Elisabeth Sifton, Fritz Stern: Keine gewöhnlichen Männer. Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi im Widerstand gegen Hitler, Verlag C.H. Beck, München 2013.
Der berühmte deutsch-amerikanische Historiker Fritz Stern, emeritierter Professor an der Columbia University in New York, hat zusammen mit seiner Frau Elisabeth Sifton ein Buch über Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi verfasst, zwei bedeutende Vertreter des frühen Widerstands gegen Hitler.
Zum evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer ist bereits manches publiziert worden. Seine Aufzeichnungen und Gedichte aus dem Gefängnis fanden weite Verbreitung, auch liegt eine Gesamtausgabe seiner Publikationen vor. Weniger bekannt ist der Jurist Hans von Dohnanyi, Schwager von Bonhoeffer, ebenfalls ein Mann der ersten Stunde, den die diplomatischen und militärischen Erfolge des «Führers» nicht daran hinderten, den menschenverachtenden Charakter des Regimes zu erkennen und sich dagegen aufzulehnen. Beide Vertreter des zivilen Widerstandes gegen Hitler wurden im Frühling 1943 verhaftet und ein Jahr später im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet.
Persönliche Verbindungen mit dem Thema
Es war offensichtlich ein Herzensanliegen der beiden Autoren, dieses Buch zu verfassen. Elisabeth Siftons Vater, der angesehene amerikanische Theologe Reinhold Niebuhr, lernte Dietrich Bonhoeffer in den Jahren 1930 und 1931 kennen, als dieser einen Studienaufenthalt am «Union Theological Seminary» in New York absolvierte. Auch zwischen Fritz Stern und der Familie Bonhoeffer gibt es eine Verbindung: Sterns Vater, vor der Emigration in die USA ein beliebter jüdischer Arzt in Breslau, war mit dem Vater Dietrich Bonhoeffers, einem angesehenen Psychiater und Neurologen an der Charité in Berlin, befreundet. Elisabeth Sifton und Fritz Stern stehen ferner in freundschaftlicher Verbindung mit dem Sohn Hans von Dohnanyis, Klaus von Dohnanyi, dem Staatsminister im Auswärtigen Amt unter Helmut Schmidt und späteren Hamburger Bürgermeister.
Sieht man von seinen Memoiren «Fünf Deutschland und ein Leben» («Five Germanys I have known») ab, so ist das Buch «Keine gewöhnlichen Männer» Fritz Sterns persönlichstes Werk. Oft fliessen persönliche Bemerkungen und Erinnerungen in das Buch und in dessen Anmerkungen ein. Es liegt den beiden Autoren viel daran, die Bedeutung von Bonhoeffer und Dohnanyi gegenüber den Attentätern des 20. Juli aufzuwerten. Während es unter den Attentätern manche gab, die erst zu Hitler-Gegnern wurden, als das Kriegsglück sich wendete, handelten Bonhoeffer und Dohnanyi, wie Stern und Sifton betonen, aus tiefstem humanem Empfinden und rechtsstaatlichem Verantwortungsbewusstsein.
Auseinandersetzung mit Nachkriegs-Deutschland
Eine solche Haltung war in den gutbürgerlichen Kreisen, denen die beiden entstammten, eher selten. Im letzten Kapitel kommen Stern und Sifton auf die Haltung von Nachkriegsdeutschland zu den Gegnern des Nationalsozialismus zu sprechen. «Die Bonhoeffers und andere Überlebende des Widerstands», schreiben sie, «waren überall in Deutschland Verleumdungen ausgesetzt. Viele Deutsche betrachteten Leute wie die Bonhoeffers, die sich gegen Hitler verschworen hatten oder Regimegegner gewesen waren, als Verräter an ihrem Vaterland.»
Noch heute wirkt es in der Tat stossend, dass ein Nazi-Staatsanwalt wie Manfred Roeder, verantwortlich für die Verhaftung von Bonhoeffer und Dohnanyi, kurze Zeit nach Kriegsende als Mitglied der CDU in Amt und Würden zu wirken fortfuhr, während Mitglieder des Widerstandes und ihre Familien diskriminiert wurden und um staatliche Abfindungen zu kämpfen hatten. «Es schien», schreiben die Autoren, «als sei bei den Deutschen der Geist der ‚Treue‘, der Wille, im Krieg bis zum bitteren Ende zu kämpfen und am Glauben an den ‚Führer‘ festzuhalten, zu einer Art Trotz mutiert und Ressentiment zur vorherrschenden Stimmung in der Bevölkerung geworden.»
Ein Alterswerk
«Keine gewöhnlichen Männer» ist ein Alterswerk; das Buch ist nicht immer klar strukturiert und nicht frei von Wiederholungen und Abschweifungen. Wer Fritz Sterns umfangreiches Werk noch nicht kennt, sollte vielleicht nicht mit der Lektüre dieses Buches beginnen, sondern sich den hervorragend formulierten Essays zuwenden, die in deutscher Sprache unter dem Titel «Verspielte Grösse» («Einstein’s German World») erschienen sind.
Doch Stern ist nicht nur ein Meister der kleinen Form. Sein Hauptwerk über Bismarck und dessen Bankier Gerson Bleichröder, das ihn in Deutschland bekannt machte, ist ein meisterhaftes Doppelporträt und ein gewichtiger Beitrag zur Geschichte der Juden in Deutschland. Es liegen auch zwei Bücher mit Gesprächen vor, die Fritz Stern mit Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt und mit dem früheren deutschen Aussenminister Joschka Fischer geführt hat; das erste Buch ist in Deutschland zum Bestseller geworden.
Fritz Stern ist auch, das sei zum Schluss angemerkt, ein grosser Freund der Schweiz. In seinen Memoiren ist von Ferien die Rede, die er in der Zwischenkriegszeit als Kind mit seinen Eltern im Engadin verlebte. Nach dem Krieg ist der Historiker immer wieder nach Sils Maria zurückgekehrt. Gerne liest man in Sterns Memoiren Sätze wie diesen: «For me it was the first encounter with alpine grandeur, and decades later, after years away from Europe, Sils Maria became my elective home, a German-speaking Ersatz home with untarnished memories.»