Die Finanzmärkte schlagen Kapriolen, in EU-Mitgliedsstaaten wie Griechenland sind die Schulden ausser Kontrolle, viele Anleger flüchten in die Schweizer Währung und machen den Franken dadurch härter und härter.
Man muss keine grosse Ökonomin sein, um zu erkennen, dass die aktuellen Probleme eine Spätfolge der Finanzkrise 2007/2008 sind, welche aus den USA kommend die ganze Welt in Brand steckte. Wir in der Schweiz haben diese Krise zwar glimpflich überstanden, büssen jetzt aber mit einem starken Franken für unsere Stabilität.
Die Exportwirtschaft und der Tourismus klagen über hohe Währungsverluste. Für 2012 prognostizieren uns die Kaffeesatzleser der Wirtschaft schwierige Zeiten. Und der Bundesrat will nun mit deftigen Finanzspritzen die Exportwirtschaft aufpäppeln. Die neoliberale Politik mit Privatisierungen, Deregulierungen und dem Kaputtsparen des Staaten hat die Weltwirtschaft und viele Staaten mit der letzten Finanzkrise an den Rand des Kollaps gebracht. Sie hat uns Finanz- Wirtschafts-, Klima-, Energie-, Ressourcenkrise und Nahrungsmittelkrise eingebrockt. Natürlich sollen und müssen die Arbeitsplätze in der Schweiz erhalten bleiben.
Müsste man die aktuelle Währungskrise aber nicht auch als Chance sehen, unsere Wirtschaft endlich auf mehr Nachhaltigkeit zu trimmen? Wäre unsere Exportindustrie nicht besser gewappnet gegen die Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten, wenn sie die vorhandenen Ressourcen effizienter nutzen würden? Das wichtigste Merkmal des technologischen Fortschrittes der letzten 100 Jahre war die Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Dieses Modell hat meines Erachtens ausgedient. Wir leben heute in einem Zeitalter, wo der Klimawandel und die knapper werdenden Ressourcen die Existenz vieler Menschen und ihrer Nachfahren gefährdet. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf – im nationalen wie im internationalen Vergleich. Eine Milliarde Menschen bleiben bis heute in der Armutsfalle gefangen.
Das betrifft vor allem afrikanische Staaten südlich der Sahara. In Zukunft darf darum nicht mehr die Arbeitsproduktivität unser Leitmotiv sein, sondern die Ressourcenproduktivität. Die Grünen haben hier einen gangbaren Weg aufgezeigt und diesen in der Volksinitiative „Für eine grüne Wirtschaft“ konkretisiert. Die Initiative will die heutige Wegwerfwirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft umbauen. Sie verlangt auch ökologische Kriterien für das öffentliche Beschaffungswesen und positive steuerliche Anreize für umweltfreundliche Unternehmen. Die Initiative schafft auch eine Grundlage für mehr Ressourcengerechtigkeit.
Indem wir nachhaltig produzieren, verbrauchen wir weniger. Alle Menschen haben das gleiche Recht auf Entwicklung. Wir brauchen neue Vorschriften für Prozesse, Produkte und Abfälle. Gleichzeitig braucht es steuerliche und finanzielle Massnahmen, Anreizsysteme und Lenkungsabgaben. Für viele bürgerliche Politikerinnen und Politiker sind schärfere Regeln im Umweltbereich ein rotes Tuch. Auf den Entscheid des Nationalrates, aus der gefährlichen Atomenergie auszusteigen, folgte ein Entscheid der gleichen Kammer, das Einspracherecht der Umweltverbände einzuschränken.
Immerhin hat der Nationalrat aber auch den Ersatz der Elektroheizungen sowie Effizienzstandards für elektrische Geräte beschlossen. Auch in unserem Lande setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass eine anspruchsvolle Umweltregulierung immer auch ein Modernisierungsmotor und ein wichtiger Faktor im Wettbewerb für Innovationen ist. Das Top-Runner Prinzip ist eines von vielen Beispielen für eine innovationsfreundliche Regulierung. Es bedeutet, dass die effizientesten Geräte und Abläufe durch regelmässige Überprüfungen ermittelt und als Standard festgelegt werden.
Bei der Sanierung von Häusern müssen beispielsweise die Best Pratice im Umweltbereich Anwendung finden. Das bringt nicht nur dem Klima etwas, sondern auch den Konsumentinnen und Konsumenten, sie sparen Stromkosten. Der Wirtschaft bringt es neue Tätigkeitsbereiche, neue Berufsbilder, neue Jobs, neue Ideen. In Deutschland ist die Zahl der neuen Patente explodiert, nach der Einführung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Die Erhöhung der kostendeckenden Einspeisevergütung für erneuerbare Energien (KEV) in der Schweiz wird auch hierzulande eine Flut von Neuerungen auslösen. Davon bin ich überzeugt. Schon heute ist die KEV eine Erfolgsgeschichte.
Die Schweiz könnte ein Pionierstaat werden für eine grüne Wirtschaft. Wir könnten zu einem Lead-market für grüne Technologien werden. Warum sollte uns nicht gelingen, was Finnland im Bereich der Mobil-Telephonie gelang? Ich bin überzeugt, dass es im internationalen Wettbewerb von ausschlaggebender Bedeutung sein wird, inwiefern es uns gelingt, die Ressourcenproduktivität in Zukunft zu erhöhen. Die Zeit des billigen Öl, auf dem die Entwicklung der westlichen Industriestaaten seit über 100 Jahren fusst, ist endgültig vorbei. Weil die Reserven schrumpfen. Und weil wir mit fossilen Energieträgern das Klima belasten.
Wir haben im Juni 2008 erlebt, in welche Schwierigkeiten wir geraten, wenn das Barrel Rohöl plötzlich auf 140 Dollar hochschnellt. Dies hat die Finanz- und Wirtschaftskrise zusätzlich verschärft. Wir können uns aus der Geiselhaft des Öl befreien, wenn wir in Zukunft in grossem Stil Investitionen in eine grüne Wirtschaft tätigen. Die Volksinitiative für eine grüne Wirtschaft will einen grundlegenden Kurswechsel. Dieser Umbau der Wirtschaft ist ein realistisches Konzept. Und diesen Umbau müssen wir mit voller Kraft vorantreiben.
Franziska Teuscher, Nationalrätin, Vizepräsidentin Grüne Schweiz www.franziskateuscher.ch