Dabei geht es nicht allein darum, die Schuldigen der tödlichen Auseinandersetzungen zur Rechenschaft zu ziehen. Es ist in den letzten Tagen auch deutlich geworden, dass die radikalen Islamisten mit den bisherigen Resultaten ihrer Aktionen zufrieden sind. Sie gedenken, sie bei jeder Gelegenheit zu wiederholen. Eine Gelegenheit wurde ihnen bereits geboten, als die französische Zeitschrift Charlie Hébdo neue Islam-Karikaturen veröffentlichte.
"Krieg gegen Amerika" als Mittel zur Macht
Die Haltung der Radikalen ist nicht erstaunlich. Ihr Ziel ist, eine möglichst scharfe Konfrontation zwischen ihren - muslimischen - Staaten und Amerika heraufzubeschwören. Der „Krieg gegen Amerika“, den sie anzetteln wollen, wäre vergleichbar mit dem „Krieg gegen den Terrorismus“, den Georg W. Bush führen wollte und der eine ausgeprägte anti-islamische Schlagseite hatte. Sie wissen, wenn es ihnen gelingt, einen solchen Krieg auszulösen, werden sie Hahn im Korb in ihren Heimatländern. Sie würden zu Anführern und Wortführern in allen Belangen. So würden sie zu den mächtigsten Leuten im Land werden.
Gemässigte islamische Kräfte in Tunesien und Ägypten
Zurzeit sind sie es noch nicht. Die Regierungsmacht liegt in Tunesien und in Ägypten in der Hand gemässigter islamischer Kräfte, die eine islamische Demokratie anstreben. In Libyen gingen nicht radikale Islamisten, sondern säkulare und lokal verwurzelte Kräfte aus den Wahlen hervor. Die Regierung wird gegenwärtig von säkular ausgerichteten Politikern geführt. Wobei freilich ihre Macht durch zahllose bewaffnete Milizen eingeschränkt ist. Unter ihnen gibt es auch einige wenige radikal-islamistisch ausgerichtete Kampfgruppen.
Die radikalen Islamisten und die islamischen Demokraten appellieren beide an ein islamisches Publikum, das die Hälfte - oder etwas mehr – des gesamten Wählerpotentials ausmacht. Dem steht der etwas kleinere säkulare Wähleranteil gegenüber. Es ist gespalten in Dutzende Parteien, die sich konkurrieren und nicht zusammenfinden. Das ist seine grosse Schwäche.
Radikale Islamisten – in Ägypten zugelassen
Die Minderheiten der radikalen Islamisten wollen keine Demokratie. Sie streben einen "islamischen Staat unter der Scharia" an. Nicht immer ist klar, was sie sich genau darunter vorstellen. Sie sind in Ägypten zugelassen, durften Parteien bilden, an den Parlaments- und Präsidialwahlen teilnehmen, und sie erhielten rund 20 Prozent der Wählerstimmen. Ihre wichtigsten Führer wurden dadurch zu Beteiligten an der jungen und immer noch unsicheren ägyptischen Demokratie. Dies, obwohl sie diese Demokratie gar nicht akzeptieren. Ihre Führer haben die Ägypter zu Demonstrationen über den Film des Anstosses aufgerufen. Doch sie forderten die Demonstranten auf, friedlich zu manifestieren. Als es dann doch zur Gewalt kam, konnten sie glaubwürdig versichern, dies sei nicht ihre Absicht gewesen.
Ausserparlamentarische Agitation in Tunesien
In Tunesien ist dies anders. Die radikalen Islamisten durften nicht an den Wahlen teilnehmen. Sie kämpfen für einen "Islamischen Staat" an Stelle eines demokratischen Staates. "Religiöse" Parteien waren verboten. Darunter verstand man offenbar solche, die religiös umschriebene Ziele verfolgen. Umso mehr sind deshalb die religiösen Eiferer, die man in Tunis als Salafisten bezeichnet, darauf aus, sich bemerkbar zu machen. Sie haben seit der Einsetzung des demokratischen Regimes jede Gelegenheit benützt, um sich in den Strassen zu manifestieren. Sie kritisieren „unislamisches Verhalten“ oder „Beleidigungen des Islams“ und provozierten deshalb Unruhen. Sie legten Brände, forderten die Polizei heraus und riefen zu Plünderungen auf.
