Aus Kairouan vertriebene Araber und muslimische Asylsucher aus Andalusien gründeten Anfang des 9. Jahrhunderts die Stadt Fès. Sie schwang sich schnell zur ersten Stadt Nordafrikas auf, seinem geistigen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zentrum. Und auch später blieb Fès die ranghöchste unter den marokkanischen Königsstädten.
Die Stadt hat keine römische Vergangenheit, die ihr einen geometrisch-rationalen urbanistischen Raster hätte aufdrängen können. Hofhäuser sind die Zellen; labyrinthisch, ja chaotisch sind sie zum lebendigen Organismus zusammengefügt. Freilich gerät man aus der privaten Kleinräumigkeit unversehens ins Grosse und Öffentliche. Die Kairaouine-Moschee, gestiftet 857 von einer Asylsuchenden aus Kairouan,, war nach ihrem Endausbau im l4. Jahrhundert mit 16 Säulenhallen die grösste in Nordafrika; als Sitz der weltweit ältesten Universität zog sie von weit her Lehrer und Studenten an, zuzeiten zählte sie deren 8000.
Das In- und Durcheinnder von Beten und Studieren, von Wohn- und Arbeitsstätten, von Markt und Moschee definiert die islamische Stadt, Als deren Inbegriff kam Fès 1981 auf die Liste des Welterbes. Hugo von Hofmannsthal hat die Altstadt von Fès mit einer Lieblingsfrucht des Basars verglichen: „So vielgehäusig und geschlossen und ausgangslos, als wäre man ins Innere eines Granatapfels geraten.“ Zunehmend wird freilich dieser Granatapfel wurmstichig. Mit Gässchen, die sich bis auf einen halben Meter verengen, wäre Fès eigentlich notgedrungen autofrei – ein Albtraum für Feuerwehr, Ambulanz und Abfallentsorgung.
Die Stadtverwaltung hat dem Welterbekomitee wenigstens ein Netz von 1,7 m breiten Notfall-Routen abgetrotzt, die Eingriffe am Erdgeschoss von lediglich einigen Dutzend Häusern erfordern. Aber was auch immer: die Stadt, die von Zuzügern aus dem Umland - ohne Mittel und Willen zur Erhaltung der Bausubstanz - überrannt wird, platzt aus allen Nähten. – Jahr des Flugbilds: 1982 (Copyright Georg Gerster/Keystone)