Mit Ungeduld wartete am Montag das politische Italien auf die Medienkonferenz des früheren Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Konnte er sich mit Beppe Grillo, dem Mitgründer der Protestbewegung „Cinque stelle“ doch noch im letzten Moment einigen? Oder schlägt er die Tür zu? Dies würde die einst stärkste italienische Partei ins Chaos stürzen – und vermutlich ihre Spaltung beschleunigen.
In den Stunden vor der Medienkonferenz sickerte durch, dass die Positionen „unvereinbar“ seien. Beppe Grillo beharrt darauf, das letzte Wort zu haben und die grossen Entscheidungen selbst zu treffen. Conte hingegen will als Parteiführer weitgehende Kompetenzen haben und sich nicht von Grillo an die Leine nehmen lassen.
„Phase des Niedergangs“
Dann um 17.30 Uhr war es so weit. Conte trat im Römer Hadrianstempel vor die Medien. Die Pressekonferenz wurde live auf Facebook gestreamt; auch der Corriere della sera übertrug live. „Ich verlange keine Entschuldigung von Grillo, ich habe einen Sinn für Ironie, ich habe immer Respekt vor ihm gehabt“, sagte Conte zu Beginn.
Dann wurde er ernst: Die Fünf Sterne würden sich „in einer Phase des Niedergangs“ befinden. Conte erinnerte daran, dass die Bewegung bei den Wahlen 2018 mit 34 Prozent der Stimmen zur stärksten Partei wurde und jetzt bei 16 Prozent dahindümpelt. Deshalb verlangte er eine wirkliche „Neugründung“ der Partei.
„Ein herrschsüchtiger Vater“
„Wir brauchen eine Phase der starken Erneuerung, der tiefgreifenden Reorganisation“, sagte er. „Wenn man sich nicht ändert, riskiert man den grossen Niedergang.“ Und weiter: „Ich kann eine Entscheidung nicht nur mit dem Herzen treffen, wenn mein Kopf sagt, dass der Weg falsch ist. Ich kann mich nicht für eine Operation zur Verfügung stellen, an die ich nicht glaube.“ Und dann: „Er ist es, der entscheiden muss, ob er ein grosszügiger Vater oder ein herrschsüchtiger Vater sein will.“
Es habe „grundlegende Missverständnisse“ mit Grillo gegeben. „Ich glaube, es macht keinen Sinn, ein Haus weiss zu tünchen, das tiefgreifend renoviert werden muss. Ich habe immer gesagt, ich hätte mich nie nur für eine Fassadenauffrischung, für ein reines Restyling hergegeben.“
Der Ball liegt bei Grillo
Jetzt, nach einer Viertelstunde, ist klar: Conte beugt sich nicht. Er sagt klar „Nein zu einer halbierten Führung. Eine Zweierherrschaft (Diarchie) ist nicht funktional.“
Der Ball liegt jetzt bei Grillo. Wenn er dem früheren Ministerpräsidenten nicht wesentlich entgegenkommt, schlägt dieser die Tür zu. Alles ist also noch nicht verloren – vorausgesetzt, der Super-Egomane Grillo ist bereit, ein wichtiges Stück seiner Macht abzugeben.
Stimmenfänger ohne Macht
Grillo weiss, wenn Conte abspringt, steht er, der Gründer der Cinque stelle, ziemlich nackt da. Dann besteht für ihn die Möglichkeit, dass der Hauskrach eskaliert und dass weitere Parlamentarier davonlaufen. Bereits hatten 120 Senatoren und Abgeordnete die Fünf Sterne verlassen. Die Gefahr besteht, dass man einen faulen Kompromiss findet, der die grundlegenden Probleme nur vertagt.
Beppe Grillo war es, der den weitum populären Giuseppe Conte köderte, Parteichef der Sterne zu werden. Conte zögerte lange, sagte dann schliesslich zu. Grillo hoffte mit dem früheren Regierungschef als Aushängeschild auf einen neuen Aufschwung. Dieser fand bisher nicht statt. Die Partei dümpelt laut letzten Umfragen bei um die 16 Prozent. Ein Grund dafür ist, dass Conte keine freie Hand hat. Grillo behandelte ihn als Stimmenfänger, doch Macht und Einfluss wollte er ihm nicht zugestehen.
Öffnung gegenüber China
Neben der Rolle von Grillo gibt es andere Themen, die die beiden entzweien: Grillo will die Amtszeitbeschränkung seiner Parlamentarier beibehalten. Das würde bedeuten, dass die meisten Senatoren und Abgeordneten der Fünf Sterne bei den nächsten Wahlen in zwei Jahren nicht mehr antreten dürften. Auch die meisten Minister müssten über die Klinge springen. Conte hingegen will diese Amtszeitbeschränkung aufweichen – Grillo wehrt sich mit Händen und Füssen dagegen.
Unklar ist auch, wer von den beiden den aussenpolitischen Kurs der Bewegung bestimmen soll. Grillo will sich China und teilweise auch Russland gegenüber öffnen. Das will Conte nicht. Grillo pocht darauf, der „internationale Repräsentant der Bewegung in der Welt“ zu sein, eine Art offizieller Botschafter der Fünf Sterne. Diese Bedingung akzeptiert Conte nicht. Er sieht darin seine Handlungsfreiheit eingeschränkt.
Internetpetition
Inzwischen zirkuliert im Internet eine Petition. Aktivisten der Fünf Sterne fordern sowohl Grillo als auch Conte auf, das Kriegsbeil zu begraben. Auf der Plattform change.org heisst es, Conte solle die Tür nicht zuschlagen und die Partei „führen“, Grillo aber solle die Rolle des „Garanten der Prinzipien“ beibehalten.
Andere Parteien verfolgen sichtlich genüsslich den Streit innerhalb der Fünf Sterne. Der Corriere della sera zitiert Matteo Salvini, den Führer der rechtspopulistischen Lega. Salvini sagte: Was kümmert mich das Theater um Conte. Der einzige Conte, der mich interessiert, ist Antonio Conte.
Antonio Conte war bis Mai dieses Jahres Fussballtrainer von Inter Mailand.