Es war vergangenen November in Nairobi, da setzte die UNESCO nicht die französische Küche, sondern die französische Esskultur, „la gastronomie française", auf die Liste der immateriellen Kulturgüter. Da werden aber nicht die legendären Rezepte von Escoffier bis Ducasse geschützt, die Kreationen eines Marc Veyrat oder die Gemüsesymphonien eines Alain Passard. Nein, es geht um das „Wie“, um, wie es hiess, die gebräuchliche Art und Weise zu essen, also auch um die Tradition der Gangfolgen: Aperitif, Vorspeise, Hauptgericht, Käse, Dessert und Cafe – diese Art, wie es weiter hiess, die wichtigen Momente im Leben gemeinsam zu feiern. Im Grunde wurde das Tafeln à la Française zum Bestandteil des immateriellen Weltkulturerbes erklärt.
Die Frage ist nur, ob diese Nachricht für Frankreichs Esskultur wirklich eine gute Nachricht ist. Wenn diese Kultur unter den Schutz der UNESCO gestellt wird, heisst das nicht, dass sie am Aussterben ist? Tatsächlich sieht der Alltag der Franzosen im Hinblick auf die Essgewohnheiten vollkommen anders als früher aus. Der Arbeitsrhythmus im Land hat sich extrem beschleunigt, die Franzosen haben in Europa die höchste Produktivität überhaupt, und das eineinhalbstündige Mitagessen der Angestellten gehört schon längst der Vergangenheit an.
Immer mehr Fastfood
Manager tanken Nahrungsmittelzusätze und brüsten sich, beim Mittagessen keine Zeit mehr zu verlieren. Ihre Sekretärinnen haben nicht mehr genug Geld in der Tasche, um ein Restaurant aufzusuchen. Anders als früher platzen die Restaurants am Mittag nicht mehr aus allen Nähten. Dafür werden Jahr für Jahr die Schlangen vor den Bäckereien und Fastfood-Marken länger und länger. In der Mittagszeit wird nach Sandwiches und anderer Kost angestanden, die man auf der Strasse verschlingen kann.
Über 20 000 Fastfood-Restaurants gibt es mittlerweile in Frankreich. Letztes Jahr haben sie 1,4 Milliarden Essen verkauft. Inzwischen ist Frankreich auch Europameister im pro Kopf Verbrauch von Pizzas: 45 pro Jahr und Kopf! Nur in den USA werden noch mehr davon gegessen.
Die französische Gastronomie mag immer noch schön und gut sein, aber rund drei Millionen Menschen müssen inzwischen Nahrungsmittelhilfe in Anspruch nehmen, um über die Runden zu kommen. Die Qualität des Kantinenessens an den Schulen lässt sehr zu wünschen übrig, und mit dem gemeinsamen sich lang hinziehenden Essen, das vorwiegend am Sonntag seit eh und je Familien und Freunde zusammenbringt, wird es zunehmend schwieriger. Denn Präsident Sarkozy hat gemäss seinem Motto: „Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen“, viel dafür getan, dass Sonntagsarbeit immer seltener eine Ausnahme ist. Immer häufiger fehlt einer aus der Freundesrunde oder dem Familienkreis an dem Tag, an dem im Prinzip alle frei haben und man dem Tafeln à la Française fröhnen kann: 12.30 Uhr Aperitif und der letzte Verdauungsschnaps um 18.00 Uhr.
Statt Wein Wasser oder Cola Light
Es war im Jahr 2008 auf der Landwirtschaftsmesse in Paris, als Nicolas Sarkozy ankündigte, er persönlich werde sich darum kümmern, dass Frankreichs Esskultur von der UNESCO als Kulturgut geschützt werde. Eigentlich konnte das kein gutes Omen sein, denn Frankreichs Präsident hat mit der Esskultur seines Landes nun wirklich nichts am Hut. Er gehört zu der Steak-, Frites- und Pizza-Generation, geniesst höchstens mal im Restaurant des 5 Sterne Hotels Bristol, Luxuskantine des Präsidenten 50 Meter vom Elyseepalast entfernt, ein paar sündhaft teuere Nudelgerichte, in die man schwarze Trüffel gerieben hat. Dazu trinkt er dann Wasser oder Cola Light.
