition auszubauen.
Russische Unterstützung für den Gaddafi-Sohn
Doch selbst unter den Loyalisten des alten Regimes von Muammar al-Gaddafi ist die Kandidatur nicht unbestritten. Zwei Säulen aus der Ära seines Vaters reichten ebenfalls ihre Bewerbungsunterlagen ein: der Büroleiter Bashir Saleh, der als Gaddafis «Black Box» bezeichnet wird und der die Schlüssel zum Schatz der Familie Gaddafis und zu ihren Investitionen in Afrika in den Händen hält, und Muhammad Ahmed Al-Sharif, der jahrelang das Amt des Bildungsministers innehatte und als Generalsekretär der transnationalen Islamischen Missionsgesellschaft fungiert hatte. Beobachter in Libyen vermuten, dass das Gaddafi-Lager mit diesen beiden Bewerbern sicherstellen will, dass für den Fall, dass Gaddafi doch noch ausgeschlossen würde, das Bündnis über potente Kandidaten verfügt.
Mit Russland hat Gaddafi aber einen wichtigen Verbündeten. Russische Medien werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass Gaddafi im Land nach Umfragen grosse Unterstützung geniesse, die regional bis zu 57 Prozent der Stimmenden ausmachen würde. Dies aber machte Gaddafi zu einem Rivalen von Khalifa Haftar. Dieser erhob nun selbst Ambitionen auf die libysche Präsidentschaft, trat für die Zeit bis nach den Wahlen von seiner Funktion als Oberkommandierender der LNA zurück und liess sich gleichfalls als Kandidat für die kommenden Wahlen registrieren.
Konkurrenten um die Macht
Gaddafis Position in Tripolitanien und in der Kyrenaika ist schwach. In Tripolis kann er sich nicht sehen lassen, da immer noch der Haftbefehl gegen ihn hängig ist, den ein Gericht in Tripolis ausgestellt hatte. Es hatte ihn 2015 in Abwesenheit zum Tode verurteilt, und auch der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen ihn wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen von Juni 2011 ist immer noch in Kraft. In der Kyrenaika hat er wenig Chancen, den selbst aus Ostlibyen stammenden Haftar auszustechen. Gaddafis Miliz, die Volksfront zur Befreiung Libyens, mit der er «in die Geschichte zurückkehren will», ist viel zu schwach, um die Machtstellung der militärischen Verbände, die Haftars LNA bilden, zu gefährden.
Gaddafi wird wissen, dass er nur bei einer hohen Wahlbeteiligung die Chance hätte, entweder die zweite Runde im Februar 2022 zu erreichen oder zumindest so stark abzuschneiden, dass Kandidaten der zweiten Runde ihn und sein Wahlvolk als Bündnispartner wählen müssten und ihm eine aussichtsreiche Position im politischen System zusichern würden. Sollte Letztes der Fall sein, dürfte Haftar hoffen, dass Gaddafi ihm ein Bündnis anbietet.
Inzwischen haben sich zehn Libyer als Kandidaten registrieren lassen, denen ernsthafte Chancen für das Erreichen der zweiten Runde zugetraut wird. Mit dabei ist der Unternehmer Abdalhamid Dibeiba aus Misrata, den das Dialogforum im März 2021 interimistisch zum Ministerpräsidenten der gesamtlibyschen Regierung gewählt hat. Im Sommer 2020 hatte Dibeiba, ehemals Funktionär der Arabischen Sozialistischen Union unter Muammar al-Gaddafi, einen politischen Verband namens «Libyen der Zukunft» begründet. Kurioserweise hatte Gaddafi anfangs versucht, sich über ein Bündnis mit dieser Organisation eine Machtposition aufzubauen.
Dibeibas Chancen, die zweite Runde zu erreichen, stehen nicht schlecht. Dank verschiedener populistischer Massnahmen gilt er vor allem in Tripolitanien als Hoffnungsträger. Seine Verbandelung mit dem alten Gaddafi-Regime könnte ihm sogar hilfreich sein.
Auch der ehemalige Premier Ali Zeidan stellt sich zur Wahl. Zeidan stammt aus Waddan in Zentrallibyen und hatte seine Hausmacht in der umliegenden Region Jufra. Gaddafi hat also auch einen Rivalen in seiner eigenen Hochburg.
Aus Ostlibyen stammen zwei weitere Kandidaten: der Sprecher des Repräsentantenhauses in Tobruk, Aguila Saleh Issa, und der islamische Theologe Aref Ali Nayed aus Benghazi. Nayed, ehemals Botschafter Libyens in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der rechtskonservative Politiker, der in Rom auch katholische Theologie studiert hat, vertritt eine harte Linie gegen Anhänger der Muslimbrüder und gegen jede salafistische Ausrichtung des Islam.
