Welch ein Glück, zu den pro Aufführung nur 50 Auserwählten zu gehören, die, den Corona-Bestimmungen gemäss, einen so temporeichen, vergnügten und musikalisch bereichernden Abend erleben dürfen! Die Oper „Intermezzo“ könnte man als einen bunten Strauss von offenen Szenen bezeichnen, zwar ohne Arien-Glanzpunkte, sprich Ohrwürmer, dafür jedoch mit grossen musikalischen Aufschwüngen, welche den Sängerinnen und Sängern immer wieder Möglichkeiten bieten, ihre Stimmen in weiten Bögen aufblühen zu lassen.
Musikalischer Hochgenuss
Aber auch dem grossen Orchester kommt in den, die Handlung meist kommentierenden, sinfonischen Zwischenspielen eine wichtigere Rolle als sonst opernüblich zu – allein schon diese ein musikalischer Hochgenuss! Sowohl diese Intermezzi als auch die anspruchsvollen Gesangsszenen sind gespickt von Zitaten Strauss’scher Werke, vor allem aus dem Rosenkavalier, Ariadne auf Naxos oder Frau ohne Schatten, aber auch Wagnerscher Klänge aus Tristan und Isolde oder Mozarts „Nozze di Figaro“ – ein einziges, genussvolles Vergnügen für Connaisseure, diese – immer in Beziehung zum Bühnengeschehen stehenden – Zitate herauszuhören.
Denn schliesslich beschreibt Richard Strauss in seinem selbst verfassten Libretto bewusst autobiografisch die Nöte und Ängste eines Komponisten und seiner streitbaren Angetrauten während einer durch eine Verwechslung ausgelösten Ehekrise. Das Ganze bewegt sich, vereinfacht gesagt, zwischen Biographie und Labiche.
Die streitbare Pauline
Nun wussten sowohl die Zeitgenossen als auch wir interessierten Heutigen, welch schwierigen, aufbrausenden Charakter diese Generalstochter Pauline de-Ahna aus Ingolstadt hatte. Richard Strauss ehelichte die schon damals hoch angesehene Sopranistin 1894 und verehrte ihr zur Hochzeit vier Lieder, welche noch heute zum Schönsten gehören, was je an Liebeslyrik vertont worden ist. Er war ihr bedingungslos verfallen und begründete die zahlreichen Anspielungen auf den streitbaren Charakter seiner Frau immer wieder mit dem lapidaren „Wissen’s, i brauch das!“. Oder, wie er auch in der Oper in der grossen Szene des Hofkapellmeisters Robert Storch betonen lässt, „... ich habe ein Talent zum Verdösen, Verbummeln ...“.
Auch mit dieser Oper errichtete Strauss seiner angebeteten Frau ein Denkmal und zitiert all die Nöte und täglichen Ärgernisse einer Hausfrau und Mutter, welche die Höhenflüge ihres Gatten aufzufangen hat und dadurch in eine ewig nörgelnde Streitlust verfällt: „Du bist immer zu Hause. Deine ewige Anwesenheit...“, und, als Gipfelpunkt des Streites: „Du bist ein Musikant!“. Später erfindet sie (mit Opernname Christine) für ihren mit Leidenschaft Skat spielenden, ungern in eleganter Gesellschaft verkehrenden Gatten gar den Ausdruck „Du bist kein Damenmann!“ – eine bemerkenswerte Bereicherung des deutschen Wortschatzes!
Bravouröse Protagonisten
Die Aufführung dieses Werks kann nicht genug hervorgehoben werden, bietet sie doch die Möglichkeit, Richard Strauss von seiner heiteren, ironischen Seite kennenzulernen. Doch trotz aller scheinbaren Leichtigkeit des Textes verbleibt die Musik im weit ausgreifenden post-romantischen Gestus und verlangt von allen Beteiligten ein hohes Mass an Können. Neben dem von Clemens Heil mit (manchmal fast zuviel) Emphase durch alle Fährnisse des Abends geführten Sinfonieorchester Basel sticht sowohl stimmlich als auch szenisch die bravouröse Leistung der Sopranistin Flurina Stucki als Christine hervor.
Die in Deutschland erfolgreiche Schweizer Sängerin wurde, wie auch der ihr ebenbürtige Partner, der Deutsche Günter Papendell als Robert, von der Deutschen Oper Berlin geholt. Durchwegs alle Nebenrollen beweisen neben ihrem stimmlichen aber auch ihr szenisches Talent, da sie von der Regie immer auch in ihren komischen, parodierenden Gesten und Haltungen auftreten müssen, auch in den performancehaften Szenen während der Zwischenspiele.
Einfallsreiche Regie
Die Regie ist in Basel zum ersten Mal dem deutschen Regie-Enfant-terrible, dem Schauspieler, Performer und Regisseur Herbert Fritsch anvertraut worden. Eine kluge Entscheidung, da Fritsch sich innerhalb seines von ihm selbst entworfenen, knallfarbigen Bühnenbildes allerhand Vergnügliches, manchmal sogar Dadaistisches einfallen lässt, ohne je aufdringlich plump zu wirken. Ein über der Szenerie schwebender, riesiger Lampenschirm, Sinnbild per se von spiessiger Bürgerlichkeit, verändert während des ganzen dreistündigen Abends nicht nur beziehungsreich seine Farben, sondern auch seine Position – eine Art Verkörperung des Haussegens, der eben öfter mal schief hängt. Und doch endet der ganze Krach nach der Versöhnung mit einer zufriedenen Christine, welche abschliessend konstatiert: „Eine glückliche Ehe.“
Das Publikum versuchte erfolgreich, die fehlende Anzahl durch Intensität des Applauses zu ersetzen. Die zweite Vorstellung wurde gefilmt und wird zu gegeber Zeit im Streaming ausgestrahlt werden.
„Intermezzo“. Oper von Richard Strauss, Theater Basel
Nächste Vorstellungen: 27., 29. April,
2., 9., 14., 15., 19., 21. Mai.