Herr Simoni, wir stehen kurz vor dem Durchschlag. Was geht ihnen alles durch den Kopf?
Sehr viel. Einerseits organisieren wir den Festakt. Da steckt eine unglaubliche Organisation dahinter. 200 Gäste müssen tief in den Berg geführt werden. Alles muss ja wie am Schnürchen vor sich gehen. Anderseits versucht man zwischendurch wieder einmal darüber nachzudenken, was man da überhaupt macht. Wahrscheinlich erfasst man alles erst richtig im Nachhinein. Sicher sind heute Freude und Stolz da – aber auch eine riesige Spannung.
Vor einigen Tagen wurde gemeldet, dass der Tunnel schon ein Jahr früher als geplant in Betrieb genommen werden kann, also schon 2016. Halten Sie das für möglich?
Ich persönlich würde es sehr begrüssen, wenn der Tunnel schon 2016 eröffnet würde und wenn dies auch im Sinne der Betreiber, also der SBB, wäre. Es wäre ein Leistungsausweis, eine Erfolgsmeldung. In den letzten Jahren gab es ja aufgrund von geologischen Schwierigkeiten mehrmals Verzögerungen. Wenn jetzt einmal das Gegenteil einträfe, wäre das sicher auch ein gutes Signal nach aussen.
Wieso geht alles schneller, haben Sie so gut gearbeitet?
Was die Hauptdurchschläge betrifft, so haben wir sehr vorsichtig kalkuliert. Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass der jetzt anstehende Hauptdurchschlag erst nach den Sommerferien im kommenden Jahr erfolgen würde. Da haben wir jetzt also viel Zeit gewonnen.
Anderseits müssen jetzt die ganzen Einbauprogramme, die ganze Einbautechnik vorgezogen und den neuen Gegebenheiten angepasst werden. All das ist nicht einfach. Es gibt viele Schnittstellen, die neu definiert werden müssen. Wir haben viele gültige Werkverträge, die jetzt angepasst werden müssen. Da braucht es einiges an Verhandlungsgeschick. Da sind alle Beteiligten gefordert. Wenn es gelingt, alles vorzuziehen, ist es umso schöner.
Mineur ist und bleibt der härteste Beruf, den es gibt, sagten Sie einmal. Mehrere Arbeiter mussten auch diesmal ihr Leben lassen…
…leider sind bisher acht Menschen gestorben. Jeder Tote ist einer zu viel. Anderseits kann man sagen, das Sicherheitsniveau der Baustelle im Vergleich zu andern Untertagbaustellen ist sehr gut. Es gehört zu unseren absoluten Prioritäten, die Sicherheit am Arbeitsplatz hochzuhalten.
Bekannt wurde jetzt, dass das Baukonsortium TAT, zu dem auch Implenia gehört, eine neue, beträchtliche finanzielle Forderung gestellt hat. Dabei handelt es sich offenbar nicht um Mehrkosten, sondern um eine Nachforderung. Sind sie überrascht?
Wir haben vom Konsortium eine Forderung von 350 Millionen Franken im Haus. Diese ist schon Anfang Jahr eingetroffen. Sie ist also nicht neu und deshalb sind wir jetzt auch nicht überrascht. Wir sind jetzt dabei, die Forderung zu analysieren.
Noch kann man gar nichts darüber sagen, wie berechtigt diese Forderung ist. Nur, weil eine Forderung im Haus steht, heisst das noch lange nicht, dass wir sie akzeptieren und dass dies zu Mehrkosten führt. Wir werden alles bis Ende Monat abklären und dann die nächsten Schritte beschliessen.
Nachforderungen können entstehen, wenn zum Beispiel das Gestein sich als schwieriger erweist, als es die Geologen vorausgesagt haben. In diesem Fall müsste die Bauherrin, also die Alp Transit, das Risiko tragen.
Wenige Tage vor dem Durchschlag erfuhr man, dass eventuell defekte Röhren, durch die das Wasser abfliessen soll, eingebaut wurden. Was ist da dran?
Auch dieses Thema ist uns längst bekannt. Wir haben schon im Frühjahr Untersuchungen durchgeführt. Die ersten Zwischenergebnisse, die im Juni vorlagen, haben uns bewogen, alles noch intensiver und systematischer abzuklären. Solange die Ergebnisse dieser Untersuchungen nicht vorliegen, können wir nicht sagen, welche Massnahmen wir ergreifen.
Ganz klar ist: Es geht um Mängel. Der Unternehmer hat sowohl das Recht, wie auch die Pflicht, diese Mängel zu beheben, bevor er das Werk dem Bauherrn übergibt. Das ist das gleiche, wie wenn sie ein Einfamilienhaus bauen. Der Unternehmer hat die Pflicht, eventuelle Mängel zu beheben – ohne Kostenfolge für den Abnehmer. Das Gleiche würde auch für uns gelten: Ohne Kostenfolge für uns Abnehmer.
Alle defekten Röhren wurden mit Zertifikaten geliefert, laut denen sie aus neuwertigem Material bestehen. Wurden möglicherweise Zertifikate gefälscht?
Das ist nicht ausgeschlossen. Wir klären jetzt ab, ob es sich bei den defekten Rohren um ein Versehen oder um Betrug handelt. Wie auch immer: Röhren, die mit minderwertigem Material angefertigt wurden, akzeptieren wie nie und nimmer. Die Zusatzkosten für die Behebung der Mängel gehen sicher nicht auf unser Konto. Da stehen die Baufirmen in der Verantwortung.
2016 oder 2017 soll also der Gotthard-Basistunnel betriebsbereit sein. Der Ceneri-Basistunnel aber erst 2019. Eigentlich schade, denn der Gotthard ohne Ceneri nützt ja wenig.
Es ist einerseits schade, dass der Ceneri erst später fertig wird. Doch es wäre nicht möglich, gleichzeitig zwei so riesige Projekte in Betrieb zu nehmen. Jede Phase der Inbetriebsetzung ist sehr komplex und kompliziert. Das Bundesamt für Verkehr muss jeden einzelnen Schritt, jede Teilinbetriebsetzung genehmigen. Parallel – Gotthard und Ceneri zusammen – wäre das fast nicht machbar.
Kritisiert wird, dass man zu wenig daran gedacht hat, wie der Neat-Verkehr an der italienischen Grenze abgenommen wird. Hat man zu wenig daran gedacht wie es Richtung Italien weitergeht?
Man hat durchaus daran gedacht, wie es im Süden weitergeht. Es gibt seit längerer Zeit eine schweizerisch-italienische Arbeitsgruppe, die sich mit diesem Thema befasst. Wir gehen davon aus, dass wir bis ins Jahr 2030 genügend Kapazitäten haben, um den wachsenden Neat-Verkehr bis an die italienische Landesgrenze zu führen.
Italien seinerseits hat versprochen, jeden Verkehr, der nach der Eröffnung von Gotthard und Ceneri bis zur Landesgrenze geführt wird, abzunehmen - wie dies auch immer die Italiener dann umsetzen und realisieren. Das italienische Versprechen steht nicht nur im Raum, es ist durch bilaterale Staatsverträge abgesichert. Rein theoretisch ist die italienische Abnahme des Verkehrs also gewährleistet.