Stets provozierten sie Unruhen während „islamischer“ Anlässen. So setzten die Eiferer die regierende an-Nahda-Partei, ihre Hauptrivalin, unter Druck. An-Nahda versucht, eine islamische Demokratie zu errichten.
An-Nahda zwischen zwei Fronten
Der Parteipräsident von an-Nahda, Rachid Ghannouchi, ist Theologe. Er hat erforscht, ob der Islam mit der Demokratie vereinbar ist. Er hat dieses Zusammengehen bejaht. Doch an-Nahda hat auch ein Parteivolk, dem primär am Islam liegt. Diesen lebt es seit je. Doch was Demokratie ist oder wäre, kennt es nicht aus eigener Erfahrung. Wenn sich die "Salafisten" über „unislamische“ Zustände beschweren, finden sie bei vielen Muslimen Gehör, auch bei solchen, die für an-Nahda gestimmt haben. Sie versuchen, durch ihre Aktionen die konservativ und traditionell orientierten Wähler der Regierungspartei abspenstig zu machen und ihre Stimmen zu gewinnen. Neuwahlen werden in Tunesien stattfinden, sobald die neue Verfassung vom Volk angenommen wird. Diese ist zur Zeit in Arbeit. Man rechnet damit, dass schon im nächsten Sommer gewählt werden könnte.
Die Regierungspartei hatte bisher immer versucht, für die Gründe der salafistischen Empörung, die stets "islamische" Gründe hatte, Verständnis zu zeigen. Doch sie sprach sich gegen Gewalt aus, aber auch gegen die als "Provokationen" empfundenen Aktivitäten und Auftritte der Säkularisten.
Verdächtigungen der Säkularisten
Diese zweideutige Haltung hatte an-Nahda und ihrer Regierung scharfe Kritik von den Gegenparteien eingetragen. Die Säkularisten aller Couleur verdächtigten sie, dass sie die "Salafisten" als Speerspitze einsetzten. So wollten sie die Islamisierung der tunesischen Gesellschaft mit Gewalt und Aufruhr auf den Strassen voranzutreiben.
Die Säkularisten unterstellen der Nahda-Regierung, sie würde früher oder später der salafistischen Vorhut folgen, an-Nahda gebe sich nur vorläufig gemässigt und demokratisch. Die Partei habe aber das mittelfristige Ziel, die tunesische Bevölkerung voll zu islamisieren und alle nicht-islamischen Gruppen auszuschalten. Weil die erste Vermutung zur zweiten passt, sehen viele die erste als den Beweis der zweiten.
Die Ausschreitungen gegen die amerikanische Botschaft und gegen die amerikanische Schule in Tunis, die zum Rückzug der meisten amerikanischen Diplomaten aus Tunesien und zu einer Reisewarnung für alle Amerikaner für Tunesien führte, haben nun die an-Nahda-Regierung gezwungen, nachdrücklich und entschieden gegen die salafistischen Unruhestifter aufzutreten.
Ein entschlüpfter Unruhestifter
Eine peinliche inner-tunesische Panne kam dazu und zwang die Regierung ebenfalls, klare Worte zu sprechen. Dem salafistische Hauptprediger, Sayyid Audallah Ibn Hussein, wird vorgeworfen, zu den Übergriffen auf die amerikanische Botschaft aufgerufen zu haben. Deshalb sollte er verhaftet werden. Die Polizei umstellte am Tag nach dem Angriff eine der zentralen Moscheen von Tunis, in der er eine weitere Brandrede gegen die „Beleidiger des Islam“ hielt. Doch dann verschwand der Prediger aus der Moschee und ward nicht mehr gesehen. Die Polizei zog unverrichteter Dinge ab. Natürlich wurden von säkularer Seite sofort Vorwürfe laut. Da sehe man wieder: Die an-Nahda Regierung und die Salafisten steckten unter einer Decke, sie täten einander nicht weh.
Der Innenminster, Ali Larayed, der zu an-Nahda gehört, musste dem Parlament Red und Antwort stehen. Er suchte, sich aus der Affäre zu ziehen, indem er das Versagen der Polizei als "ein Schlagloch in der Strasse" bezeichnete.
