Man kann in Greta Thunberg in erster Linie einen Marketingerfolg sehen, auch wenn man nicht sagen kann, wer dahinter steckt. Das Ganze wirkt ein bisschen zu perfekt und zu glatt. Und scheinbar ganz Kluge fragen, ob die Freitagsdemonstrationen mehr sind als eine wunderbare Ausrede zum Schuleschwänzen. Aber so einfach ist es nicht.
Auch wenn die demonstrierenden Schülerinnen und Schüler keine eigenen Rezepte für die Bewältigung der Umweltmisere haben, bringen sie doch ein neues Element in die Dringlichkeit der Kursänderung ein. Denn sie diskreditieren gängige Phrasen. Und damit ist schon viel gewonnen.
Wenn man hört, was die Schülerin Clara Mayer dem VW-Chef Herbert Diess auf der Hauptversammlung von VW in Berlin am 14. Mai um die Ohren gehauen hat, erkennt man die neue Dimension. Denn die junge Aktivistin hat den Herren von der Vorstandsetage klar und deutlich gesagt, dass er und der ganze Konzern Heuchler sind, wenn sie von Null-Emissionen bis 2050 fabulieren, aber erst einmal ihr „Kerngeschäft“ mit SUVs betreiben. Diese seien, so Diess, der „Motor des Erfolgs“. Aber, so Diess weiter, Volkswagen sei für die Elektromobilität besser aufgestellt als der Wettbewerb.
Da habe sie aber lachen müssen, entgegnete Clara Mayer dem VW-Chef. Denn die ersten Länder würden bereits von 2025 an die Verbrennungsmotoren abschaffen: „Niedlich, dass Sie jetzt versuchen, hinterherzurennen.“
Die Auftritte der jungen Klimaaktivisten kann man allzu idealistisch finden. Aber wer so denkt, hat die politischen Lektionen der vergangenen Jahrzehnte nicht verstanden. Denn am Anfang grosser gesellschaftlicher Umwälzungen standen immer Worte, die – zum Teil in Lieder gekleidet – zunächst völlig utopisch erschienen: Martin Luther Kings „Dream“, die Songs der amerikanischen Friedensbewegung, der Aufstand in der DDR mit der Parole: „Wir sind das Volk“, und im Westen seit den 80er Jahren: „Schutz der Umwelt“: Das, worauf wenigstens Teile unserer Gesellschaft heute stolz sind, waren am Anfang nicht mehr als Leitsätze von Gruppen, die es wagten, damit einen Blick in eine bessere Zukunft zu werfen.
Die jungen Aktivisten haben die „Zukunft“ zu ihrer Parole gemacht. Besser können sie sich nicht von dem Trick der Politiker und Wirtschaftsbosse absetzen, sich auf die ambitioniertesten Ziele dadurch zu einigen, indem man sie nur weit genug in die Zukunft verlegt. Als Herbert Diess wieder von 2050 anfing, fuhr ihn Clara Mayer an: „Das ist fast doppelt so lange, wie ich gelebt habe. Ist das Ihre Vorstellung von radikalem Wandel?“
Die jungen Leute haben eine wichtige Aufgabe: Sie müssen den Alten buchstäblich in ihre rhetorischen Hintern treten. Am Anfang jeder wichtigen gesellschaftlichen Veränderung steht das treffende Wort.