Aus Westlibyen kommen der Diplomat Ibrahim ad-Dabashi (Sabrata) und Fathi Bashagha, der aus Misrata stammende ehemalige Innenminister der Regierung der Nationalen Eintracht. Seine politische Nähe zu den Muslimbrüdern ist wohl bekannt, aufgrund seiner sozialen Stellung in Misrata ist er zugleich Garant türkischer Interessen im Land. Ihm nahe steht Abdel Hakim Ba’you, der aus Tripolis stammende Direktor der Al-Hamra-Gesellschaft, die mit dem libyschen Investitionsbüro verbunden ist, an dem früher unter Gaddafi auch Dibeiba mitgearbeitet hatte.
Drei Blöcke und ein möglicher Wahlsieger
Gaddafi hat es geschafft, als Repräsentant des Südens wahrgenommen zu werden. Er inszeniert sich bewusst als Mann des Südens: bei seiner Wahlanmeldung trug er den für die Region Fezzan typischen braungefärbten Umhang mit gleichfarbigem Turban. Er stellt sich dabei auf eine Stufe mit seinen beiden Hauptrivalen, Haftar im Osten und Dibeiba im Westen.
Damit es aber zu diesem Dreikampf kommt, der dann wohl erst im zweiten Wahlgang entschieden werden wird, müssen Haftar, Dibeiba und Gaddafi zunächst ihre Gegner in ihren jeweiligen Landesteilen in dem ersten Wahlgang am 24. Dezember besiegen. Der erste Wahlgang hat so den Charakter von Vorwahlen. Natürlich werden alle Kandidaten versuchen, in den anderen Landesteilen auf Stimmenfang zu gehen, doch dürften sie hier nur bedingt erfolgreich sein.
Am Ende wird die Demographie eine wichtige Rolle spielen. In Tripolitanien wohnen knapp zwei Drittel der Landesbewohner, in der Kyrenaika sind es etwa 28% und im Fezzan etwa 10%. Das gibt dem Kandidaten des Westens zwangsläufig einen Vorteil, den Dibeiba sicherlich zu nutzen verstehen wird. Im Nefoussa-Bergland im Westen werden vor allem berberische Gemeinden für Haftar stimmen, sollte es ihr eigener Kandidat nicht in die zweite Runde schaffen. Doch das würde Haftar nicht grossartig helfen, da sich die Militärmacht der Bewohner von Zintan nicht in politische Repräsentation übersetzen lässt.
Gelingen die Wahlen?
In Tripolis mehren sich die Stimmen, die die Legitimität der Hohen Wahlkommission, die über die Zulassungen der Kandidatinnen und Kandidaten zu entscheiden hat, in Frage stellen. Der Militärstaatsanwalt, Generalmajor Mas’oud Arhouma, hatte von der Wahlkommission verlangt, Gaddafi und Haftar von der Wahl auszuschliessen. Gegen Haftar werde eine Anklage wegen der Ermordung von Zivilisten südlich von Beirut durch russische Wagner-Söldner vorbereitet. Der Leiter der Wahlkommission, Imad alSayeh, aber wies die Intervention des Generalstaatsanwalts zurück, da dieser kein Recht habe, sich in die Angelegenheiten der Kommission einzumischen, und die Kandidatur von Haftar und Gaddafi «rechtlich einwandfrei» sei. Der Slowake Ján Kubiš, Sondergesandter des UN-Generalsekretärs für Libyen und Leiter der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL), geht davon aus, dass sich noch die Gerichte in Libyen mit dieser Frage befassen werden.
Unklar ist auch, wie es mit der Wahlbeteiligung bestellt sein wird. Bislang haben nur etwa 2,8 Millionen Libyer Wahlkarten beantragt. Kommunale Behörden scheinen die Wahlvorbereitungen nicht besonders aktiv zu unterstützen. Die drohende Teilnahme Gaddafis an den Wahlen hat vor allem im Westen eine Proteststimmung aufkommen lassen. Die Stimmen, die sich für einen Boykott der Wahlen aussprechen, werden lauter. Profiteur könnte Khalifa Haftar sein. Je weniger Menschen im Westen wählen gehen, desto realistischer wird es für Haftar, aufgrund seiner starken Hausmacht im Osten die Wahlen gewinnen zu können.
Am Ende wird sich die Frage stellen, welche staatsrechtliche Stellung der Präsident im Lande haben wird. Diese Frage ist bislang ausgeklammert worden. Optimisten meinen, zwischen erstem und zweitem Wahlgang liesse sich hierüber ein Konsens finden. Eher wahrscheinlich ist aber, dass es bei der Unbestimmtheit bleiben wird und dass es von der gewählten Persönlichkeit abhängen wird, wie er das Amt ausfüllen wird. So ist nicht auszuschliessen, dass die gesamtlibyschen Präsidentschaftswahlen den Auftakt für eine erneute Sezession der Landesteile bilden wird.