Demonstrationsverbot in Tunis
Daraufhin schaltete sich Ghannouchi ein, der Präsident der an-Nahda Partei. In einer Fernsehrede machte er deutlich, dass gewaltsame Demonstrationen nicht mehr geduldet würden. Er erklärte, eine Verschwörung sei aufgedeckt worden, deren Ziel es gewesen wäre, die Unruhen in den Strassen fortzusetzen. Deshalb werde jetzt ein Demonstrationsverbot verhängt. Dies ist eine einschneidende Massnahme – vor allem deshalb, weil in jüngster Vergangenheit Demonstrationen das Hauptmittel waren, um Diktator Ben Ali zu vertreiben. Bisher hatten Demonstrationen in Tunesien als ein unantastbares demokratisches Recht gegolten, das durch die Revolution erkämpft wurde.
Klartext von Ghannouchi
Nach der Publikation von Karikaturen des Propheten im Satire-Magazin Charlie Hébdo war befürchtet worden, dass die französische Botschaft angegriffen würde. Sie wird jetzt von Panzer und Stacheldraht geschützt.
Ghannouchi erkärte, er sehe ungern die Hauptstadt in einem solchen Gesicht. Es handle sich um vorübergehende Massnahmen. Er sagte auch, die Muslime könnten mit positiven Mitteln den Islam verteidigen: mit Romanen, Gedichten, Kunstwerken. Dies „anstelle des unfruchtbaren Geschreis und der Gewalt, die dem Islam nicht dienen, sondern eher seinen Feinden". Die "jihadistischen Salafiten", so nannte er sie spezifisch, stellten eine Gefahr für an-Nahda und für die Sicherheit und Freiheiten des Landes dar.
"Jedesmal wenn Parteien oder Gruppierungen die Grenzen unserer Freiheiten offen überschreiten", so fügte er hinzu, "müssen wir energisch eingreifen". Ghannouchi vereidigte auch den Innenminister, indem er zu bedenken gab, dass Osama bin Laden Jahre lang von allen Geheimdiensten der Welt gejagt worden war, ohne dass er gefasst werden konnte. Die Polizei werde den Prediger Abdullah Ibn Hussain, der auch als Abu Iyad bekannt ist, "jagen und festnehmen". Die Polizei habe ihre Lektion gelernt. Es werde keine Wiederholung der Ausschreitungen vom vorigen Freitag geben.
Ein Ende der Zweideutigkeiten?
In der Vergangenheit hatte sich Ghannouchi regelmässig sowohl gegen gewalttätige Demonstranten wie auch gegen die "Provokationen" der Säkularisten gewandt – Provokationen, die Demonstrationen und Gewaltaktionen der Salafisten zur Folge hatten. Diesmal begnügte sich der Präsident mit der Aussage: "Wir haben unsere Empörung über die Karikaturen geäussert. Sie stellen einen Angriff auf die gläubigen Muslime dar und führen zu Hass und Krieg.“
Die Säkularisten in Tunesien werden sich nicht mit diesen Worten Ghannouchis zufriedengeben. Sie warten nun ab, ob er diesen Worten auch Taten folgen lässt, die wirklich ein Ende der Gewalt der "jihadistischen Salafiten" bewirken.
Morsis Ambivalenzen
In Ägypten befinden sich die Muslimbrüder in der gleichen Zwickmühle wie die tunesische Führung. Auch Präsident Morsi läuft Gefahr von den eigenen Anhängern, besonders von deren traditionellem Flügel, als "unislamisch" und "pro-amerikanisch" gesehen zu werden, wenn er allzu scharf gegen die Unruhestifter auftritt. Doch anderseits steht er bei seinen säkularen Gegenspielern im Verdacht, mit den salafistischen Radikalen heimlich zusammenzuarbeiten, um in einem Doppelspiel die Islamisierung Ägyptens voranzutreiben.
