Zum ersten Mal hat Italien eine afrikanisch-stämmige Ministerin. Cécile Kyenge, die neue Integrationsministerin, stammt aus dem Kongo. Die 48-jährige Ärztin lebt in Modena in der Emilia Romagna, ist verheiratet und Mutter zweier Töchter. Sie initiierte im Marz 2010 eine Streik-Aktion der Ausländer in Italien. Der Slogan hiess: "Ein Tage ohne uns und Italien macht den Laden zu".
Die Ernennung von Cécile Kyenge hat in einem Land, das nicht frei von rassistischen Tendenzen ist, hat Symbolcharakter. Auf Facebook hat sie zahlreich rassistisch motivierte Todesdrohungen erhalten. Cécile Kyenge gehört dem sozialdemokratischen "Partito Democratico" an, war als Studentin nach Rom gekommen und arbeitet seit zehn Jahren im Spital von Modena.
Schon hat sich die fremdenkritische "Lega Nord" gemeldet. Cécile Kyenge sei "keine Italienerin".
Die Regierung zählt 21 Kabinettsmitglieder; sieben davon sind Frauen. Berücksichtigt wurden die drei grossen politischen Strömungen: Neun Minister gehören dem Linkslager an, fünf der Berlusconi-Allianz und drei der bürgerlichen Mittepartei. Vier Minister, so der wichtige Wirtschaftsminister, sind Technokraten.
Angelino Alfano, den Berlusconi schon lange als seinen Nachfolger aufbaut, wird Innenminister und Stellvertreter des gemässigten linken Ministerpräsidenten Letta.
Das wichtige Amt des Wirtschaftsministers übernimmt der 70-jährige Technokrat Fabrizio Saccomanni. Er gilt als unabhängig und ist seit 2006 Generaldirektor der italienischen Zentralbank, der Banca d’Italia.
Aussenministerin Bonino
Aussenministerin wird die 65-jährige Ex-EU-Kommissarin Emma Bonino, eine profilierte Vertreterin der Linken. Sie kämpft gegen Genitalverstümmelung, für die Rechte der Tibeter und der afghanischen Frauen. Sie galt als Geburtshelferin des UNO-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien. Sie ist eine überzeugte Gegnerin der Todesstrafe. In New York war sie 1992 verhaftet worden, als sie Fixern sterile Spritzen verteilte. In der zweiten Regierung vom Romano Prodi war sie Europa- und Handelsministerin.
Justizministerin bleibt die 70-jährige Anna Maria Cancellieri. Sie bekleidete dieses Amt schon in der Regierung des jetzt abtretenden Ministerpräsidenten Mario Monti.
Kulturminister wird der 54-jährige Massimo Bray. Er gehört dem linken Partito Democratico an und war bisher Direktor des geschichtsträchtigen, 1925 von Giovanni Treccani gegründeten "Istituto della Enciclopedia Italiana".
Das Kabinett Letta sei „neu, frisch und kompetent“, kommentierte Staatspräsident Napolitano, der – nach turbulenten Tagen – vor genau einer Woche erneut ins höchste Amt des Staates gewählt wurde.
Hoher Erwartungsdruck
Das Kabinett soll am Sonntagvormittag vereidigt werden. Dann muss es sich in beiden italienischen Kammern der Vertrauensabstimmung stellen. Da alle drei wichtigen Strömungen in der Regierung vertreten sind, gibt es keinen Zweifel, dass das Parlament der Regierung Letta das Vertrauen ausspricht.
Das Kabinett steht unter einem hohen Erwartungsdruck. Italien geht es wirtschaftlich immer schlechter. Die Arbeitslosenzahlen, vor allem jene der Jungen, steigen dramatisch. Die Regierung muss schnell konkrete Erfolge vorweisen.
Vor allem muss die neue Regierung auch die verkrusteten politischen Institutionen reformieren. Dringend benötigt wird ein neues Wahlgesetz, das Patt-Situationen, wie sie nach den Wahlen vom 25. Februar eintraten, verunmöglichen.
Was geschieht mit der Steuer auf Eigenheimen?
Interessant ist, was mit der Steuer auf Eigenheimen geschehen wird. Berlusconi hat in den letzten Monaten vehement für eine Abschaffung der von Mario Monti wieder eingeführten Steuer gekämpft. Die Italiener sind kein Volk von Mietern. 82 Prozent besitzen ein Haus, einen Hausteil oder eine Wohnung. Die neue Steuer auf Eigenheimen belastet vor allem den Mittelstand und ärmere Schichten schwer. Hat Berlusconi die Beteiligung an der Regierung davon abhängig gemacht, dass diese Steuer, Imu genannt, annulliert wird? Wenn nicht, verliert er im Land an Ansehen.
Berlusconi selbst erklärte seit Tagen, er habe keine Absicht, in die neue Regierung einzutreten. In einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender Fox erklärte er: „Ich werde nie mehr Ministerpräsident“. Berlusconi hat sich schon oft selbst korrigiert. Vorerst wird er sicher aus dem Hintergrund die Fäden ziehen.