Sepp I., unser Fifa-Cäsar, wird nicht müde vom „völkerverbindenden Fussball“ zu labbern. In Lissabon wurden nach der 4:0-Schmach deutsche Touristen mit Bierflaschen beworfen. Einer unserer Autoren meldet aus Südfrankreich „Hassausbrüche von portugiesischen Vollidioten: eine schreckliche Atmosphäre“. Fussball hat noch nie die Völker verbunden. Im Gegenteil: Er schürt Emotionen und Hass der Verlierer gegen die Sieger. Nicht nur im fernen Zentralamerika, wo es 1969 zu einem 100-tägigen Fussballkrieg zwischen Honduras und El Salvador gekommen war.
Doch eines gelingt dem Fussball: Er einigt die Nation. In einer Zeit, in der die Gesellschaft immer mehr auseinander driftet, in der man Andersdenkende immer rüder und kompromissloser behandelt und abkanzelt, bringt sie der Fussball zusammen. In Italien fallen sich Berlusconi-Hasser und Berlusconi-Freunde in die Arme, wenn Mario Balotelli den Ball ins Tor köpfelt. Selbst die fremdenfeindliche Lega Nord jubelt Balotelli zu, diesem Sohn ghanaischer Immigranten, die die Lega am liebsten aus dem Land schmeissen möchte.
Der Sprachenstreit in Belgien? Vergessen, wenn man gegen Algerien spielt. In Frankreich singen die Anhänger von Marine Le Pen und François Hollande gemeinsam die Marseillaise. In einem Pariser Bistrot küssten sie sich nach dem 3:0 gegen Honduras, johlten sich die Kehle heiser und tranken gemeinsam auf das Wohl der „Bleus“. In der Schweiz jubeln SVPler und SPler Seite an Seite und umarmen sich, wenn Seferovic das Siegestor schiesst. Nur wenn Fussball gespielt wird, sind wir eine einzige Nation, vergessen die ideologischen, sprachlichen und sozialen Unterschiede. Nur der Fussball hält die Nation und ihre Gesellschaft noch zusammen. Vielleicht sollte man alle sechs Monate eine WM durchführen.