Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SiK-N) hat bereits vor zehn Tagen den Daumen nach oben gedreht und mit 13 zu 8 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) empfohlen, die vom Bundesrat geplante Änderung der Kriegsmaterialverordnung zur Anpassung der Exportbewilligungskriterien weiterzuverfolgen.
Es gehe darum, dass die Schweiz eine an die Bedürfnisse ihrer Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität aufrechterhalte. Dies sei ein im Kriegsmaterialgesetz festgeschriebener Grundsatz. Die Anpassung sei auch für die Sicherheit der Schweizer Bürgerinnen und Bürger massgeblich.
Die Waffenindustrie ihrerseits argumentiert mit den rückläufigen Exporten in den letzten Jahren, einer entsprechend angespannten wirtschaftlichen Lage und mit der Tatsache, dass die Schweiz über strengere Waffenexportbestimmungen als die EU verfüge.
Patriotisch und herzerwärmend
Das an sich einleuchtende Argument einer intakten einheimischen Waffenindustrie, um im Krisenfall vom Ausland unabhängig zu sein: es tönt patriotisch und ist herzerwärmend. Aber es ist eine reine Lüge. Denn die Fakten zeigen auf, dass die Schweiz schon lange nicht mehr unabhängig ist und das Funktionieren unserer Waffensysteme weitestgehend vom Wohlwollen ausländischer Mächte abhängen:
Die USA kontrollieren weltweit das GPS-Signal. Wir nutzen die zivile Version im Smartphone, für die Navigation. Das militärische GPS-Signal ist jedoch viel präziser als das zivile. Der Code wird von den USA «Friendly Usern» zur Verfügung gestellt. Die F/A-18 Kampfjets und Helikopter der Super-Puma und Cougar-Klasse und die Eurocopter der Schweizer Luftwaffe sind damit ausgerüstet. Ob auch die Aufklärungsdrohne oder das integrierte Artillerie Führungs- und Feuerleitsystem INTAFF damit ausgerüstet sind, ist nicht bekannt. Ohne dieses Super-GPS hätten diese Systeme nur das zivile GPS und wären damit im Ernstfall weitgehend chancenlos. Auch die Software-Updates der F/A-18 und vor allem auch derer Lenkwaffe Amraam werden von den USA vergeben.
Jetzt kommt’s: Die periodisch ausgeführten Updates erfolgen einzig und allein unter Kontrolle der USA. Kein Schweizer kennt die Codes. Diese sind geheim. Die Lenkwaffen der F/A-18 müssen dazu sogar in die USA geschickt werden. Das Funktionieren der Schweizer Luftwaffe und vermutlich weiterer zentraler Waffensysteme ist von der Gunst einer ausländischen Militärmacht abhängig. Zu 100%. (Quelle: Artikel von Stefan Schmid in der Nordwestschweiz vom 13.8.2015)
SIG steht für «Schweizerischen Industrie Gesellschaft». Das Unternehmen wurde 1853 als «Schweizerische Waggon Fabrik bei Schaffhausen» gegründet. 1860 begann die Waffenfertigung. In den 1970er Jahren wurde die Sauer & Sohn GmbH in Eckernförde übernommen. 2000 verkaufte SIG den Bereich «Handfeuerwaffen» an die deutsche Lüke & Ortmeier Gruppe. Die Firma wurde in SAN Swiss Arms AG umfirmiert. SAN Swiss Arms produziert unter anderem das Sturmgewehr 90 der Schweizer Armee. 2014 musste die Hälfte der 34-köpfigen Belegschaft entlassen werden. Das deutsche Mutterhaus war in Korruptionsvorwürfe verwickelt. SIG Sauer Pistolen tauchten in Kriegsgebieten auf. 2017 jubelte SIG Sauer in Deutschland über die bevorstehende Lieferung von 280’000 Pistolen an die USA. Die Handfeuerwaffen unserer Schweizer Armee werden von einem Kleinunternehmen hergestellt, das zu 100% einem deutschen Waffenkonzern gehört.
Rheinmetall Air Defence in Zürich Oerlikon hiess bis 2009 Oerlikon-Contraves und war lange Teil der Oerlikon-Bührle Gruppe. Emil Bührle hat im Zweiten Weltkrieg Kanonen für Nazideutschland gefertigt. Ende Juni stellte Rheinmetall Air Defence-Firmenchef und Oberst im Generalstab Urs Loher dem Zürcher TagesAnzeiger-Journalisten David Hesse stolz vor, was die Munition «Ahead» bewirkt: jedes Geschoss enthält 152 Subprojektile aus Wolfram, die im Flug freigesetzt werden und als Schwarm im Ziel einschlagen. «Ahead» steht für «Advanced Hit Efficiency and Destruction» und wurde in der Schweiz entwickelt.
Am 17. Juli 2012 hat die Schweiz die Oslo-Konvention über ein Verbot von Streumunition ratifiziert und sich verpflichtet, bis voraussichtlich 2018 alle Streumunition in der Schweiz zu vernichten. Ein Geschoss mit Subprojektilen wie «Ahead» gilt gemäss Artikel 1.2. der Botschaft des Bundesrates von Juni 2011 eindeutig als Streumunition. Rheinmetall Air Defence exportiert heute 90 bis 95% aller Aufträge ins Ausland. Es geht nur ums Geld. Der Mutterkonzern erwirtschaftete 2017 mit 11’232 Mitarbeitenden 2,036 Mrd. Euro Umsatz. In der Schweiz arbeiten 800 Angestellte, darunter 40 Lehrlinge.