Es ist im Grunde historisch zu nennen, dass einer in diesem Land Präsident werden konnte, der einen Meursault nicht von einem Sancerre unterscheiden kann, und einen Saint Emillion nicht von einem Châteauneuf du Pape. Mit ziemlicher Sicherheit hat er auch nie eine „Poule au Pot“ gekostet, das gefüllte Huhn, welches der gute König Heinrich IV bei jedem französischen Bauern am Sonntag auf dem Tisch sehen wollte. Ganz zu schweigen vom Kalbskopf mit Sauce Gribiche, der Leib- und Magenspeise seines Vorgängers, Jacques Chirac. Ein Präsident, der die Tradition des französischen Essens selbst so wenig pflegt, hat dafür gesorgt, dass diese Tradition ins Museum kommt und international geschützt wird.
Präsidiales Fluchen
Bei demselben Besuch auf der Pariser Landwirtschaftsmesse, bei dem Nicolas Sarkozy die Demarche bei der UNESCO ankündigte, ist dem Präsidenten auch einer seiner legendärsten Ausrutscher passiert. Im Getümmel, beim Händeschütteln, entschlüpfte dem Präsidenten der Satz: „Casse toi, pauvre con!", was so viel heisst wie: „Hau ab, Du Arschloch!" Ein Messebesucher hatte sich den Zorn des Präsidenten zugezogen, weil er sich geweigert hatte, Nicolas Sarkozy die Hand zu schütteln, und dabei gemurmelt hatte, er wolle sich nicht beschmutzen lassen.
Für einen französischen Staatspräsidenten war diese Reaktion denkbar wenig souverän und gleichzeitig der Beginn einer bis heute andauernden Diskussion über das Französisch, das die höchste Person im Staat da spricht, die im Mai 2007 zum Präsidenten der Republik gewählt worden ist. Es ist dieses Gassenfranzösisch, das seit drei Jahren immer mehr Menschen in Frankreich irritiert.
Im Februar 2010 hatte, wie erst jetzt bekannt wurde, François Loncle, ein alt gedienter sozialistischer Abgeordneter, unter Präsident Mitterrand kurzfristig auch Minister, für die wöchentliche Fragestunde im Parlament sehr elegant eine Frage an die Regierung formuliert, die die tiefe Sorge über das Sprachniveau des amtierenden Präsidenten zum Ausdruck brachte. Diese Frage war damals allerdings nicht ausgewählt worden, um mündlich vorgetragen zu werden und genoss deswegen keine Publizität. Sie musste aber entsprechend den Bestimmungen innerhalb eines Jahres vom Bildungsminister schriftlich beantwortet werden.
Misshandlung der französischen Sprache
Der Minister war in der Frage vom Abgeordneten Loncle darauf hingewiesen worden, dass der regierende Präsident der Republik eine Reihe von Schwierigkeiten im Umgang mit der französischen Sprache habe. „Er kumuliert die Fehler“, - heisst es da - „ignoriert all zu oft die Regeln der Grammatik, malträtiert das Vokabular und die Syntax. Wenn er in der Öffentlichkeit spricht, scheint der Präsident es für vorteilhaft zu erachten, die französische Sprache - freiwillig oder unfreiwillig - zu misshandeln und erlaubt es sich, manchmal vulgäre Termini und Formulierungen zu benutzen. Um innerhalb kürzester Zeit diesen Angriffen auf die Kultur unseres Landes und auf seinen internationalen Ruf ein Ende zu bereiten, fordere ich Sie auf, alle nötigen Massnahmen zu ergreifen, die es dem Präsidenten der Republik ermöglichen könnten, sich entsprechend seiner Funktion würdig und korrekt auszudrücken.“
Der Bildungsminister hat dieser Tage geantwortet und den mit Fehlern gespickten, eher burschikosen Sprachstil des Staatspräsidenten offensiv verteidigt.
