«Wir lehnen die Wiederwahl des Verwaltungsrates ab», verkündete Dominique Biedermann, Direktor der Schweizer Anlagestiftung Ethos, nur wenige Tage vor der Generalversammlung, die am Mittwoch im Bieler Kongresshaus stattfand. Auch die amerikanische Stimmrechtsberater-Organisation ISS, die Schweizer Aktionärsgruppe Actares sowie die Zuger Vermögensverwalter Z-Capital übten scharfe Kritik an der Familie Hayek. Verurteilt wurde, dass Nick Hayek als Konzernchef auch Einsitz im Verwaltungsrat hat. Sie verweigerten die Entlastung, verlangten die Abwahl des Verwaltungsrates und dass die Mitglieder des obersten Gremiums einzeln gewählt werden. Swatch sei zudem die letzte der im SMI-Index berücksichtigten Gesellschaften, die sich weigere, eine konsultative Abstimmung zum Vergütungsbericht durchzuführen, so ein weiterer Vorwurf.
Sturm im Wasserglas
Nun, von Kritik, Opposition oder gar von aufständischer Atmosphäre war am Mittwoch nichts zu spüren. Die 2’657 anwesenden Aktionärinnen und Aktionäre vereinigten nahezu 80 Prozent aller Stimmrechte auf sich. Sie stellten sich geschlossen und begeistert mit anhaltendem Applaus hinter die Familie Hayek und die Swatch Group, indem sie sämtliche Vorlagen mit überwältigendem Mehr guthiessen. Der Verwaltungsrat wurde in corpore für weitere drei Jahre wiedergewählt. Er setzt sich wie bis dahin zusammen aus Nayla Hayek, Präsidentin, Nick Hayek, Delegierter, Esther Grether, Ernst Tanner, Jean-Pierre Roth, ehemaliger Präsident der Nationalbank und dem Astronauten Claude Nicollier.
Auf dem Planeten Swatch herrscht also Frieden und Eintracht. Das Aktionariat hat auch allen Grund, mit dem Unternehmen und dem Management sowie dem Verwaltungsrat zufrieden zu sein. Swatch wächst unaufhaltsam, und der grösste Uhrenhersteller der Welt überrascht Jahr für Jahr mit neuen Rekordzahlen. Der Umsatz war 2012 um 14 Prozent auf 8,14 Mrd. Franken angestiegen, der Betriebsgewinn um 22 Prozent auf knapp zwei Milliarden Franken. Zur Ausschüttung gelangt eine abermals erhöhte Dividende.
S’ Gleitwort vo dr Presidäntin
Die Swatch Group unterstreicht immer wieder die Bedeutung des Swiss made. Dabei geht es nicht nur um das Produkt, sondern Swatch verweist auch auf eine enge Verbundenheit mit der Schweiz und ihren Traditionen. Das Unternehmen sieht darin Werte, die für eine nachhaltige Entwicklung als massgebende Faktoren gelten.
Für spektakuläre und provokative Auftritte und Aktionen ist Swatch längstens bekannt. Eine Überraschung war die Veröffentlichung des Geschäftsberichtes 2012: «Eimaligi Dialäkt-Usgaab» ist auf der Titelseite rot aufgedruckt. Der Text ist ausschliesslich in Dialekt verfasst. Und an der Generalversammlung überraschte Nayla Hayek noch einmal, indem sie ihre Präsidialansprache auf Schweizerdeutsch hielt. «Mir wänd eusi schtarch Identifikation mit eusem Land und sine Wärt no meh underschtriche», erklärte sie und präzisierte: «Dezue ghöre Verlässlechkeit, die höchi Qualität i de Uusfüehrig, Intelligänz, aber hauptsächlech Villfalt, Eifachheit und Bescheideheit.»
Vom harmlosen Ding zum Welterfolg
Der 200seitige Geschäftsbericht, wohl ein Unikum in der schweizerischen Wirtschaft und bald ein begehrtes Sammlerobjekt – steht u.a. im Zeichen des dreissigsten Geburtstages der Swatch-Uhr. Dreissig Exemplare der legendären Zeitmesser lassen Fantasiereichtum, Einmaligkeit und die künstlerische Vermittlung von Zeit und Lebensphilosophie erkennen.
Nayla Hayek verwies auf die damaligen Krisenjahre und den Zusammenbruch der Asuag-Gruppe, in deren Tochtergesellschaft Eta in Grenchen die Swatch entwickelt worden war. Die damalige Markteinführung sei ein Flop gewesen, sagte Hayek. «D’ Schwiizer Uhrebarone vo der damohlige Ziit send zwar wenig begeischteret gsi, sich of das Gschäft mit gringem Prestige iizloh», bemerkte die Präsidentin. Ein externer Berater, der von den Banken berufen worden war, um einen Weg aus der katastrophalen Lage der damaligen Uhrenindustrie zu finden, erkannte in der Kunststoffuhr die Zukunftschance. Wer war dieser Visionär? «Euse Vater, de Nicolas Hayek», betonte die Tochter mit Stolz.
Vom Niedergang zum Aufstieg
Die Swatch wurde zum Welterfolg. Und mit dem unscheinbaren Billigprodukt gelang es Nicolas Hayek (1928 – 2010) damals, die am Abgrund stehende Uhrenindustrie aus einer verstaubten Vergangenheit herauszuholen. Er baute die heutige Gruppe auf, hervorgegangen aus den Pleite-Firmen Asuag und SSIH (Omega/Tissot). Swatch Group konnte letztes Jahr eine operative Marge von mehr als 25 Prozent erreichen. Die Eigenkapitalquote wird mit 83 Prozent ausgewiesen. In der Gruppe werden weltweit nahezu 30’000 Personen beschäftigt, davon mehr als die Hälfte in der Schweiz. Allein letztes Jahr wurden 1’500 neue Stellen geschaffen, davon 900 in der Schweiz. Das Unternehmen verfüge heute über eine Finanzkraft, die es erlaubt milliardenschwere Akquisitionen zu tätigen wie beispielweise das Schmuck- und Uhrenunternehmen Harry Winston zu Beginn dieses Jahres (Journal21 hatte berichtet).
Erst kürzlich hat Nayla Hayek die Leitung dieser neuen Gruppe persönlich übernommen. Swatch Group verfügt über ein Dutzend führende Uhrenmarken, von der Luxusmarke Breguet über Blancpain, Rado, Longines,Tissot, Certina bis zur Swatch, um nur diese zu nennen. Die Produktion findet ausschliesslich in der Schweiz statt, und die Herstellung der Bestandteile wird fast ausnahmslos in eigenen Betrieben hergestellt. Wie die oberste Swatch-Chefin an der GV bekannt gab, wurde letztes Jahr die Simon Membrez in Delemont erworben. Dieses Unternehmen, in der Uhrenhabillage tätig, sei mit seinen modernen Fertigungsanlagen ein echtes kleines Juwel, betonte Frau Hayek.
Der Erfolg der Gruppe ist globalisiert. Geographisch betrachtet, nimmt China heute bei den Verkaufskanälen eine wichtige Stellung ein. Nach wie vor sieht Swatch im oberen Preissegment ein beachtliches Potential. Eine Verlangsamung auf dem Uhrenmarkt wurde allerdings erkannt, und auch Nick Hayek rechnet nicht mehr mit zweistelligen Wachstumsraten. Der Optimismus ist jedoch ungebrochen. Diese Zuversicht kam auch an der letzten Weltuhrenmesse in Basel voll zum Ausdruck. Fast alle Aussteller der Baselworld meldeten am Schlusstag volle Auftragsbücher.