Morsi erklärte, Demonstrationen seien zulässig, doch Gewalt sei verboten. Gleichzeitig erhob er Vorwürfe gegen "Amerika", weil die dortigen Behörden die „Beleidigung des Islams“ zuliessen. Dass die als allmächtig geltenden amerikanischen Behörden nicht die Macht hätten, solche Äusserungen zu verbieten, fällt ihm schwer nachzuvollziehen – wie vielen andern Muslimen auch. Wohl noch wichtiger ist: Morsi muss sich von seinem prä-revolutionären Vorgänger, Mubarak, unterscheiden. Mubarak galt als ein williges Instrument der amerikanischen Politik. Morsi muss darauf bestehen, dass Ägypten gegenüber Washington eigenständig ist.
Ist Amerika noch "befreundet"?
Eine in Amerika und in Ägypten vielbeachtete Äusserung Präsident Obamas sollte Ägypten als Warnung dienen. Der Präsident wurde gefragt, ob er die Ägypter heute als Feinde oder als Freunde einstufe. Er antwortete, er sehe sie zurzeit weder als Feinde noch als Freunde.
Ägypten rechnet damit, dass die USA weiterhin dem Land jährlich gegen Milliarden Dollar zahlen, und zwar für Armee-Ausrüstung und sonstige Unterstützung. Man hofft auch auf einen Schuldenerlass in der Höhe von zwei Milliarden und sieht sich gezwungen, einen hohen IMF-Kredit aufzunehmen; verhandelt wird über 4,5 Milliarden.
Seit dem Friedensvertrag mit Israel im Jahr 1979 fliessen riesige Summen amerikanischen Geldes nach Ägypten. Formell besteht kein Zusammenhang zwischen den Zahlungen und dem Friedensvertrag. Doch die Ägypter denken, diese Gelder seien der Preis, den die Amerikaner für den Frieden zu zahlen bereit gewesen waren. Nicht selten ist jetzt im post-revolutionären Kairo die Rede davon, dass dieser Vertrag „revidiert“ werden sollte.
**Ein weltweites Blasphemie-Gesetz ?
Der oberste Scheich der Azhar Moschee, Ahmed at-Tayyeb, hat in Sachen Blasphemie die Initiative ergriffen. Er richtete sich an den Generalsekretär der UNO mit der Anregung, ein international geltendes Gesetz gegen Verleumdung der Religionen zu formulieren. Er wies dabei darauf hin, dass die Anzweifelung des Holocaust in vielen Ländern bestraft werden könne, ohne freilich den Holocaust beim Namen zu nennen. Dass ein derartiges Blasphemie-Gesetz von der UNO wirklich ins Auge gefasst werden könnte, ist sehr unwahrscheinlich. Doch der Schritt zeigt deutlich, wie empfindlich die muslimische Welt auf Beleidigungen im religiösen Bereich reagiert. Der Scheich der al-Azahr Moschee ist ein Gegner der fundamentalistischen Strömungen im Islam. Er geniesst das Vertrauen vieler ägyptischer Säkularisten. Man kann vermuten, dass auch er, wie die islamisch-demokratisch gefärbte Regierungspartei, die Gefahren sieht und fürchtet, die von Provokationen ausgehen, welche die "jihadistischen Salafisten", um Ghannouchis präzise Umschreibung zu gebrauchen, auszunützen vermögen.
Pro-amerikanische Grundhaltung in Libyen
In Libyen hat sich die Regierung sehr klar hinter die Amerikaner gestellt und ihre Empörung über den Mord an dem amerikanischen Botschafter unumwunden zum Ausdruck gebracht.
Doch der Angriff auf das amerikanische Konsulat und der Mord des amerikanischen Botschafters hat die wichtige Frage aufgeworfen. Wer regiert in Libyen, die Regierung oder die bewaffneten Milizen und Banden?
Der Mord wird islamistischen Extremisten zugewiesen, die möglicherweise im Auftrag oder inspiriert von al-Qa'ida gehandelt hätten. Nach libyscher Darstellung seien einige der Verantwortlichen aus dem Ausland infiltriert. Die Rede ist auch von früheren Insassen in Guantanamo, die nach Libyen überstellt und nach der Revolution freigekommen seien. Mit amerikanischer Hilfe soll eine Untersuchung geführt werden.
