Die Schlussfolgerungen der internationalen Expertengruppe sind eindeutig. Es bestehe kein Zweifel, dass Salvador Allende am 11. September 1973 Suizid begangen habe, versicherte der spanische Mediziner Francisco Etxeberría am Dienstag an einer Medienkonferenz in der chilenischen Hauptstadt Santiago. Die Untersuchungen seines Teams über die Todesursache hätten bestätigt, dass Chiles erster sozialistischer Staatschef an einem Gewehrschuss in den Kopf aus kurzer Distanz starb. Die Kugel, die man bei der Autopsie in der Leiche fand, wurde aus der AK47 abgefeuert, die der kubanische Revolutionsführer Fidel Castro dem chilenischen Präsidenten geschenkt hatte. Allende brachte sich mit dieser Waffe um, unmittelbar bevor Soldaten den Präsidentenpalast Moneda stürmten. Allende hatte sich verschanzt, als die Luftwaffe auf Befehl von General Augusto Pinochet den Regierungssitz sowie mehrere Armenviertel bombardierte. Sein Leibarzt Patricio Guijón war in der Todesstunde bei ihm und sagte bereits 1973 aus, dass Allende sich erschossen habe.
Das Ende der Spekulationen
Allendes Angehörige zeigten sich erleichtert, dass die Abklärungen des Expertenteams die Selbstmordthese stützen. Sie waren stets davon ausgegangen, dass er sich lieber das Leben nahm, als seine Ideale zu verraten. Ein Teil seiner Sympathisanten hat jedoch die Suizid-Version immer wieder in Frage gestellt. Ein Gerichtsmediziner aus Uruguay, der das Autopsieprotokoll aus dem Jahr 1973 prüfte, bestärkte sie vor ein paar Monaten in ihren Zweifeln. Er hielt fest, dass die Leiche von Allende zwei Einschüsse aufgewiesen habe, aber man nur bei einem mit Sicherheit auf Munition aus der AK47 schliessen könne. Bei ihren umfassenden neuen Untersuchungen sind die Sachverständigen jedoch auf keine Hinweise gestossen, die den Schluss zuliessen, dass Allende sich nicht selbst umbrachte, sondern ermordet wurde.
Kann er jetzt endlich in Frieden ruhen? Aus juristischer Sicht sollte der Fall mit dem Bericht der Expertenkommission abgeschlossen sein. Die Diskussionen, ob Allende, der 1970 durch eine demokratische Wahl an die Macht kam, ein guter oder ein schlechter Präsident war, dürften jedoch weitergehen. Ein beträchtlicher Teil seiner Landsleute hat nach wie vor ein positives Bild von ihm, verehrt ihn als Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit und unbeugsamen Demokraten. Selbst viele, die mit seiner Politik nicht einverstanden waren, attestieren ihm zumindest lautere Absichten. Seine Volksfrontregierung, finden sie, habe zwar gute Ideen gehabt, diese aber schlecht umgesetzt. In den Augen seiner Gegner ist und bleibt Allende hingegen ein machtgieriger Marxist, den es um jeden Preis zu beseitigen galt.
Nach wie vor uneins sind sich die Chilenen auch darüber, ob die Generäle unter der Führung von Pinochet zum Wohle der Nation handelten, als sie im September 1973 die Staatsgewalt an sich rissen. Die einen sind weiterhin vor der Ansicht, die Militärs hätten mit dem Putsch gegen Allende eines der düstersten Kapitel der chilenischen Geschichte beendete. Mehr und mehr setzt sich in der Bevölkerung jedoch die Ansicht durch, dass die Generäle aus purer Machtgier die Demokratie zerstört hätten.
Noch sind die Wunden nicht verheilt
Während der siebenzehnjährigen Herrschaft der Militärs wurden den Ermittlungen einer unabhängigen Kommission zufolge mehr als 3000 Menschen getötet, etwa 1000 verschwanden spurlos. Nach der Rückkehr zur Demokratie begannen die Chilenen die Militärdiktatur juristisch aufzuarbeiten, wenn auch zunächst zögernd und gegen massive Widerstände. Inzwischen verlangen immer mehr Bürger, dass die Verbrechen aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Wie Ex-Präsidentin Michelle Bachelet pochen sie darauf, dass die Wahrheit an den Tag kommt. Denn, so argumentierte die gemässigte Sozialistin und Ärztin in einem Gespräch mit dem deutschen Nachrichtenmagazin Spiegel, „nur gesäuberte Wunden können ausheilen, sonst werden sie sich immer wieder öffnen, gar entzünden und Eiter bilden“.