Der Kundenberater einer Schweizer Bank, der auf der sicheren Seite sein will, muss heute einem potenziellen Neukunden ausländischer Herkunft lustige Ratschläge geben. Ist es ein deutscher Zahnarzt, empfiehlt er ihm eine Bank in Frankreich. Ist es ein Pariser Architekt, käme Deutschland, eventuell Österreich in Frage. Einfach keine Zinsen als Ertrag anfallen lassen. Ist es ein US-Bürger, sollte er vom Sicherheitsdienst so schnell wie möglich hinausbegleitet werden.
Ist es ein Schweizer Bürger, der in den USA eine Stelle antreten wird, darf er gleich die Kontoauflösungspapiere mitnehmen.
Absurdistan eins
Viele aufrechte Schweizer Steuerzahler und Kommentatoren regen sich furchtbar über Steuerhinterzieher auf. Schön, dass sie alle brav sämtliche Einkommen angeben. Es kann wohl nur an Unkenntnis und Vergesslichkeit liegen, dass jedes Jahr hierzulande Verrechnungssteuern in Milliardenhöhe nicht zurückgefordert werden. Sonst müsste man ja auf die Idee kommen, dass Steuerhinterziehung bei Bezügern von Kapitalerträgen auch im Kleckerbereich ein von Schweizer Steuerpflichtigen gern betriebener Volkssport ist.
Absurdistan zwei
Schweizer Banken verkünden tapfer, dass sie sich einer sogenannten «Weissgeldstrategie» verschrieben haben. Spätestens in wenigen Jahren soll der ganze Finanzplatz steuertechnisch so weiss strahlen wie das Kreuz im Landeswappen. Bestehende eigene und von sogenannten Externen Vermögensverwaltern (EVV) betreute Nicht-Schweizer Kunden sollen die steuerliche Reinheit ihrer Anlagen bis Ende dieses Jahres bekunden – oder das Konto wird geschlossen. Eine tapfere Ansage, in Wirklichkeit reicht eine meist mündliche Versicherung gegenüber dem EVV. Lachhaft, aber wahr: «Zahnarzt Müller aus Hannover hat mir telefonisch bestätigt, dass bei seinen 1,5 Millionen Euro steuerlich alles in Ordnung ist.»
Absurdistan drei
Die Schweizer Regierung hat dem US-Schnüffelmonster FATCA bereits zugestimmt. Gegenüber der EU möchte sie aber weiter tapfer an der Abgeltungssteuer festhalten, also der anonymen Überweisung einer Art Quellensteuer, um so die «Privatsphäre des Kunden zu schützen», wie Finanzministerin Widmer-Schlumpf gerade mal wieder in «Le Monde» verkündete. Schliesslich habe man entsprechende Abkommen mit Grossbritannien und Österreich abgeschlossen.
Aber von Deutschland wurde es versenkt, Frankreich und Italien sind nicht interessiert. Aus einem einfachen Grund: Der Automatische Informationsaustausch (AIA) steht vor der Türe, FATCA hat sie schon eingetreten, wieso soll man sich auf letzte, verzweifelte Versuche, das Bankgeheimnis zu schützen, noch einlassen?
Absurdistan vier
FATCA und AIA wirken natürlich nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit. Wohl weiter zurück als 2008. Vor ziemlich genau fünf Jahren hatte der damalige Finanzminister Hans-Rudolf Merz markig verkündet: «An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch noch die Zähne ausbeissen». Eine UBS später wird aber von eidgenössischer Seite nur noch zahnlos gemümmelt. Ohne dass erkennbar wäre, wie denn genau Schweizer Banken den steuerlichen Zustand bei ihnen gelagerter Gelder genau kontrollieren sollen. Wozu sie eigentlich gesetzlich bis heute nicht verpflichtet wären. Das ist Wildwest in den Alpen.
Absurdistan fünf
Viel leichter hat es der Kundenberater einer Schweizer Bank, wenn er einem eidgenössischen Kunden einen guten Ratschlag geben soll, wo der sein Vermögen vor steuerlichen Zugriffen in Sicherheit bringen könnte. Da kann er Deutschland, Frankreich oder – todsicher – die USA empfehlen. Denn während alle diese Staaten demnächst in die Konten ihrer Staatsbürger in der Schweiz schauen dürfen, gilt kein Gegenrecht. Das muss man mal hinkriegen, das ist grosse politische Kunst.
Absurdistan sechs
Da in der Schweiz bis heute fein zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug mit allen rechtlichen Konsequenzen unterschieden wird, müssen Hilfskonstruktionen errichtet werden, um die Datenauslieferungen zu rechtfertigen. Da gibt es nun neu die «schwere Steuerhinterziehung» oder die «Vortat zur Geldwäsche». Was das genau sein soll, ist wurst, Hauptsache, man kommt damit in den strafrechtlichen Bereich. Wenn man weiterhin das tut, was schon immer, seit 1935 und vorher, gängige und bis heute legale Geschäftspraxis war und ist: Der Kunde gibt keine Auskunft über den steuerlichen Zustand seiner Einlage, die Bank fragt nicht danach.
Absurdistan sieben
Für ganz besonders ängstliche Kunden kann der Schweizer Bankberater noch mit einem letzten Tipp aufwarten: Wie wäre es denn mit einem Trust? Wem da eine nette Insel im britischen Commonwealth zu unsicher ist, der soll es doch mal in Singapur, Hongkong oder Shanghai probieren. Oder in Andorra. Oder in San Marino. Oder, am sichersten: in den USA. Wer an Gottes Wille und Kraft glaubt, dem sei auch der Vatikan empfohlen.
Aber bitteschön, als Depotbank dürfe sich der Kunde, muss der Schweizer Berater abschliessend erklären, keine helvetische Bank aussuchen. Zu unsicher. Man weiss ja nie, bei welchen neuen Forderungen die Schweizer Regierung auch noch zu Kreuze kriechen wird.