Selbsthilfe in Benghazi
Doch das Volk von Benghazi hat die Initiative ergriffen. Nach einer Grossdemonstration stürmten am Samstag 30'000 Bürger Benghazis das Lager der bewaffneten "jihadistischen Salafiten“. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten den Angriff auf das amerikanische Konsulat durchgeführt. Die Gruppe ist schwer bewaffnet und nennt sich "Ansar asch-Schari'a", was man mit "Partisanen der Schari'a" übersetzen kann.
"Nein zu den Milizen!" war der Schlachtruf der Demonstranten. Sie umringten das Lager. Die Belagerten schossen in die Luft, doch vermieden sie es auf die Demonstranten zu schiessen. Schliesslich kamen sie mit ihren Waffen aus dem Lager hervor und zogen ab. Die Menge drang ein, verbrannte und plünderte das Lager und seine Bestände an schweren Waffen und Munition.
Doch dann scheint es auch nach den noch unvollständigen Berichten zu Massendemonstrationen und Angriffen gegen ein zweites bewaffnetes Lager in Benghazi gekommen zu sein. Dies gehörte der Miliz, die sich Sahaty-Brigade nennt.
Diese Miliz ist eine von jenen, die sich mit der Regierung und den offiziellen Stadtbehörden verbündet haben, um diesen zu helfen, Ordnung zu halten, ohne allerdings ihre eigenen Waffen abzuliefern. Es kam zu Schiessereien zwischen ihnen und den Demonstranten. Einige von ihnen hatten sich in der Zwischenzeit offensichtlich bewaffnet, vielleicht aus den Beständen der "Ansar asch-Schari'a“. Die Kämpfe sollen zwei Stunden gedauert haben. Mindestens neun Personen verloren im Verlauf der Schiesserei ihr Leben.
Die Episode unterstreicht die immer noch sehr besondere Lage, in welcher das post-revolutionäre Libyen regiert wird.
Die Herausforderung durch die Islamisten hat dieses Mal alle drei der post-revolutionären arabischen Regierungen dazu gezwungen, klarer als bisher Stellung zu beziehen. Man kann hoffen, dass diesen Stellungnahmen auch Handlungen folgen werden, die mithelfen, den radikalen religio-politischen Agitatoren das Handwerk zu legen.
Pakistan fördert die Radikalen
Pakistan, wo am vergangenen Freitag grosse Demonstrationen stattfanden, tanzt aus der Reihe. Dort wurden die islamischen und islamistischen Aktivisten und Radikalen von der Regierung animiert zu demonstrieren. Zu diesem Zweck wurde gar ein arbeitsfreier Tag festgelegt. Die Demonstrationen waren ebenso sehr gegen "Amerika" gerichtet, wie gegen die "Beleidigung des Islam".
Nach den ersten Schätzungen haben die Demonstrationen in Pakistan mindestens 19 Personen das Leben gekostet. Dass die Regierung mitmachte und die Ausschreitungen ermutigte, hängt mit der innenpolitischen Lage Pakistans zusammen.
Grob gesagt, die - sehr prä-revolutionäre - Regierung Pakistans ist geschwächt. Sie steht in einem beständigen Machtringen mit zwei Kräften, die sich als stärker denn sie erweisen: mit der Armee und ihren Geheimdiensten sowie mit den Gerichten. Regierung und Parlamentarier, die in Gefahr schweben, völlig irrelevant zu werden, ergreifen deshalb jede Gelegenheit, um sich politisch zu profilieren und bemerkbar zu machen.
Verhasster Bündnispartner Amerika
Das Bündnis mit Washington, für das offiziell die Regierung verantwortlich ist und auf das diese aus finanziellen Gründen nicht wirklich verzichten kann, ist bei der Bevölkerung sehr wenig beliebt. Vor allem - neben vielen anderen Gründen - wegen der amerikanischen Drohnenangriffe, die immer wieder unschuldige Opfer fordern. Die Regierungspartei und viele Parlamentarier sind ebenfalls empört über die „Beleidigungen des Islam“. Sie sehen in der Ermunterung der Regierung, dagegen zu protestieren, eine Möglichkeit, gegen „Amerika“ Dampf abzulassen - ohne das unbeliebte aber notwendige Bündnis brechen zu müssen.