Es ist keine akademische Festschrift im engeren Sinne, die soeben im „Verlag der Neuen Zürcher Zeitung“ zum Lob und als Dank für den Historiker und Publizisten Urs Bitterli herausgekommen ist. Werner Vogt, der Herausgeber und ehemalige Schüler des Jubilars, nennt den Band ein „Buch der Freunde“ – das sind sowohl universitäre Kollegen, ältere und jüngere Weggefährten aus dem weiten Feld der Publizistik und besonderes viele ehemalige Schülerinnen und Schüler des Jubilars. Die Beiträge ergeben ein anregendes Kompendium von kompakten historischen Betrachtungen, biographischen Glossen, zeitgeschichtlichen Reportagen und literarisch inspirierten Hintergrundberichten.
Peter von Matt weist in seinem luziden Grusswort darauf hin, dass Bitterli schon früh sein Flair für die Verbindung zwischen der historischen Forschung und der Literaturwissenschaft erkennen liess. Seine Dissertation handelte von „Thomas Manns politischen Schriften zum Nationalsozialismus 1918-1939“ – sie richtete so den Blick auf einen höchst eigenwillig ausgewählten Zeitabschnitt. Von Matt erwähnt auch Bitterlis „weitgespannten kosmopolitischen Geist“, wie er besonders in den vielbeachteten Büchern über die Entdeckung Amerikas und die Kolonialgeschichte zum Ausdruck kommt. Ein solcher Geist, fügt der Freund und Kollege hinzu, sei „eine Wohltat in einer Zeit, da die Nabelschau zur neuen Nationalreligion zu werden droht“.
Fritz Stern hebt in seinem Glückwunsch an den Historikerkollegen ebenfalls dessen literarische Interessen hervor. Er bezeichnet seine Biographie über Golo Mann als „absolutes Meisterwerk“ und lobt die Fähigkeit des Historikers, „sich in ein anderes Leben zu versetzen“.
Literatur und biographisch-lokale Zusammenhänge wiederum haben offenkundig den Beitrag von Manfred Papst, Feuilleton-Chef der „NZZ am Sonntag“, inspiriert. Er schildert amüsant und kenntnisreich die Kur-Aufenthalte des tuberkulosekranken Robert Louis Stevenson in Davos – lange bevor Thomas Mann dort seine „Zauberberg“-Erfahrungen machte. Stevenson vollendete in Davos „Die Schatzinsel“, sein Meisterstück und erfolgreichstes Werk. Papst ist in Davos aufgewachsen, das Thema verbindet ihn mit dem Historiker Bitterli insofern, als dieser in dem Luftkur- und Wintersportort zwei Jahre an der dortigen Alpinen Mittelschule als Deutschlehrer tätig war und dort auch seine spätere Lebensgefährtin Irene Riesen kennenlernte.
Den Lesern von „Journal21“ ist Urs Bitterli als Autor der Rubrik „Alte Bücher – neu besprochen“ bekannt. Im Laufe der letzten fünf Jahre hat der literarisch versierte Historiker eine reiche Auswahl bekannter – oder ehemals bekannter – Buchtitel neu ins Bewusstsein gebracht und aus heutiger Warte in die relevanten politischen, gesellschaftlichen und literarischen Zusammenhänge gestellt. Nicht wenige Leser hoffen, dass ihnen der gewandte Erzähler auf diese Weise noch manchen literarischen Klassiker oder ehemaligen Bestseller wieder lebendig werden lässt und sie vielleicht auch zur einst versäumten Lektüre animieren wird.
*Entdecken – Erinnern – Erzählen. Geschichte und Geschichten für Urs Bitterli. NZZ-Verlag, Zürich 2015, 175 Seiten.