Die nordkoreanische Kim-Dynastie war schon immer für eine Überraschung gut. Doch Kim Jong-un hat nun sowohl Grossvater Kim Il-sung als auch Vater Kim Jong-il weit übertroffen: Burger-Essen mit Donald Trump!
Scherzende Tafelrunde
Noch vor kurzem drohte Marschall Kim Jong-un, die USA mit Atomraketen in Schutt und Asche zu legen. Präsident Trump seinerseits stellte die totale Vernichtung Nordkoreas in Aussicht. Trump nannte Kim den «kleinen, fetten Raketenmann». Kim revanchierte sich und nannte Trump einen «senilen Greis». Kim prahlte mit seinem roten Knopf, Trump konterte umgehend, er habe einen grösseren.
Unterdessen haben in Südkorea die olympischen «Friedensspiele Pyeongchang» stattgefunden mit – auf Initiative von Kim Jong-un – nordkoreanischer Beteiligung. Die hochrangige nordkoreanische Delegation, angeführt von Kims Schwester, haben offenbar intensiv verhandelt. Erstes Resultat: Ende April wird Südkoreas Staatspräsident Moon Jae-in mit Kim Jong-un zusammentreffen. Zudem wurde eine direkte Telefonlinie Moon–Kim installiert.
«Historischer Meilenstein»
Es werden die ersten Gespräche nach den Jahren 2000 und 2007 auf diesem Niveau sein. Sie werden nicht wie damals in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang, sondern auf der südlichen Seite der Demarkationslinie im Dorf Panmunjeon an der innerkoreanischen Demarkationslinie stattfinden. Details für die innerkoreanischen Gespräche Ende April hat dann eine südkoreanische Delegation in Pjöngjang ausgehandelt. Das Bild einer fröhlich scherzenden Tafelrunde mit einem lachenden Kim im Mittelpunkt ging um die Welt.
Nach dem Treffen in Pjöngjang ist die südkoreanische Delegation nach Washington geflogen, um den verbündeten USA Bericht zu erstatten. Noch vor einer Woche schrieb das nordkoreanische Parteiblatt Rodong Sinmun: «Nicht zufrieden damit, als erste den nuklearen Holocaust der Menschheit aufzuzwingen, wollen die USA ihre Atomwaffen modernisieren, um einen absoluten nuklearen Vorteil zu erlangen.» Der Delegationsleiter und südkoreanische Sicherheitsberater Chung Eui-yong überbrachte dem amerikanischen Präsidenten einen Brief von Kim Jong-un. Die Überraschung war gross. Im Brief bot Kim dem Präsidenten nichts weniger als baldige Gespräche an: «Wenn ich Präsident Trump treffe und mit ihm spreche, wird ein grosses Resultat möglich sein.» Trumps Pressesprecherin Sanders bestätigte sogleich. Südkoreas Präsident Moon sprach von einem «historischen Meilenstein».
«Der Frieden kommt wie der Frühling»
Der südkoreanische Delegationsleiter liess sich in Washington auch mit folgenden, bemerkenswerten Worten zitieren: «Die nördliche Seite hat klar ihre Entschlossenheit zur Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel bestätigt und gesagt, das Land hätte keinerlei Grund, Nuklearwaffen zu besitzen, wenn die Sicherheit des Regimes garantiert ist und militärische Drohungen gegen Nordkorea eingestellt werden.»
Der Bürgermeister der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, Park Won-soon, äusserte sich gegenüber der Onlinezeitung «Asia Times» zum Gipfel Kim-Trump schon fast euphorisch: «Das ist ein sehr gutes Zeichen für Frieden auf der koreanischen Halbinsel und in der asiatischen Region. Ich bin glücklich. Der Frieden wird kommen so wie jetzt der Frühling.»
Wo?
Das Teffen Kim–Trump ist für spätestens Ende Mai geplant. Wo das sein wird, ist unklar. Die Uno-Stadt Genf wäre möglich, schliesslich ging Kim doch in der Schweiz zur Schule … Peking wäre eine andere Möglichkeit, doch das Verhältnis China–Nordkorea ist nicht mehr das beste, und Kim hat seit seinem Amtsantritt 2011 noch nicht Station beim engsten Verbündeten gemacht. Washington oder Pjöngjang sind wenig wahrscheinlich, denn konfuzianisch gesprochen wäre jener stärker, der in seiner Hauptstadt empfängt. Aber man weiss nie. Trump liebt ja nach eigenem Bekunden Militärparaden, etwas worin Nordkorea mit grossem Abstand Weltmeister ist. Bleibt noch Panmunjeon, der symbolträchtige Ort an der innerkoreanischen Demarkationslinie.
Warum?
