Roger Bernheim, 1925 in Bern geboren, hat als Journalist kürzer oder länger in vielen Ländern gearbeitet und Erfahrungen gesammelt. Er war NZZ-Korrespondent in Indien, Südamerika, der früheren Sowjetunion und in London, unternahm ausgedehnte Reisen durch die USA, verlegte noch im hohen Alter während einer Reihe von Jahren seinen Winterwohnsitz von London nach der altneuen deutschen Hauptstadt Berlin, wo er philosophische Seminare besuchte. In der Türkei begann er ernsthaft türkisch zu lernen.
Als ich ihn vor vier Jahren anfragte, ob er gelegentliche Beiträge für «Journal 21» schreiben würde, zeigte er sofort Interesse. Wir stellten uns vor, dass er über bestimmte politische oder kulturelle Ereignisse im Umfeld seines gerade aktuellen Wohnsitzes berichten werde. Oder wir rechneten mit weltpolitischen Betrachtungen, geschöpft aus den Tiefen des Erfahrungsschatzes seiner langjährigen Korrespondententätigkeit aus verschiedenen Kontinenten.
Doch Bernheim überraschte seine Leser mit neuen Themenfeldern. Er schrieb für «Journal 21» hochinteressante, von offenem Geist, weitgespannter Lektüre, Altersweisheit, wacher Neugierde, leiser Melancholie und journalistischer Prägnanz durchtränkte Abhandlungen über die sogenannten ewigen Fragen wie Tod und Religion, den Sinn des Lebens, die Vergänglichkeit und über manche diesbezüglichen Ratschläge der grossen Philosophen von den Vorsokratikern bis Kant.
Es ergäbe nur einen schwachen Abglanz, wollte man die Inhalte dieser geschliffenen Denkstücke näher beschreiben. Wer sich dafür interessiert, dem seien die Originaltexte empfohlen. Man findet sie leicht unter der Suchfunktion von «Journal 21» unter dem Stichwort «Roger Bernheim».
Nur in einem Fall hat Roger Bernheim für «Journal 21» zu einem konkreten politischen Ereignis noch einmal tiefer in die Tasten gegriffen. Das war vor einem Jahr beim Tod der früheren britischen Regierungschefin Margret Thatcher. Er hatte in London Aufstieg, Erfolge und Entmachtung der «Eisernen Lady» mit allen Facetten und Peripetien beobachtet und beschrieben. Wer seinen Nachruf liest, merkt sofort: Da schreibt ein souveräner Kenner eines komplexen politisch-sozialen Phänomens.
Jeden Sommer ist Roger Bernheim für einige Wochen von London in die Schweiz gekommen, um mit alten Freunden in den Bergen zu wandern, um Kollegen und Bekannte zu treffen. Im vergangenen Jahr sind wir mit ihm einen langen Sommerabend lang in einem Gartenrestaurant des Zürcher Niederdorfs zusammengesessen. Er sprach ein markantes Berndeutsch, und es ging, wie so oft bei Gesprächen mit ihm, vergnüglich, kontrovers und nachdenklich um Gott und die Welt, um Bücher, Medientratsch, Anekdotisches, Familiäres und Menschlich-Allzumenschliches. Über seine Krebserkrankung, mit der er viele Jahre lang kämpfte, sprach er nur beiläufig. Viele, die ihn gekannt haben, werden seine Stimme vermissen – und manche Leser seine journalistische Handschrift.
Reinhard Meier