In den 1930er Jahren wurde es dunkel über Europa. Für viele Schauspieler, Musiker und Schriftsteller war es höchste Zeit, Deutschland zu verlassen, um ins Exil zu gehen. Das Schauspielhaus Zürich wurde zum Zufluchtsort für die wichtigsten Schauspieler jener Zeit und zum Zentrum des deutschsprachigen Theaters. Allerdings: Ferdinand Rieser, der das Schauspielhaus damals als private Bühne geleitet hatte, emigrierte in die USA und verkaufte das Theater.
Was daraufhin folgte, wird in den Annalen des Zürcher Schauspielhauses folgendermassen zusammengefasst: „Um das Theater mit seinem Ensemble vor dem sicheren Untergang zu retten, wurde eine einmalige Aktion gestartet. Auf Initiative des Verlegers Emil Oprecht, des Dramaturgen Kurt Hirschfeld und unter der couragierten Unterstützung des damaligen sozialdemokratischen Stadtpräsidenten Emil Klöti wurde die ‘Neue Schauspiel AG’ ins Leben gerufen.“
Theaterbetrieb in Kriegszeiten gerettet
Peter Löffler, der ende der wilden 60er Jahre Direktor war, Peter Stein nach Zürich holte und nach kurzer Zeit und lautem Tumult entlassen wurde, schrieb über die Anfänge des Schauspielhauses lapidar und pointiert: „Es war eine Gründung der Sozialdemokratie mit dem Kapital liberaler Bürger.“
Der Theaterbetrieb war also gerettet. Entstanden war aber eine Situation, die neben denkwürdigen Theaterabenden auch finanzielle Probleme mit sich brachte. Denn der Zustrom des Publikums hielt sich angesichts der bedrohlichen politischen Lage in Grenzen. Das heisst, in der Kasse fehlte das Geld, um den emigrierten Künstlern den Lebensunterhalt zu sichern.
Das änderte sich kurz vor der Generalmobilmachung, denn da kam die Idee einer „Gesellschaft der Freunde des Schauspielhauses“ auf. Am 10. Dezember 1940 wird im Verwaltungsratsprotokoll des Schauspielhauses erwähnt, dass die „Freunde des Schauspielhauses“ bereits während des Sommers Geld gesammelt hatten, um dem Personal des Theaters fünfzig Prozent der kriegsbedingten Abzüge zurückzuerstatten.
Dank eines Wohltätigkeitsfestes im Grand Hotel Dolder kamen fünftausend Franken zusammen, die in den Unterstützungsfond flossen. Die Schauspieler erhielten damals etwa fünfhundert Franken im Monat, dies zehnmal im Jahr. Die zehnte Gage war dabei eine Errungenschaft, an der die „Freunde des Schauspielhauses“ massgeblich beteiligt waren.
75 Jahre Freunde des Schauspielhauses
75 Jahre ist es her, seit die „Freunde des Schauspielhauses“ zusammenlegten, um in diesen turbulenten Zeiten den wichtigsten Theaterleuten jener Zeit finanziell beizustehen. Und es gibt sie immer noch, diese Freunde. Gut zweihundert sind es inzwischen, und einige von ihnen sind Nachkommen der Gründungsmitglieder in zweiter oder dritter Generation.
Eine neue Präsidentin gibt es auch. Nicole Müller heisst sie, ist Autorin und kommt aus Basel. „Ja, genau wie Barbara Frey, die Intendantin“, lacht sie. “Sie kommt auch aus Basel. Aber für mich ist es faszinierend, hier dabei zu sein, weil die ‚Freunde des Schauspielhaues‘ ein ganz positives Stück Zürcher Geschichte repräsentieren.“ Eigentlich habe man gar nicht so recht gewusst, ob man diesen 75. Geburtstag feiern solle, sagt sie. Dann liess man aber das Fest doch steigen: im Schiffbau, mit der Vergabe der Goldenen Maske, mit einer Gedenktafel und mit launigen Reden.
Zum Überleben der Schauspieler braucht es heute die „Gesellschaft der Freunde des Schauspielhauses“ nicht mehr. Aber eine Stütze des Hauses sind sie dennoch. „Pro Jahr unterstützen wir eine Aufführung mit 50‘000 CHF“, sagt Nicole Müller. In dieser Spielzeit ist es „Andorra“. „Das Theater hat es grundsätzlich eher schwer, Sponsoren zu finden, denn sobald Kultur an Sprache gebunden ist, ist sie viel weniger bekömmlich, als wenn Musik im Spiel ist“, sagt Nicole Müller. Deshalb seien solche Zuschüsse, wie von den „Freunden des Schauspielhauses“, nach wie vor wichtig. „Man muss auch sehen, dass die Kulturszene breiter und fragmentierter ist als früher. Die vorhandenen öffentlichen Gelder gehen an mehr Institutionen.“
Die „Goldene Maske“
Nicole Müller hat sich deshalb als Präsidentin ein Ziel gesetzt: „Wir möchten den Verein vitalisieren, wir wollen mehr Mitglieder bekommen und möglichst auch Jüngere zuziehen.“ Mehr Mitglieder, das heisst dann auch mehr Geld fürs Schauspielhaus. Gleichzeitig ermöglichen die „Freunde des Schauspielhauses“ ihren Mitgliedern auch einen Blick hinter die Kulissen, den Theaterinteressierte sonst nicht so ohne weiteres bekommen. Und Nicole Müller schwärmt selbst davon, wie spannend es doch sei, wenn man während den Proben am Schaffensprozess einer Aufführung teilhaben kann. „Nur bei uns ist es möglich, manchmal auch ‚Testpublikum‘ zu sein. Intendantin Barbara Frey oder ein anderer Autor oder Regisseur besucht uns ab und zu und erzählt von der Arbeit.“
Und dann gibt es die „Goldene Maske“, eine Auszeichnung, die die „Freunde des Schauspielhauses“ jedes Jahr an eine Persönlichkeit auf der Bühne und an eine zweite hinter der Bühne verleiht. Seit fast zwanzig Jahren mittlerweile. Der Erste, der 1996 eine Goldene Maske erhielt, war Werner Düggelin. Dieses Jahr wurden die Schauspielerin Isabelle Menke und Tonmeister Christoph Finé Renfer mit einer Goldenen Maske geehrt.
Für Nicole Müller sind solche Anlässe wichtig. „Ich habe das Gefühl, dass das Feuilleton in den Zeitungen immer mehr auf eine Daumen-hoch-und-Daumen-runter-Kultur hinausläuft. Das ist für die Kulturschaffenden recht hart, solcher Kritik ausgesetzt zu sein. Wir verstehen uns deshalb auch als Gremium, das eine Gegenposition einnimmt: Wir wollen primär unsere Wertschätzung zeigen. Das braucht es auch. Man schätzt oft viel zu wenig, was Schauspieler hier bei uns machen. Da wird auf den Oscar geschielt, dabei haben ein Christoph Walz oder ein Anatole Taubmann früher am Schauspielhaus gespielt.“
Ein „Walk of fame“ ist es nicht gerade, aber im Foyer des Schiffbaus gibt es jetzt eine Tafel, auf der die Gewinner der Goldenen Maske namentlich verewigt sind.