Auch auf der Opernbühne gibt der Teufel gern ein Stelldichein. Zumal, wenn er dabei eine einigermassen gute Figur macht. Etwa als Mephisto und überall, wo er nicht nur als schlechter Verlierer dasteht.
Satanologie als einen Zweig der Theologie zu betrachten, ist nicht unumstritten. Irgendwie gehört der Teufel jedoch als rebellischer Engel zum göttlichen Heilsplan. Die Kulturgeschichte hat den Teufel als Verkörperung des Bösen unter vielen Namen in Erinnerung und in Ehren gehalten. So konnte es nicht ausbleiben, dass auch die Oper ihn entdeckte als der Verantwortliche dafür, dass unter Menschen auch die «Blumen des Bösen» aufblühen.
Gerade die Zeit der Romantik hatte einen Hang zu dunklen und abgründigen Angelegenheiten. Vor allem mit Helden in männlichen und weiblichen Gestalten, die sich lieber der Hölle als dem Himmel anvertrauten und verschrieben. Wie etwa Shakespeares «Macbeth» oder Jago aus seinem «Othello», wahre Inkarnationen des Teuflisch-Dämonischen. Dass man sich in die Hand des Teufels begeben kann, ohne am Ende mit diesem in die Hölle fahren zu müssen, wissen wir aus der ersten wirklichen «grand opéra» von Giacomo Meyerbeer «Robert le diable», die 1831 in Paris auf die Bühne kam und den Ruhm dieses Komponisten massgeblich prägte.
In der Normandie und in Sizilien
Die Geschichte spielt im Mittelalter und erzählt von einer Herzogin aus der Normandie, die sich mit dem Teufel einlässt und mit ihm einen Sohn auf die Welt bringt. Dieser Richard ist dann auch eine richtige Teufelsbrut, ein Tunichtgut, der von seinen Landsleuten ausser Landes getrieben wird. Er landet dann in Sizilien – in der Glanzzeit der Normannen dort – und verliebt sich in die Königstocher Isabella. Der Teufel hat ein weltweit reichendes Auge und erscheint nun dort, obwohl er Richards Vater ist, als ein Mann, der sich als Richards Freund und Beschützer unter dem Namen Bertram ausgibt. Er versucht nun alles, den eigenen Sohn zu einem Höllenbewohner zu machen und für sich zu gewinnen.
Es wird ihm nicht gelingen. Denn am Ende dieser Operngeschichte wird sich die Erde öffnen und Bertram in den Abgrund verschlingen, während der Teufelssohn Richard im Dom von Palermo mit Isabelle, der Tochter des Königs zusammenfinden und Hochzeit feiern darf. Es ist das Glück derjenigen, die dem Teufel und seinem Gefolge am Ende ihres Kampfes doch noch vom Karren zu springen vermögen.
Meyerbeer hat in diesem Werk aber auch geradezu ein Wunderwerk operistischer Kunst geschaffen. Sein bester französischer Operndramalieferant Eugène Scribe – mit Unterstützung des Prosa in Verse verwandelnden Germain Delavigne – hat ihm das geboten, was ein Komponist brauchte, um bisher ganz und gar Ungehörtes auf die Bühne zu bringen. Das Werk hat zwei grosse Männerrollen: Robert (Tenor) und Bertram (Bass) und zwei nicht weniger herausfordernde Frauenpartien: die sizilianische Königstocher Isabella (Sopran) und Roberts normannische Stiefschwester Alice (auch ein hoher Sopran). Neben den einzelnen Arien gibt es ebenso packende Chorszenen, ja sogar – was man in Paris nicht missen wollte – eine Balletteinlage im 3. Akt, die zu den skurrilsten gehört, die je komponiert und choreografiert wurden.
Das Nonnenballett
Wir sind in der Totengruft eines Klosters, wo die verstorbenen Nonnen in den Steinsärgen liegen. Unter den Gräbern sticht das der heiligen Rosalie hervor, weil diese in ihren Händen einen immergrünen Zypressenzweig hält. Roberts Auftrag ist es, diesen Zweig zu entwenden, um damit die Herrschaft über das Reich der Lebenden und der Toten sowie die Unsterblichkeit zu gewinnen. Den in der Gruft erscheinenden Robert versuchen die den Gräbern entstiegenen Nonnen dreifach zu verführen: durch ein den Verstand benebelndes Getränk, durch ablenkende Würfelspiele, schliesslich noch durch erotische Liebesspiele. Robert erlebt ein wildes Bacchanal, bevor er sich in den Besitz des Talisman-artigen Zweigs bringt. Dieses Ballett Meyerbeers mit seinem erotischen Taumel ist das Vorbild für jenes, das wir später im Venusberg von Wagners «Tannhäuser», zumal in der Pariser Fassung (1861), zu hören bekommen werden.
Wir hören hier den Schluss des 3. Aktes, in dem man glaubt, Bertram und die im Totengewand herumgeisternden Nonnen hätten ihr Spiel zum Schaden Roberts gewonnen. «Er gehört uns! Eilt alle herbei! Geister, Dämonen, wir triumphieren.» Aber die Hölle hat im Bunde mit dem Reich der Toten die Rechnung ohne den längeren Arm des Guten gemacht. Am Ende sind es die Werke der guten Taten und Intentionen von Isabella und Alice, die den Teufelssohn Robert aus den Fängen seines Vaters erretten.
In historischer Betrachtung ist diese Oper eine der erfolgreichsten französischen Bühnenwerke aller Zeiten. Erst das 20. Jahrhundert hat dann die Massstäbe für die Beurteilung der «grossen französischen Oper à la Meyerbeer» neu justiert. In den vergangenen 20 Jahren allerdings hat man die Qualitäten von Meyerbeer nicht nur in Paris neu entdeckt, sondern auch in Berlin, London und New York. Inzwischen gehören seine Meisterstücke wie «Die Hugenotten», «Der Prophet» oder «Die Afrikanerin» zum festen Repertoire der führenden Opernhäuser der Welt.
Allerdings bleibt die Frage, ob die ins Grandiose aufgeplusterte Opernform «grand opéra» das Allerhöchste ist, was man in der Kunst des Musiktheaters erreichen kann. Natürlich: Wenn die grossen Theater alle ihre personellen, visuellen, technischen und bühneneffizient einsetzbaren Möglichkeiten auffahren, bleibt die Erfahrung des Staunens und Überwältigtseins nicht aus. Manchmal möchte man aber gerade auch da, während so viel Pracht und Prunk auf der Bühne abläuft, die Augen schliessen und nur noch den Stimmen und den Instrumenten seine Aufmerksamkeit schenken. Das ist ja auch nicht verboten. Opernmusik hat auch in den opulentesten Inszenierungen noch Anrecht auf ein unsichtbar weiterwirkendes Innenleben.
Unsere Produktion aus dem Jahr 2000 stammt aus der Staatsoper von Berlin. Robert wird gesungen vom Tenor Jianyi Zhang, der teuflische Bertram vom Bassisten Kwangchui Youn, Chor und Orchester der Berliner Staatsoper stehen unter der Leitung von Marc Minkowski.