Natürlich kann es auch sein, dass niemand nichts von Finanzgesetzen oder zumindest -regeln versteht. Das wollen wir langsam nicht mehr ausschliessen. Falls aber doch ein paar Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung existieren, seien sie in Erinnerung gerufen. Dazu gehört, dass Schuldenmachen nur funktioniert, wenn der Gläubiger eine Risikoprämie namens Zins bekommt und davon ausgehen kann, dass er sein Geld auch wieder zurückkriegt.
Zins weg
Die Höhe von Zinsen hängt von der Höhe des Risikos für den Gläubiger ab. Über Jahrhunderte lässt sich empirisch belegen, dass man bei 3 bis 5 Prozent, inflationsbereinigt, auf der sicheren Seite ist, also das Risiko eines Totalschadens ausserhalb von Weltkriegen oder Katastrophen ähnlicher Dimension bei nahe Null liegt.
Besonderer Beliebtheit erfreuten sich seit dem Existieren von modernen Nationalstaaten deren Schuldpapiere, da als Garant nicht ein einzelnes Unternehmen steht, sondern letztlich eine ganze Volkswirtschaft und ihre Währung. Da selbst Staatsbankrotte auch und gerade in Europa häufiger vorkommen, als es die aktuell Regierenden wahrhaben wollen, waren immer dafür Zinsen fällig, die in Relation zur Vermutung standen, wie sicher der Gläubiger sein kann, dass er zum Ablauf seiner Kreditvergabe das Geld auch wieder zurückbekommt. Wobei er natürlich davon ausgeht, dass der Wertgehalt in drei, fünf oder zehn Jahren nicht auf die Hälfte oder so runterinflationiert würde.
Die jeweilige Notenbank ist die Herrin der für den Zinssatz entscheidenden Stellschraube, genannt Leitzins. Von ihm hängt es über den Transmissionsriemen privater Finanzinstitute, vulgo Banken, ab, welche Zinsen ein Staatspapier abwirft. Wird dieser Zinssatz auf faktisch Null (oder auf 0,15 Prozent im Fall der EZB) gesenkt, ist diese Stellschraube ausser Betrieb und es passiert gleichzeitig Fürchterliches, wenn die Notenbank auch noch die Werthaltigkeit von Staatspapieren garantiert, indem sie sie als zu faktisch hundert Prozent beleibare Sicherheit entgegennimmt.
Schulden da
Zinsen sind der eine grundlegende Faktor. Die Dimension von Schulden und vor allem Vermutungen darüber, wie und wann sie zurückbezahlt werden, sind der andere. Bei Staaten ist das etwas komplizierter als bei Unternehmen, aber kurz gefasst muss in seiner Gesamtwirtschaft ein Primärüberschuss erzielt werden, damit bestehende Schulden tragbar sind und bleiben.
Dabei sind die Entwicklung des BIP und die Zinshöhe zwei Faktoren in einer übersichtlichen Formel, die im Gegensatz zu algorithmischer Alchemie bei der Bewertung von Derivaten den Vorteil hat, dass sie mathematisch sauber funktioniert. Je nach der Grösse der daraus abgeleiteten Wahrscheinlichkeit, dass ein Staat seine Schulden nicht problemlos zurückzahlen kann – oder zumindest die Zinsen bedienen –, steigt die Risikoprämie. Stiege, wenn sie nicht durch das Versprechen, das Verbrechen der Notenbank, «unbeschränkt» im Notfall Staatsschuldpapiere aufzukaufen, schachmatt gesetzt wird.
Fatal ist: Normalerweise leiht man nur Geld, wenn man davon ausgeht, dass es wieder zurückkommt. Also wenn man überzeugt ist, dass damit kein Unfug angestellt wird. Durch die Garantie der Notenbank muss ein Staatsschuldner nicht mal mehr den Anschein erwecken, er mache was Sinnvolles damit oder könne es zurückzahlen.
Schulden unbezahlbar
Einen Sonderfall in der Schuldenproblematik haben wir, wenn eigentlich Konsens darüber besteht, dass sie nicht mal nach dem Prinzip Hoffnung zurückzahlbar sind. Bei einer Staatsverschuldung von nahe 100 Prozent des BIP kann man zwar eine einfache Excel-Tabelle basteln, die unter entsprechenden Annahmen wie kontinuierliches Wachstum des BIP um mindestens 3 Prozent zum Ergebnis kommt: kein Problem, kriegen wir wieder weg. Das ist aber ähnlich einer Berechnung, dass auch ein einzelner Mensch einen Berg abtragen kann, man müsste einfach seine Lebenserwartung etwas verlängern, aber geht.
In der realen Welt ist es jedoch so, dass unbezahlbare Staatsschulden nur und immer auf vier Arten weggekriegt werden: durch einen massiven Schuldenschnitt, wie er zaghaft bei Griechenland und Zypern bereits vorexerziert wurde. Oder durch eine galoppierende Inflation. Oder gleich durch einen Staatsbankrott. Oder, in der Geschichte ebenfalls ein immer wieder gern angewandtes Mittel, durch einen Krieg.
Der halbe Staatssozialismus
Der Anteil des Staatshaushalts liegt in der Euro-Zone im Schnitt bei rund 50 Prozent des gesamten Bruttoinlandprodukts. Also kann der Staat natürlich hergehen, seine Einnahmen, also Steuern, senken, damit mehr Nachfrage schaffen, gleichzeitig massiv zusätzliche Schulden aufnehmen und die durch von der Europäischen Zentralbank hergestelltes Neugeld finanzieren, zum Zinssatz Null, versteht sich.
Da wir ein Nachfrage- und kein Angebotsproblem haben, hört sich das nach einer hübschen Methode an, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Nachfrage steigt, Staat investiert, beispielsweise in die verlotternde Infrastruktur, Wirtschaft brummt wieder, und zusätzlich gibt es endlich wieder eine anständige Inflation. Die räumt dann mittelfristig das Neugeld weg, beziehungsweise entwertet es.
Wäre ein schöner Plan, aber wie alle schönen Pläne unverwirklichbar. Ein Land mit einer eigenen Währung wäre dazu vielleicht noch in der Lage, der wilde Haufen Euro-Länder natürlich nicht. Zudem wären so vielleicht die offiziell ausgewiesenen Schulden in den Griff zu kriegen. Aber die impliziten, also die zukünftigen Sozialversprechen wie Renten, die bis zum Dreifachen der expliziten Schulden ausmachen, auf keinen Fall.
Das fatale Ponzi-Schema
Jedes Schneeball-System, ob das Ponzi, Madoff oder Quantitative Easing heisst, ob es blöd banal oder hochkompliziert intelligent aufgegleist ist, hat ein fundamentales und unlösbares Problem. Selbst dann, wenn es nicht ein privater Schwindler, sondern ein Staatsschwindler mit eigener Gelddruckmaschine betreibt. Hat man erst mal angefangen, absurd hohe aktuelle Verpflichtungen mit der unrealistischen Hoffnung auf zukünftige Gewinne zu begleichen, kommt man aus dieser Nummer nie mehr raus. Steht die Pyramide auf dem Kopf, kann man sie nicht einfach umdrehen. Aber als Staat kann man natürlich in höchster Not versuchen, das Problem mit einem Krieg zu lösen.