Die ehemalige Oerlikon-Contraves: zu 100% in ausländischer Hand mit einem Oberst im Generalstab der Schweizer Armee als Chef der Schweizer Niederlassung. Loher war übrigens bis 2012 Leiter Führungs- und Aufklärungssysteme bei Armasuisse, dem früheren Bundesamt für Rüstung und davor Chef Systeme und Material bei der Logistikbasis der Armee.
Die General Dynamics European Land Systems sind Ihnen vielleicht kein Begriff. Mowag aber schon. Mowag gehört seit April 2010 dem Tochterunternehmen des amerikanischen Rüstungskonzerns General Dynamics. 750 Angestellte, davon 40 Lehrlinge, grösster Arbeitgeber in Kreuzlingen, Kanton Thurgau. 30 Prozent des Umsatzes wird mit Aufträgen der Schweizer Armee abgedeckt. Fast 5000 Mowag-Fahrzeuge sind dort im Einsatz.
Mowag, ein Name, der bei älteren Semestern Erinnerungen an lustige Fahrten während der RS weckt: zu 100% in US-amerikanischem Besitz.
RUAG entstand aus den ehemaligen Unterhalts- und Produktionsbetrieben der Schweizer Armee. RUAG steht für «RüstungsUnternehmen-AktienGesellschaft». In sie wurden alle vier Produktionseinheiten der Schweizer Armee integriert.
Heute ist RUAG ein weltweit aktives Hi-Tech-Unternehmen. Zu RUAG gehören etwa Saab Space, Austrian Aerospace. heute ist RUAG in die Segmente Aerospace und Defence aufgeteilt. Im Defence-Bereich betreut RUAG militärische Landfahrzeuge, vertreibt und liquidiert nicht mehr benötigte militärische Ausrüstungsgegenstände, produziert kleinkalibrige Munition. Der Munitionsbereich von RUAG hat Produktionsstätten in der Schweiz, in Deutschland, Schweden, Ungarn und in den USA. 56% des Nettoumsatzes 2017 entfielen auf zivile Anwendungen. 31% des Nettoumsatzes entfiel auf Aufträge des VBS. Der Gesamtumsatz betrug knapp 2 Mrd. Franken. Im Bereich Ammotec beschäftigte RUAG 2257 Personen (FTE) in der Schweiz, in Deutschland, Ungarn, Schweden, Frankreich, USA, Österreich, Grossbritannien, Italien, Belgien, Finnland und Brasilien. Im Bereich Defence waren es 1597 FTE-Stellen in der Schweiz, in Deutschland, in Frankreich, Grossbritannien, Vereinigte Arabische Emirate, Australien, USA, Japan.
RUAG: zwar ein Schweizer Unternehmen, das heute aber weltweit tätig ist. Im militärischen Bereich wird vor allem Munition hergestellt. Ansonsten erfüllt RUAG in erster Linie Wartungsverträge für Kriegsmaterial, das aus dem Ausland stammt.
Schweizer Raketentests in der Türkei
Die Schweiz ist ein kleines Land. Zu klein für Tests von Raketensystemen. Noch 2012 testete die Schweiz Stinger-Raketen auf einem Schiessplatz der türkischen Armee in Sile, einem Badeort am Schwarzen Meer, etwa 65 Kilometer von Istanbul entfernt. Zuständig war Armasuisse. So heisst heute das Bundesamt für Rüstung. Armasuisse ist direkt dem Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS angegliedert. Ob die Schweiz noch heute Raketentests in einem Land durchführt, wo Menschenrechte mit Füssen getreten werden, ist nicht bekannt. Jedenfalls ist die Schweiz für Tests wichtiger Waffensysteme auf die Bereitschaft anderer Länder angewiesen und nicht autonom.
Diese Liste ist nicht abschliessend. Sie beweist jedoch, dass es die unabhängige, autonome inländische Herstellung von Kriegsmaterial für die Schweizer Armee schon lange nicht mehr gibt und nie mehr geben wird. Allenfalls könnte unsere Armee mit Pilatus-Trainingsflugzeugen und bewaffnet mit dem Sturmgewehr 90 versuchen, einen Feind in die Flucht zu schlagen. Unterstützt von Google-Navigation. Ansonsten ist die beste aller Armeen dieser Welt längst vollkommen abhängig von Vereinbarungen mit ausländischen Partnern, die ihrerseits zu den grössten Waffenlieferanten der Welt gehören. Ehemals «renommierte» Schweizer Waffenbrands wie SIG oder Oerlikon-Contraves sind längst unter ausländischer Kontrolle.
Jeder Arbeitsplatz ist in der Tat wichtig. Allerdings benötigen wir im Gesundheitswesen in den nächsten Jahren immer mehr qualifiziertes Personal. Eine Umschulung von Menschen, die heute für teilweise dubiose ausländische Konzerne Waffensysteme herstellen, mit denen Menschen verstümmelt und getötet werden, wäre vielleicht ein interessanter Denkansatz.
Zurück zum Patriotismus: Im Artikel 2 der Schweizer Bundesverfassung steht unter Absatz 4: «Sie (die Schweizerische Eidgenossenschaft) setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.»
Hoffen wir, dass sich unsere Politikerinnen und Politiker auf diesen Grundsatz besinnen.