Acht Tage nach den zweiten israelischen Parlamentswahlen in diesem Jahr kam damit die Ernüchterung: Keines der erklärten Ziele war erreicht, das Patt der beiden grössten politischen Lager hatte sich nicht wesentlich verändert und die Bildung einer mehrheitsfähigen Regierungskoalition war damit weiterhin praktisch unmöglich, weil weder Netanjahu noch sein Haupt-Herausforderer, Benny Gantz von „Blau-Weiss“, das dazu nötige Minimum von 61 der 120 Knesset-Mandate für solch eine Koalition zusammenbringen können.
Die Wandlung Liebermanns
Die einzigen Parteien, die hierbei den Ausschlag hätten geben können, konnten oder wollten die Erwartungen nicht erfüllen: Die „Vereinigte Liste“ der israelischen Araber, mit 13 Mandaten drittgrößte Partei, hatte Rivlin zwar wissen lassen, dass 10 von ihnen für die Beauftragung von Gantz seien, gleichzeitig stand aber doch auch fest, dass die „Liste“ wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit als Araber nicht als Koalitionspartner in Frage käme. Und das aus gegenseitigem Misstrauen und auch Ablehnung auf beiden Seiten.
Es war genau diese problematische Situation der arabischen Bevölkerung Israels, die den zweiten Koalitionskandidaten abspenstig machte: Die Partei „Israel Beiteinu“ („Unser Haus Israel“) des ehemaligen Verteidigungsminister der Regierung Netanjahu, Avigdor Lieberman. Im April hatte der aus der damaligen Sowjetunion stammende Lieberman im Streit über die Rolle der Ultraorthodoxen Netanjahus Versuch einer Regierungsbildung vereitelt und seitdem behauptet, er werde nur eine liberale Einheits-Regierung ohne Beteiligung der religiösen Partien unterstützen. Nach der Septemberwahl allerdings zeigte er, dass er nun gar nicht mehr zur Verfügung stehe: Die orthodoxen Parteien seien für ihn Konkurrenten, die arabische Liste aber, das seien „Feinde“. Er werde sich an keiner Koalition beteiligen, die von „den Arabern“ auch nur unterstützt wird.
Lieberman entpuppte sich da auch für den letzten Israeli als das Gegenteil des „Linken“, als den ihn Netanjahu seit der April-Wahl beschimpft hatte. Dabei hätte man längst wissen können, ja, wissen müssen, dass der Gescholtene in vielen Punkten als Araberhasser noch weiter rechts steht als Netanjahu und dass sein vermeintliches Ziel einer „liberalen“ Regierung keineswegs in das Konzept Liebermans passt. Bei „Blau-Weiss“ dürfte das natürlich bekannt gewesen sein. Dass das kaum jemanden störte, könnte damit zusammenhängen, dass auch diese – erst Anfang des Jahres entstandene – Partei damit kokettiert, linksliberal zu sein, um sich damit deutlicher von der nationalistischen Rechten Netanjahus abzuheben. Wirkliche und grundsätzliche Unterschiede etwa in der Frage der Siedlungspolitik gibt es aber ebenso wenig wie in der Frage einer Friedensregelung und der Zukunft der im Sechstagekrieg von Israel eroberten palästinensischen Gebiete. Zumindest war selten bis nie etwas Konkretes dazu von der Gantz-Partei zu hören.
Schon wieder Neuwahlen?
Erstes und meist einziges Ziel schien zu sein: Netanjahu muss weg. Eine Forderung , die attraktiv genug ist, um „Blau-Weiss“ binnen weniger Wochen zur gleichen Stärke anwachsen zu lassen wie die des „Likud“. Als deswegen nach der September-Wahl die Idee einer Grossen Koalition zwischen beide aufkam, verwunderte dies kaum jemanden, aber Netanjahu versuchte weiter, möglichst viele rechte und religiöse Gruppen für eine Likud-Koalition zu gewinnen, sodass die „GroKo“ scheiterte, bevor sie ernsthaft diskutiert wurde.
Und nun? An Meinungen mangelt es nicht. Besonders die Zeit seit den ersten Wahlen dieses Jahres hat aber doch deutlich gemacht, dass die Meinung von gestern oft heute schon wertlos und die von heute bis morgen überholt sein kann. Nur eines steht als Mahnung im Hintergrund: Man will keine dritten Wahlen innerhalb weniger Monate abhalten müssen. Aber genau dies könnte trotzdem geschehen. Besonders, wenn Netanjahu nicht in den nächsten Wochen wegen der ihm drohenden Korruptions-Klagen sich aus das Feld räumen muss.