Nordkorea hat für die Gespräche bereits Vorbedingungen erfüllt, die noch vor drei Monaten absolut undenkbar gewesen wären: Einfrierung aller Atom- und Raketentests, Bereitschaft über Denuklearisierung zu verhandeln und vorläufige Akzeptanz der südkoreanisch-amerikanischen Frühlingsmanöver. Warum Kim jetzt derart schnell handelt und einlenkt, ist Gegenstand mannigfaltiger kontroverser Spekulationen. Nam Sung-wook, Professor für nordkoreanische Studien an der Korea Universität in Seoul, meint etwa: «Das wichtigste Motiv hinter Kim Jong-uns Schritten der letzten Zeit ist der Wille, die Schwierigkeiten der zunehmenden Isolation zu überwinden. Die Sanktionen beginnen Wirkung zu zeigen bei gleichzeitig weniger Unterstützung von China und Russland.»
Auf Augenhöhe verhandeln
Einige chinesische und westliche Kommentatoren denken dagegen, dass das Einlenken Kims zu Verhandlungen ein Zeichen der Stärke, des Selbstvertrauens sei. Schliesslich habe er Ende November sein Waffenprogramm für beendet erklärt und die Massenproduktion von A-Waffen und Raketen verkündet, was wiederum viele Experten als wenig wahrscheinlich einstufen und als Wunschdenken ausgelegt wird. Nordkorea als Atomstaat ist bereits seit zwei Jahren in der Verfassung verankert. Die jetzige Zustimmung zu Gesprächen wird auch als strategischer Schritt Kims gesehen, in den Augen des Auslandes als Nuklearstaat zu gelten. Sicher ist, Kim will mit Trump auf Augenhöhe verhandeln.
Nordkoreanische Forderungen
Kim hat für die Verhandlungen zwar die aus amerikanischer Sicht notwendigen Zugeständnisse gemacht. Doch für eine Einigung beider Seiten ist auch von Amerika viel gefordert. Nordkorea verlangt einen Friedensvertrag für den 1953 mit einem Waffenstillstand eingestellten Koreakrieg (1950–53). Für eine erfolgreiche Einigung fordert Pjöngjang auch die Einstellung der südkoreanisch-amerikanischen Militärmanöver, die Auflösung des Verteidigungsbündnisses Washington–Seoul sowie den Abzug der amerikanischen Truppen aus Südkorea. Ein wichtiger Punkt sind auch Sicherheitsgarantien.
Amerikanische Forderungen
Von Seiten der USA wird eine totale, unumkehrbare und verifizierbare Atomabrüstung gefordert. Das wird, auch aus innenpolitischen Gründen, für Nordkorea schwer zu erfüllen sein. Schon oft in den letzten zwei Jahrzehnten hat Pjöngjang gesagt, bereit zu sein, alle Atomwaffen aufzugeben, vorausgesetzt alle andern Atommächte täten dasselbe. Käme ein Trumpscher Deal dann tatsächlich zustande, würde das für Amerika auch enorm teuer. Das mausearme, heruntergewirtschaftete und von Sanktionen gebeutelte Nordkorea braucht dringend massive Aufbauhilfe.
Vorsicht
Auch für jahrzehntelange Nordkorea-Beobachter wie ihr Korrespondent kommt die Ankündigung eines Gipfeltreffens Kim–Trump völlig unerwartet. Sicher ist die Entwicklung zu begrüssen. Allerdings ist auch Vorsicht geboten. Beide Verhandlungsparteien misstrauen sich zutiefst. Nordkorea hat zudem eine lange Geschichte, Vereinbarungen zu brechen. Seit 1994 hat Pjöngjang[ vieles versprochen, wirtschaftlich viel dafür erhalten und nur wenig eingelöst. Kim Jong-un geht ein hohes Risiko ein. Er muss seinem Volk einen allfälligen Deal als vorteilhaft verkaufen. Es wird, wenn es denn überhaupt so weit kommt, interessant sein zu verfolgen, wie die bösen amerikanischen Imperialisten dann in einem neuen, friedlichen Zeitalter in der nordkoreanischen Propaganda dargestellt werden.
Risiko
Nicht weniger risikoreich wird der Gipfel für Präsident Trump. Nach den Verhandlungsphasen der Präsidenten Clinton und Bush und der «strategischen Geduld» von Präsident Obama hat nun Trump mit «strategischer Ungeduld» und «maximalem Druck» Verhandlungen erreicht. Trump sollte als Deal-Macher nicht unterschätzt werden, zumal er offenbar auf persönlicher Ebene grosse Talente hat. Mit Chinas Präsident Xi Jinping und Japans Premier Shinzo Abe pflegt er schon fast ein freundschaftliches Verhältnis. In einem Telephonat rühmte Xi bereits den «mutigen Schritt» von Trump. Sollte der Gipfel denn auch tatsächlich stattfinden, wäre dann aber ein Misserfolg, könnten die Konsequenzen fatal sein.
Aber Trump hat ja neben wüsten Beschimpfungen auch schon durchaus Nettes zum Fastfood liebenden Kim Jong-un gesagt. Er wolle, so vor einem Jahr, mit Kim Burger essen gehen und diskutieren. Wird es denn ein doppelter Burger mit Cheese, dann wäre Kim und Trump der Friedensnobelpreis gewiss