Dieser Waffenstillstand könne in den nächsten Tagen in Kraft treten, sagte Kerry auf einer Pressekonferenz in Amman.
Diese Entwicklung lag seit einigen Tagen in der Luft. Mitte vergangener Woche verhandelten hohe amerikanische und russische Militärs in Genf geheim über „technische Einzelheiten“. Die von Saudi-Arabien unterstützten syrischen Oppositionsgruppen sprechen von der „Möglichkeit“ einer auf drei Wochen befristeten Waffenruhe. Gleichzeitig erklärte Syriens Präsiden Baschar al-Assad in einem Interview der spanischen Tageszeitung „El Pais“, die Regierungstruppen seien zu einem Waffenstillstand bereit. Beide Seiten machen aber ihre Zustimmung von Bedingungen abhängig. Die Diplomaten sind vorsichtig optimistisch.
Druck auf Kriegsparteien
Seit Freitag verhandeln die Vertreter von 17 Staaten, der Uno, der EU und der Arabischen Liga im Rahmen der „internationalen Unterstützungsgruppe für Syrien“ in Genf hinter verschlossenen Türen über eine Waffenruhe. Den Vorsitz der Konferenz teilen sich die USA und Russland. Der Uno-Vermittler Staffan de Mistura hielt sich vergangene Woche in Damaskus auf, um „inner-syrische Gespräche“ voranzutreiben.
Washington und Moskau üben derzeit Druck auf die syrischen Kriegsparteien aus, um die Waffen zumindest für eine gewisse Zeitspanne zum Schweigen zu bringen und damit den Beginn echter Verhandlungen über die Zukunft des Landes zu ermöglichen. Russland hat sich dabei von den Äusserungen al-Asads distanziert, der gegenüber dem französischen Fernsehen die Rückeroberung aller verlorenen Gebiete als sein unverrückbares Ziel auswies.
Asad abgekanzelt
Als Antwort kanzelte der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York, Witalij Tschurkin, al-Asad öffentlich ab: „Russland hat sehr viel in die syrische Krise investiert – politisch, diplomatisch und jetzt auch militärisch. Wir erwarten natürlich von Asad, dass er diesen Realitäten Rechnung trägt. Es waren die wirksamen Operationen der russischen Luftwaffe, die es den syrischen Truppen ermöglichten, ihre Gegner zurückzuschlagen. Wenn die Regierung in Damaskus jetzt meint, sie bräuchte keinen Waffenstillstand und werde bis zum Endsieg kämpfen, dann wird dieser Konflikt noch sehr lange weitergehen. Diese Vorstellung ist beängstigend.“
Deutlicher können die Dissonanzen zwischen Moskau und Damaskus von einem Diplomaten kaum ausgedrückt werden. Die Haltungen der USA und Moskaus stehen an einem Wendepunkt. Das „provisorische Abkommen“ zwischen Kerry und Lawrow bezeugt eine Kriegsmüdigkeit. Ob diese auch von allen Kriegsparteien geteilt wird, ist ungewiss. Manche möchten bis zum letzten Syrer kämpfen.
Hilfe für belagerte Städte
Auf Druck der Grossmächte bekunden jetzt zwar sowohl das Asad-Regime wie auch das von Saudi-Arabien unterstützte Oppositionsbündnis ihr Einverständnis mit einer Waffenruhe. Al-Asad macht aber einen Waffenstillstand davon abhängig, dass die „Terroristen“ ihn nicht zu ihrem Vorteil ausnutzen und ihre Unterstützerländer die Militärhilfe einstellen. Die bewaffnete Opposition fordert ihrerseits einen Stopp der russischen Luftangriffe, das Ende der Belagerung von Städten durch die Regierungstruppen und die Erlaubnis für die internationalen Hilfswerke, ihre Güter an alle bedürftigen Syrer zu verteilen.
Diese Forderungen sind erfüllbar. Sie können aber jederzeit benutzt werden, um einen Waffenstillstand zu torpedieren. Etwas zuversichtlich stimmt der Beginn einer gross angelegten Hilfsaktion für die syrischen Kriegsopfer. Die von der „Internationalen Unterstützungsgruppe für Syrien“ in Genf beschlossene und vom Koordinierungsbüro der Uno für humanitäre Hilfe (OCHA) geleitete Operation hat im Laufe einer Woche fünf belagerte Städte erreicht. Die ersten 35 Lastwagen versorgen rund 100.000 Menschen mit Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten. Der Abwurf von Hilfsgütern aus Flugzeugen ist geplant. Nach den Schätzungen der Uno sind fast 500.000 Menschen ohne genügend Nahrung, Trinkwasser und Strom eingeschlossen.