Es ist zu hoffen, dass aus dem Nebeneinander ein Miteinander wird. Die Frage ist uralt: Weshalb können die wichtigsten grossen Religionen nicht enger nebeneinander, vielleicht gar miteinander leben, wenn doch die meisten von ihnen an eine Gottheit glauben und sich Frieden auf Erden wünschen? Wie gross ist der kleinste gemeinsame Nenner aller Weltreligionen? Während Jahren galt der Plan, ein gemeinsames Haus der Religionen und des Dialogs der Kulturen zu bauen, als Utopie. Über zwölf Jahre lang hat eine Gruppe von Unentwegten für diese Idee gekämpft, Fäden gesponnen, Kompromisse und vor allem Geld gesucht. Am dritten Adventssonntag 2014 wurde die Idee jetzt Wirklichkeit. Tausende von Gläubigen, Interessierten und Neugierigen waren beim Eröffnungsfest auf dem Europaplatz Bern dabei.
Grosse Ideen brauchen meist einen langen Atem. Das Projekt eines Haus der Religionen zu bauen war anfänglich mühselig und bleibt ein Meisterstück an Hartnäckigkeit. Bis Buddhisten, Muslime, Christen, Hindus, Juden, Aleviten, Baha’i und Sikhs zusammen fanden, brauchte es viele Gespräche, mussten Vorurteile abgebaut und vertrauensbildende Schritte unternommen werden. Unterwegs zog sich eine forsche Muslimgruppe zurück, eine tolerantere füllte die Lücke. Mehr als einmal drohte das Vorhaben zu scheitern. Jahrelang fanden die kultischen Anlässe in einem ehemaligen Werkhof der Stadt und später in einer Miet-Baracke statt. Dass es gelang, acht unterschiedliche Religionen und Glaubensgemeinschaften zu bewegen, ihre Gebetsräume Wand an Wand zu haben, ist weltweit einmalig. Selbst wenn diese Wände besonders gut isoliert wurden…
So befinden sich eine Moschee, ein buddhistischer und ein hinduistischer Tempel, eine Kirche sowie weitere Versammlungsräume auf drei Stockwerken unter- und nebeneinander. Zentral verbindet der Raum des Dialogs jeden Gebäudeteil mit einer eigenen Türe. „Die Idee ist, dass bei allen Gesprächen über kultische und kulturelle Grenzen hinweg, diese Türen offen bleiben“, erläutert Regula Mader, Vizepräsidentin der Stiftung, gegenüber journali21 die Symbolik.
Erst in Zusammenarbeit mit potenteren Partnern konnte das Projekt am Europaplatz Realität werden. Zusammen mit einem grossen Wohnbauprojekt, ergänzt mit Büro- und Gewerbeflächen, konnten die Pläne letztendlich umgesetzt werden. Rund zehn Millionen Franken kostet allein das „Haus der Religionen – Dialog der Kulturen“, das erst nach grösseren Zuwendungen von Kanton und Stadt Bern, der Ursula-Streit-Stiftung, den Landeskirchen, Beiträgen der beteiligten Religionsgemeinschaften und vielen Einzelspenden zustande kam.
Noch sind nicht alle Räume fertig ausgebaut: Der Buddha-Tempel muss noch richtig bemalt werden, der Hindu-Tempel steht noch nicht richtig. Es wird noch einige Wochen dauern, bis alles definitiv klappt. Viele Arbeiten werden von Freiwilligen geleistet und benötigten etwas mehr Zeit, als gerechnet. Viele Räume können auch von Ausstehenden gemietet werden. Wie Geschäftsleiter Daniel Leutwyler bestätigt, sind für die ersten zwei Monate bereits zahlreiche Buchungen für Anlässe getätigt worden. Für den anspruchsvollen Betrieb des vielfältigen Zentrums sind zurzeit 400 Stellenprozente bewilligt, die mit fünf Personen besetzt sind.
„Weltreligionen haben eine Heimat gefunden…“
Jetzt, da das Werk vollbracht ist, tönen die Reden am Eröffnungstag eher euphorisch: „Oft greift Populismus um sich, Abschottung, Ängste und Intoleranz sind deutlich spürbar. Dem müssen alle Menschen guten Willens entgegen halten, Stellung beziehen, sich äussern und hinstehen“, meint etwa der Berner FDP-Regierungsrat Hans-Jürg Käser. Sein GFL- Amtkollege und Erziehungsdirektor Bernhard Pulver hat die Jugend im Fokus, wenn er sich freut „dass gerade auch viele Junge sich intensiv mit solchen Fragen auseinandersetzen. Gerade Jungendliche spüren, wie wichtig es für das eigene Wohlbefinden ist, zu wissen, wer man ist und woher man kommt. Und sich mit anderen auszutauschen“.
Berns SP-Stadtpräsident Alex Tschäppät ergänzt: “In Zeiten, wo im Namen von Religionen Kriege geführt und Angst und Schrecken verbreitet werden, ist es wichtig, sich nicht abzuwenden, weder von der eigenen noch von der scheinbar fremden Glaubensrichtung, sondern sich einander zuzuwenden und hinzuhören. Mit dem Bau dieses Hauses erhält Bern eine einmalige Begegnungsstätte, in der genau dies möglich sein soll: im Kleinen etwas zu leisten für mehr Toleranz und Frieden“.
Während der Stiftungspräsident Guido Albisetti eher unbescheiden feststellt, dass „die Weltreligionen in Bern eine Heimat gefunden haben“, weist der eigentliche Initiant des Projekts „Haus der Religionen“, Helmut Haas (evangelische Herrnhuter-Sozietät) darauf hin, dass das Werk jetzt noch nicht vollendet sei, sondern die Arbeit weiter geht: „Auch wenn das Gebäude jetzt steht - die Arbeit im Innern kann jetzt erst richtig beginnen“.
Informationen und Kontakt: www.haus-der-religionen.ch