«Entscheidende Fortschritte bei der Umsetzung unserer Strategie», bejubelt UBS-CEO Sergio Ermotti den Jahresabschluss 2012. Der Bank gehe es einfach grossartig, denn «wir sind aus einer Position der Stärke in das Jahr 2013 gestartet». In den Schalterhallen der UBS müssen sich unglaubliche Szenen abspielen. Angestellte tanzen den Money-Rap, aufs überraschte Publikum regnet es Geld. Und in der Chefetage knallen die Champagnerkorken.
Realitäts-Check
Allerdings: Ermotti ist Investmentbanker. Hat daher das, was er sagt, irgendetwas mit der Realität zu tun? Nun, mit seiner schon. Er ist etwas mehr als ein Jahr im Amt und hat in dieser Zeit einen Reinverlust von 2,5 Milliarden Franken hergestellt. Das ist doch was. Das kann nicht jeder. Die Zahl hat zwar ein Minuszeichen vornedran, aber wir wollen uns doch nicht bei Details aufhalten. Schliesslich ist doch auch der Aktienkurs, so zweckrational funktioniert die Börse, von 12 auf über 15 Franken gestiegen. Das ist doch der Beweis: 2,5 Milliarden Verlust ist eine gute Nachricht. Allerdings nur in einem Paralleluniversum zur Realität.
Das Paralleluniversum
In dieser Gegenwelt, in der Rot gleich Schwarz, Verlust gleich Gewinn und Nacht gleich Tag ist, leben immerhin etwas mehr als 5000 UBS-Angestellte. Pardon, Direktoren, Kader, unter der Last der Verantwortung ächzende Entscheidungsträger. Denn die bekommen für ihre grossartige Leistung, 2,5 Milliarden Miese herzustellen, 2,5 Milliarden Bonus. Ist doch logisch. Ist kein Wahn. Für die macht der Wahn Sinn. Eben in einem Paralleluniversum. In der Realität knallen also die Champagnerkorken. Oben. In den Schalterhallen gibt es aber keinen Anlass für Jubel. Weder für die einfachen Angestellten noch für die Kunden.
Wie in der Anstalt
Manch einer, der in dafür vorgesehenen Institutionen lebt, hält sich für Napoleon. Oder Einstein. Versteht sich als Herrscher der Welt, sieht Pfleger und Personal als seine Untergebenen, fachsimpelt gerne mit geduldigen Zuhörern über neue Feldzüge oder die Weiterentwicklung der Relativitätstheorie. Und blendet aus, dass sein Hauptquartier oder seine Studierstube merkwürdigerweise innen keine Türklinke hat. Aber immerhin hält sich bei diesen armen Menschen der Schaden, den sie anrichten können, in überschaubaren Grenzen. Ganz anders bei Bankern.
Mit Bankgarantie
Für einen Milliardenverlust Milliardenboni auszuzahlen, ist ja nur die gewohnte Selbstbedienungsmentalität und die im Banking übliche Abkoppelung von Lohn und Leistung. Bemerkenswert ist allerdings, dass die UBS noch einen Zacken draufgelegt hat. Denn früher waren Boni doch irgendwie an den zukünftigen Geschäftsgang gekoppelt. Im schlimmsten Fall verloren beispielsweise Optionen ihren Wert, wenn ihre Messgrösse statt nach oben nach unten rauschte. Dumme Sache. Da lässt sich doch was dran drehen. Also sind die 2,5 Milliarden UBS-Bonus so gestaltet, dass sie eigentlich mit Bankgarantie ihren Wert nicht verlieren können. Und zudem einen netten Zins von rund 7 Prozent abwerfen. Ist kein Trick dabei. Ist einfach UBS.
Massstab Eigenkapital
Die 2,5 Milliarden würden erst dann in Gefahr geraten, wenn das risikogewichtete Eigenkapital der UBS unter 7 Prozent fiele. Das liegt aber im Moment, ob richtig gerechnet oder falsch, sei dahingestellt, bei rund 10 Prozent. Tendenz, angesichts der neuen Eigenkapitalvorschriften, steigend. Also kann man hier von einem praktisch risikolosen Investment sprechen. Das wirft ausserhalb des Bankerparalleluniversums heutzutage keine Zinsen ab; der normale Anleger macht mit risikofreien Investments Verlust. Aber doch der Banker nicht. Der sackt noch obendrauf 7 Prozent ein.
Der Frühstücksdirektor
Der Deutsche Axel Weber kassierte als neuer VR-Präsident ein Antrittsgeschenk von rund 4 Millionen Franken. Dafür versprach er, alles zu tun, um das Vertrauen der Anleger in die UBS wieder herzustellen und sich insbesondere zu Kritik Anlass gebenden Vergütungsmodellen anzunehmen. Alles neu, alles frisch, ein Dream-Team trat vor einem Jahr mal wieder an, um die UBS endlich in eine glorreiche Zukunft zu führen. Aus Fehlern gelernt, neu positionieren, die richtigen Voraussetzungen schaffen. Das übliche Blabla halt. Aber nach einem Jahr ist im Banking, das lässt sich nicht wegschwatzen, Kassensturz.
Der alte Zaubertrick
In der sogenannten Realwirtschaft würde sich die Führungsriege Asche aufs Haupt streuen und peinlich berührt erröten, wenn sie als Ergebnis ihres Wirkens einen Verlust von 2,5 Milliarden Franken bekannt geben müsste. In der Realwirtschaft würden die leitenden Angestellten angesichts eines solchen Desasters auf jegliche Bonuszahlung verzichten – oder von den Besitzern zum Teufel gejagt werden. Aber im Banking ist das nach wie vor alles anders. Da wird sogar dem Aktionär eine Dividende ausgeschüttet, damit er über Milliardenboni nicht zu vernehmlich murrt. Aus Verlust mach Gewinn. Was für ein fauler Zaubertrick.