Er verteidigte einen Staatspräsidenten, der vor einigen Tagen der französischen Landbevölkerung und den Bauern seine Neujahrswünsche überbracht hat. Dafür hatte Nicolas Sarkozy dieses Jahr das Elsass ausgewählt. Wer den Präsidenten in Truchtersheim, einem 500 Seelendorf, hören wollte, musste sich vorher einschreiben und sich einen Plastikausweis verpassen lassen. Nicolas Sarkozy hat die für ihn geschriebene Rede zügig abgelesen, war dann aber doch ein wenig abgeschweift - und prompt ging das schief.
Ein Patzer im Elsass
Der Präsident lieferte der Nachwelt einen Versprecher, wie er einem gerade im Elsass nie passieren dürfte. „Ich kann“ , so sprach der Präsident, „Konkurrenzverzerrungen mit China oder Indien akzeptieren, aber nicht mit Deutschland, das ist völlig unverständlich. Und ich sage das jetzt nicht, weil ich in … Deutschland…, äh weil ich im Elsass bin. .."
Murren, ja selbst einige Pfiffe waren im Saal zu hören. Angesichts der bewegten Geschichte des Elsass, welches zwischen Frankreich und Deutschland immer wieder hin und her gestossen wurde und wo sich die Bevölkerung von den restlichen Franzosen nie wirklich akzeptiert und ernst genommen fühlte, hätte der Versprecher schlimmer nicht sein können. Denn die Elsässer leiden darunter, dass viele in Frankreich immer noch nicht verstanden haben, dass sie vor allem eines nicht sein wollen: Deutsche.
Um die Elsässer mit dem Präsidenten wieder zu versöhnen, gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: Nicolas Sarkozy muss möglichst bald an einem Holztisch mit rot-weiss karierter Tischdecke nach einem mit reichlich Zwiebeln garnierten Presskopf oder ein paar Leberknödeln mindestens zwei Portionen Baeckehof zu sich nehmen (Schweine-, Rind- und Lammfleisch, eine Nacht im Edeklzwicker mariniert, mit Kartoffeln, Lauch und Karotten vier Stunden im Backofen gegart). Dazu muss er mindestens drei Gläser Pinot Noir trinken.
Der Hans im Schnokeloch
Wenn er das geschafft hat, wird man vielleicht Mitleid mit ihm haben und ihm den Münsterkäse mit Kümmel und einem Glas Gewürztraminer ersparen und gleich zu einem der elsässischen Nationaldesserts übergehen, wozu, Herr Präsident, nicht die Schwarzwälder Kirschtorte gehört, sondern zum Beispiel der Gugelhupf. Danach wird Nicolas Sarkozy es nicht wagen können, einen ordentlichen Schwenker Marc de Gewurz abzulehnen. Irgendjemand muss ihm aber vorher sagen, dass das nichts mit Pfeffer und anderen Gewürzen, sondern mit der Gewürztraminertraube zu tun hat.
Wenn das alles als Wiedergutmachung immer noch nicht reicht und der Präsident noch aufrecht am Tisch sitzen sollte, könnte man ihn ja ganz am Schluss noch dazu verdonnern, das Lied vom „Hans im Schnokeloch“ zu lernen, über dessen Inhalt nachzudenken und es zu singen. Auf diese Art und Weise dürfte Nicolas Sarkozy dann endgültig wieder wissen, wo er zu Hause ist….
Der Hans im Schnokeloch
Der Hans im Schnokeloch, hett alles was er will Un was er hett des well er nitt, Un was er will des hett er nitt, Der Hans im Schnokeloch, hett alles was er will
Der Hans im Schnokeloch, saat alles was er will Un was er saat des denkt er nitt Un was er denkt der saat er nitt ! Der Hans im Schnokeloch, saat alles was er will
Der Hans im Schnokeloch, düet alles was er will Un was er düet des soll er nitt Un was er soll des düet er nitt Der Hans im Schnokeloch, düet alles was er will
Der Hans im Schnokeloch, kann alles was er will Un was er kann des macht er nitt Un was er macht gerot im nitt Der Hans im Schnokeloch, kann alles was er will
Der Hans im Schnokeloch, geht anne, wo er will Un wo er isch do bliebt er nitt Un wo er bliebt do g'fallt's em nitt Der Hans im Schnokeloch, geht anne, wo er will