Bei den am Sonntag in Genf beginnden Friedensgesprächen handelt es sich nicht um wirkliche Friedensgespräche. Es geht darum, solche in Gang zu bringen.
Schon früher wollte man zusammenkommen. Doch da Exilpräsident Abd Rabbo Mansur al-Hadi sich weigerte, eine Delegation nach Genf zu schicken, platzte der Termin.
Das Sultanat Oman stellte sich dann als Vermittler zur Verfügung. Oman ist der einzige Golfstaat, der freundliche Beziehungen zu Iran unterhält. Iran unterstützt die Huthi-Rebellen.
In Muskat, der Hauptstadt Omans, kam es zu Vorverhandlungen, an denen sich auch die stellvertretende amerikanische Aussenministerin, Anne Patterson, beteiligte. Kurz zuvor hatte der iranische Aussenminister Muskat einen Besuch abgestattet. Die Omani sandten schliesslich mit saudischer Zustimmung Flugzeuge in die jemenitische Hauptstadt Sanaa, um dort eine Huthi-Delegation abzuholen.
Harte Haltung der Exilregierung
Die Kontakte in Oman führten schliesslich dazu, dass ein neuer Termin in Genf festgelegt werden konnte. Sieben Vertreter der Huthi-"Regierung", die Sanaa dominiert, und sieben der Exilregierung, die sich in Saudi-Arabien befindet, sollen sich nun nach Genf begeben.
Nachdem der Gesprächstermin festgesetzt wurde, nuancierte Exilpräsident al-Hadi seine Zusage. Jetzt erklärte er, in Genf werde nicht über einen Frieden verhandelt, sondern nur über die Erfüllung des Beschlusses 2216 des Sicherheitsrates vom vergangenen April. Darin wird gefordert, dass die Huthis "alle Gebiete" räumen sollen, die sie besetzt halten.
Getrennte Gespräche
Die Huthis haben ihrerseits angedeutet, sie könnten bereit sein, "einige" Territorien zu räumen, doch sie erklärten auch, die Gespräche fänden "ohne Vorbedingungen" statt.
In Genf sollen zuerst getrennte Gespräche stattfinden. Das heisst beide Delegationen befinden sich in getrennten Räumen. Eine Vermittlerdelegation pendelt zwischen ihnen hin und her. Ob es später zu direkten Gesprächen kommt, bleibt noch offen.
Was will Saudi-Arabien?
Riad erklärt, das Ziel der saudischen Bombenangriffe sei, al-Hadi nach Sanaa zurückzubringen. Seine Regierung soll wieder die Macht in Jemen übernehmen. Sollte Saudi-Arabien dieses Ziel nicht erreichen, würde dies ein Misserfolg bedeuten, um nicht zu sagen eine Niederlage oder Teilniederlage. Ein solcher Misserfolg hiesse, dass die Bombenangriffe nichts gebracht haben. Dies wäre vor allem für das neue saudische Regime unter König Salman und seinem neu eingesetzten Kronprinz und zweiten Thronfolger schmerzhaft.
Riad wird sich deshalb wohl unnachgiebig zeigen. Es wird al-Hadi, der ganz von Saudi-Arabien abhängt, auffordern, ebenfalls unnachgiebig zu bleiben. Ein Hinweis auf diese Unnachgiebigkeit ist, dass Saudi-Arabien seine Bombardierungen auch vor den Genfer Gesprächen nicht eingestellt hat. Seit dem 26. März dauern die Bombardements – mit einer einzigen Pause von fünf Tagen – ununterbrochen an.
Das Gesicht wahren
Jemen, ein Land mit 20 Millionen Einwohner, die Frieden unbedingt brauchen, drohen Opfer des saudischen Königs Salman zu werden, der unbedingt sein Gesicht wahren muss.
Die Lage in Jemen zeigt, dass keine der beiden Seiten den Krieg gewinnen kann. Die Bombenangriffe haben zwar den Huthis und den mit ihnen kämpfenden Teilen der jemenitischen Armee viel Schaden gebracht. Ihre schweren Waffen wurden weitgehend zerstört. Doch die Huthis zeigen sich unbeeindruckt. Sie suchen weiterhin, mit Artillerie, Raketen und Grenzüberfällen Saudi-Arabien zu demütigen. Mit ihren Angriffen auf die saudische Seite der Grenze demonstrieren sie ihren ungebrochenen Kampfwillen.
