«Der in seinem authentischen Einzelgängertum sehr schweizerische Künstler» – so charakterisiert ihn die Berner Kunstgeschichtsprofessorin Anne Krauter – wurde 1930 im bernischen Mörigen geboren und gehört zu den bedeutendsten Schweizer Malern der letzten fünfzig Jahre. Er hat sein eigenes Museum in Burgdorf und war an der Documenta 5 in Kassel sowie in Venedig an den Biennalen 1999 und 2003 vertreten.
Seine monumentalen Formate, jedes circa 2,5 mal 4 Meter, passen gut in das lichterfüllte Museum. Frieder Burda: «Die Ein- und Ausblicke, die die Architektur Richard Meiers bietet, verstärken die Wahrnehmung vom fliessenden Übergang von innen nach aussen zusätzlich. Verhältnismässig wenige, aber monumentale Werke füllen das Haus mit ihrer Strahlkraft vollständig aus.»
Zu sehen sind drei Frühwerke aus den siebziger Jahren, seine bekannten übergrossen Frauenportraits in Mal- und Holzschnittechnik, sowie ein Selbstportrait in seiner fotorealistischen Malerei aus den achtziger Jahren. Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden aber neuere Arbeiten wie seine Naturbilder der vier Jahreszeiten und das erst dieses Jahr fertiggestellte Triptychon «Guadeloupe».
Gertsch: «Es ist mir erst in den letzten Jahren so richtig bewusst geworden, dass sich mein Werk in Zyklen aufbaut. Nach der Arbeit am Selbstbildnis, das eine harte Auseinandersetzung mit meinem Gesicht bedeutete, scheine ich von männlichen Charakterbildern genug gehabt zu haben, und ich wandte mich den ruhigeren Gesichtslandschaften junger Frauen zu. Ich fand, um meiner Vision von Gesichtslandschaften nahe zu kommen, dass das menschliche Antlitz im Zustand junger Frauen am geeignetsten ist. Die Charakterzüge sind verhalten und geheimnisvoll und vom Alter noch nicht gezeichnet.»
Das akribische Zeichnen und Malen an einem Bild, das er als Photo auf eine Leinwand projiziert und dann nachmalt, dauert durchschnittlich ein Jahr. Währenddessen steht und sitzt Gertsch täglich mehrere Stunden allein vor seiner Leinwand und arbeitet. Gertsch: «Das erste Tagwerk ist für das ganze Bild bestimmend. Darum muss ich sehr wohl eine Stelle auswählen, die den Klang des Bildes anstimmt und zum Weitermalen verführt.» Und dies tut er laut Anne Krauter «als versierter Vollblutmaler, der präzise seine Farbwerte setzt».
Dass daraus Schönheit entsteht, ist für Gertsch fundamental. «Ich habe mich der Schönheit verschrieben, weil die Darstellung des Schönen sich durch die Malerei, die nur schön sein kann, wenn sie gut ist, potenziert.» Gut, das heisst mit grösster Sorgfalt und souveräner Technik ausgeführt, sind auch seine monochromen Holzschnitte, gedruckt auf grossen Bogen in Japan geschöpften Papiers, auf denen die Frauenportraits nur noch zu ahnen sind und so eine mystische Dimension bekommen.
Seine Motive haben sich nun in einer Art Alterswerk von den Menschen der Natur zugewandt. Vielleicht spielt jetzt der Faktor Zeit eine Rolle, wie auch das Vergehen und neu Entstehen der Natur. Seine der Umgebung um sein Haus nachgebildeten Naturansichten im Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter füllen und prägen den Hauptraum des Museums zusammen mit dem ebenfalls naturbestimmten «Guadeloupe»-Triptychon.
Seine Malweise ist nicht mehr photorealistisch wie bei den Portraits, sondern trägt pointillistische, impressionistische Züge. Man ist quasi in den Bildern, in den Landschaften drin, wenn man sie betrachtet. Der Ausstellungsmacher Harald Szeemann hatte geschrieben, Franz Gertsch sei für die Romantiker zu realistisch, für die Realisten zu romantisch. Sicher spielt bei Gertsch eine grosse Empatie für seine Sujets, bei hoher Qualität in der Umsetzung, stark mit. Doch sind dies Qualitäten, die man sich bei einigen modernen Künstlern wünschen möchte.