Eine gesperrte Autobahn, brennende Reifen und fliegende Steine. In Südafrikas Provinz Westkap brachen die Proteste der Farmarbeiter erneut in Gewalt aus. Ein Polizist wurde verletzt, und die wütende Menge steckte das Auto eines Journalisten in Brand. Die Sicherheitskräfte gingen mit Gummigeschossen gegen die Protestierenden vor. Mindestens 51 Menschen wurden verhaftet. Die Arbeiter der Obst- und Weinfarmen fordern einen Mindestlohn von 150 Rand (13 Euro). Ökonomen warnen vor wirtschaftlichen Schäden, die Südafrika noch Jahre später spüren werde.
Verhandlungen brachten kaum Erfolg
Die Proteste sind schon der zweite Aufstand der Farmarbeiter in den letzten zwei Monaten. Anfang Dezember waren die Arbeiter in der Weinstadt De Doorns eine Woche lang nicht zur Arbeit erschienen. Nachdem die Proteste in Gewalt ausgeufert waren, herrschte bald der Ausnahmezustand in De Doorns und 15 benachbarten Dörfern. Mindestens zwei Menschen waren gestorben, und die wütenden Arbeiter steckten mehrere Weingärten in Brand. Bis heute kam es zu 271 Verhaftungen in Verbindung mit den gewaltsamen Streiks. Mit der Ministerin für Landwirtschaft, Tina Joemat-Pettersson, hatte man sich auf einen vorübergehenden Streikstopp geeinigt. Die Regierung würde das Mindestgehalt diskutieren und Gewerkschaftsvertreter würden mit den Farmbesitzern verhandeln, so der Deal. Beides habe sich laut Tony Ehrenreich, dem Gewerkschaftsvorsitzenden in der Provinz Westkap, jedoch als ineffektiv erwiesen. Gegenüber der Tageszeitung Cape Times sagt Ehrenreich am Montag: „Die Gespräche waren ein Desaster, eine Zeitverschwendung. Wir wurden mit Arroganz empfangen.“
Gewerkschaft fordert Obstboykott
Letzte Woche rief der Südafrikanische Gewerkschaftsbund (COSATU) die internationale Gemeinschaft dazu auf, südafrikanisches Obst und Wein zu boykottieren. Ehrenreich sagte, man überlege mit Vereinen wie Fair Trade zusammenzuarbeiten, um einen internationalen Boykott zu erwirken und auf die Situation aufmerksam zu machen. Die Arbeiter der Obst- und Weinfarmen hätten bereits Briefe an internationale Supermärkte und Grosshändler geschrieben. Zuletzt gab es diesen Aufruf zur Zeit der Apartheid. Damals hatten westliche NGOs Kampagnen gegen südafrikanische Obstimporte gestartet, um den Druck auf das weisse Minderheitsregime zu erhöhen.
Wirtschaftlicher Schaden
AgriSA vertritt in Südafrika knapp 70’000 Klein- und Mittelfarmer. Zu Beginn der Woche warnte die Handelsgemeinschaft vor dem wirtschaftlichen Schaden, den die Proteste mit sich ziehen. Dieser sei auch noch Jahre später spürbar. Ausgerechnet diese Woche steht auf den meisten Weinfarmen im streikgeplagten Hexfluss-Tal die erste Ernte an. Die Höfe mit Steinobst folgen in den nächsten Wochen. Laut AgriSA würde das Obst auf den Feldern verrotten. Der Grossteil der Landwirte ist gegen einen Ernteausfall versichert, politische Unruhen sind jedoch aus dem Vertrag ausgenommen. Darüber hinaus würde Südafrikas Ruf stark beschädigt. Michael Bagraim vom Verein für Handel und Industrie am Kap meint: „Ein Boykott würde der Konkurrenz in Südamerika, Australien und Neuseeland den Ball zuspielen.“ Diese hätten es einfach, sich den südafrikanischen Anteil vom Markt zu holen.
Zugeständnisse, aber lange keine Lösung
AgriSA warnte die Farmarbeiter vor übereilten Aktionen – die Proteste hätten das genaue Gegenteil zur Folge. 150 Rand pro Tag als Mindestlohn seien für Kleinfarmer „unleistbar“. Würde man der Forderung folgen, sehe man im Westkap bald Massenentlassungen. „Ich verstehe die Forderung nach mehr Lohn, aber Kleinfarmer können dieser Forderung nicht nachkommen“, erzählte Bauer Willie Vorster in De Doorns gegenüber der Redaktion. AgriSA verteidigt die rund 450 Farmer im Hexfluss-Tal und gab am Dienstag bekannt, 95 Prozent von ihnen hätten im Dezember Verträge für Mindestlöhne unterschrieben. Diese kommen einem Zugeständnis gleich, erreichen aber gerade die Hälfte der Forderungen.