Trotzer aller Bombenangriffe konnten sie ihre Gebiete halten. Dies bis nach Aden hinab, wo in der Stadt nach wie vor um jede Strasse, um jedes Quartier gekämpft wird. Immerhin gelang es den Saudis mit ihren Bombardments, dass die Huthis nicht weitere Geländegewinne verzeichnen konnten.
Drohender Guerilla-Krieg
Die Huthi-Propaganda, die in der Hauptstadt Sanaa dominiert, spricht immer von „saudisch-amerikanischen“ Angriffen. So soll bei der Bevölkerung der Eindruck erweckt werden, die Huthis kämpften nicht nur gegen Saudi-Arabien, sondern auch gegen die amerikanische Weltmacht. Diese zu besiegen, so impliziert diese Propaganda, wird Sache eines zähen und langandauernden Guerillakrieges werden. Die Huthis demonstrieren, dass sie einen solchen Krieg mit all seinen zerstörerischen Folgen auf sich nehmen und durchstehen wollen.
Ein grosser Teil der Bevölkerung denkt anders. Deutlich wird dies in der zweitgrössten jemenitischen Stadt, in Taez. Dort leistet die sunnitische Bevölkerung den Huthi-Besetzern energischen Widerstand. Unterstützt werden die Sunniten von saudischen Kampfflugzeugen, die auch Zerstörungen anrichten.
Stammesfehden
Auch in Aden gibt es zähen Widerstand gegen die Huthis. Dort wird er von freiwilligen südarabischen Kämpfern unterstützt. Sie kämpfen um die Unabhängigkeit des südlichen Landesteils.
Es gibt auch eine "Stammesfront" in den Erdöl- und Wüstenprovinzen von Marib und Jawf. Die Saudis versuchen dort, Stammeskrieger gegen die Huthis zu mobilisieren. Doch offenbar nur mit vereinzelten Erfolgen. Andere Stämme und Stammesfraktionen halten zu den Huthis. Dies entspricht der Stammeskultur: eine jede Gruppe hat Feindesgruppen, gegenüber denen alte Stammesfehden bestehen. Allianzen lassen sich nur mit der einen oder der anderen Seite abschliessen.
Zusammenbruch des Staates
Offenbar will Saudi-Arabien keine Bodentruppen in Jemen engagieren. Riad hatte anfänglich versucht, pakistanische oder ägyptische Soldaten für den Krieg in Jemen zu mobilisieren. Dieses Vorhaben misslang. Laut Ansicht der meisten Experten wird es nicht möglich sein, ohne Bodentruppen die Huthis zu besiegen.
Die Bombardierungen werden weitere Zerstörungen anrichten. Der Staat bricht immer mehr zusammen. Die von Saudi-Arabien durchgesetzten Einfuhrsperren für lebenswichtige Güter führen dazu, dass die Hungersnot dramatische Folgen annimmt. Zunehmend fehlt es auch an Wasser. Trinkwasser wird in Jemen vielerorts aus dem Boden gepumpt. Da es wegen der Einfuhrsperren an Diesel fehlt, können die Pumpen nicht mehr in Betrieb gesetzt werden.
Doch die Huthis werden sich auf einen langen Guerillakrieg einstellen. Als Bewaffnete werden sie die letzten sein, die dem Hunger und Durst erliegen.
Zwickmühle für die Amerikaner
Auch den Amerikanern dürfte klargeworden sein, dass der Krieg und die Not in Jemen die Qaeda (AQAP, „Al-Qaeda auf der Arabischen Halbinsel“) und den „Islamischen Staat“ fördern.
Die USA versuchen deshalb, die Saudis zu bewegen, den Krieg zu beenden. Anderseits dürfen sie der neuen Mannschaft in Riad nicht das Gefühl vermitteln, sie würden sich von Saudi-Arabien abwenden und das Königreich, das sich im Konflikt mit Iran befindet, im Stich lassen.