Noch 2021/22 gab es Grund zum Optimismus. Eine überraschend starke Demokratiebewegung meldete sich zu Wort. Doch seit einem halben Jahr herrschen Chaos und Elend. Einsätze von Hilfsorganisationen werden behindert und sind nicht ausreichend finanziert.
Am 15. April 2023 ist in der sudanesischen Hauptstadt Khartum der Machtkampf zwischen der Armee und den RSF-Milizen ausgebrochen. Seither ist es kaum mehr möglich, zwischen marodierender Soldateska und den vom Verlust jeglicher staatlicher Ordnung profitierenden kriminellen Banden zu unterscheiden. Protestierende werden wahllos niedergeschossen, Verwundete bis in die Spitäler verfolgt. Gewalt und Chaos haben die Metropolregion mit über acht Millionen Einwohnern fest im Griff. Es fehlt an Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung.
Erfolglose Vermittlung, behinderte Hilfe
Mittlerweile haben sich die Kämpfe auf das ganze Land, das drittgrösste Afrikas, ausgedehnt. Die Rede ist von über 10’000 offiziell erfassten Toten; ihre tatsächliche Zahl muss wohl sehr viel höher veranschlagt werden. Mehr als eine Million Menschen sind in die Nachbarländer Tschad, Ägypten und Südsudan geflohen. Hinzu kommen über vier Millionen Binnenflüchtlinge, die vor allem aus der Hauptstadtregion in ländliche Gebiete vertrieben wurden, wo sie zumeist von jeglicher Versorgung abgeschnitten sind.
Man kann der internationalen Gemeinschaft nicht vorwerfen, sie hätte nicht auf die Krise im Sudan reagiert. Die Uno, die EU, aber auch die USA, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate VAE haben diplomatisch interveniert und Anstrengungen zur Vermittlung unternommen. Mehr als ein paar kurze Kampfpausen haben sie nicht erreicht. Etliche Akteure, in erster Linie die Uno mit ihren Spezialorganisationen, das IKRK, zahlreiche spezialisierte NGOs und einige Staaten versuchen, Nothilfe zu leisten. Doch das ist schwierig, weil die Hilfsaktionen vom Kriegsgeschehen und den Zerstörungen behindert werden. Ausserdem sind sie auch nicht ausreichend finanziert. In einer Geberkonferenz wurde bloss ein Drittel der benötigten Gelder zugesagt.
Aufbruch und Absturz
Die Republik Sudan zählt heute etwa 47 Millionen Einwohner. 1989 putschte sich Umar al-Baschir an die Macht und regierte das Land dreissig Jahre lang mit eiserner Hand ohne Rücksicht auf Menschenrechte. Ein 2018 beginnender Volksaufstand formierte sich im ganzen Land zu einer starken Demokratiebewegung. Das Militär bereitete al-Baschirs Regime 2019 ein Ende. Die Macht ging an eine von Militär und ziviler Opposition gebildeten Regierung, die binnen zwei Jahren den Übergang zur Demokratie bewerkstelligen wollte. Doch das Land kam nicht zur Ruhe. Der kurzzeitige Premierminister Abdalla Hamdok, ein Zivilist, wurde im Oktober 2021 vom Militär entmachtet und trat Anfang 2022 zurück.
Drahtzieher des Staatsstreichs gegen den von der Demokratiebewegung getragenen Hamdok waren der Oberbefehlshaber der sudanesischen Armee, General Abdel Fattah al-Burhan, sowie sein Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, genannt Hemeti. Dieser Hemeti ist Chef der Rapid Support Forces RSF, einer schlagkräftigen Miliz, die wegen ihrer Effizienz mit gewissen staatlichen Aufgaben betraut worden war. Nach dem Plan der Regierung sollte die RSF in die reguläre Armee integriert werden. Doch als der Zeitpunkt zur Umsetzung dieses Plans kam, legte sich Hemeti quer.
Seit dem 15. April 2023 wird der Machtkampf zwischen Armee und RSF mit Waffengewalt und zunehmend ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung ausgetragen. Ausgehend von Khartum breitete sich der Krieg rasch aus. Dem Land drohen Hungersnöte. Die medizinische Versorgung ist zusammengebrochen. Uno und Hilfsorganisationen sprechen von einer humanitären Katastrophe riesigen Ausmasses.
Es ist nicht so, dass über den Krieg und das Elend in Sudan in den Medien nicht berichtet würde. Doch angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine, der explosiven Lage in Nahost und der vom chinesischen Machtstreben verschärften geopolitischen Spannungen bleibt für Afrika – einmal mehr – nicht eben viel Aufmerksamkeit übrig.