Eine nicht offizielle Friedenskonferenz für Afghanistan hat - wie BBC meldet(1) - auf den Malivinischen Inseln stattgefunden. Sprecher der Taleban und der mit ihnen verbündeten Gruppen von Haqqani und Hikmatiyar seien dort vertreten gewesen wie auch solche, die der Regierung Karzai nahe stehen. Und es waren auch Afghanen dabei, die zu keiner der Kriegsparteien gehören. Es heisst auch, afghanische Geschäftsleute hätten das Treffen finanziert.
Die Konferenz schlug vor, eine Sicherheitskommission als oberste Macht im Lande zu bilden, der alle Parteien angehören sollten. Diese habe die Aufgabe, einen Friedensvorschlag, dem alle Seiten beistimmen könnten, auszuarbeiten. Die Idee scheint auf den ersten Blick bestechend. Karzai hat seinerseits vor einigen Monaten eine Friedenskommission ernannt, die Gespräche in Gang bringen soll, so dass man auf die Mitwirkung seiner Regierung hoffen könnte.
Mit viel Glück ein möglicher Ausweg?
Doch bei näherem Zusehen erinnert die Bildung einer "neutralen" Friedensversammlung an die Friedensbewegungen, welche zur Zeit des Kalten Krieges von Moskau aus ermuntert und gesteuert wurden. Es liegt natürlich im Interesse der Taleban, einen Frieden zu erreichen, der zum Abzug der Amerikaner und Nato Truppen führt, weil dann ihre bewaffnete Macht konkurrenzlos in Afghanistan verbliebe. Unter diesen Bedingungen könnten sie im Nachhinein alle Zusagen und Versprechen, die sie gemacht hatten, um den Abzug der Amerikaner und ihrer Verbündeten zu bewirken, ignorieren oder nach Belieben uminterpretieren. Denn es stünde keine Macht mehr bereit, die sie zu ihrer Einhaltung ihrer Versprechungen zwingen könnte.
Dennoch sollte die sich hier öffnende Perspektive weder von der Karzai Regierung noch von den an einem echten Frieden interessierten Afghanen aufgegeben werden. Denn es ist ja denkbar, dass sich über kurz oder lang die Taleban bereit finden könnten, in eine afghanische Übergangsregierung einzutreten. Diese könnte vor dem endgültigen Abzug der Amerikaner gebildet werden.
Alle jene Afghanen, die nicht hinter den Taleban stehen, müssten ebenfalls in der so gebildeten Übergangsregierung in Positionen vertreten sein, die ihnen erlaubten, mit ihren Anhängern als wirksames Gegengewicht gegen die Taleban aufzutreten. Wenn es gelänge, all die Stammesgruppen und Ethnien, die sich nicht von den Taleban beherrschen lassen möchten, in Positionen zu bringen, die ihnen die Wahrnehmung ihrer Interessen erlaubte, würde die Präsenz der westlichen Truppen unnötig.
Mitarbeit und Loyalität
Die den Taleban feindlich oder kritisch gegenüberstehenden Ethnien und Gruppen machen höchst wahrscheinlich eine grosse Mehrheit der Afghanen aus. Ein rein afghanisches Machtgleichgewicht käme zustande. Dass dagegen ein solches Gleichgewicht oder gar ein Machtmonopol der Regierung Karzais mit Hilfe der Waffen der Ausländer zu erreichen wäre, erscheint heute mehr als je zuvor unmöglich.
Denn die Präsenz und die Aktionen der Fremden mit ihrer übermässigen Feuerkraft aus der Luft mit Raketen und Drohnen und neuerdings auch mit dem Einsatz von schweren Tanks ist kontraproduktiv. Sie erlauben den Taleban und ihren Mitstreitern aus den paschtunischen Stämmen, als die einzige einheimische Kraft aufzutreten, die es wagt, den fremden Invasoren die Stirne zu bieten. Damit gewinnen sie die Mitarbeit und Loyalität von wachsenden Teilen aller Afghanen. Aus solchen, viel mehr anti-amerikanisch als pro-Taleban ausgerichteten Kämpfern besteht die Mehrheit der heute im Widerstand stehenden Gruppen. Sie kämpfen primär gegen die fremde Besetzungsmacht; für die Ideologie der Taleban dürfte nur eine Minderheit Sympathien hegen.
Beschönigender Bericht des Pentagons für den Kongress
Zeitgleich mit diesen Entwicklungen in Afghanistan wurde dem amerikanischen Kongress ein umfangreicher Bericht des Pentagons vorgelegt, der sich einer schönrednerischen Sprache befleissigt, um die Kriegslage in möglichst rosigem Licht erscheinen zu lassen. So spricht der Bericht, ein Dokument von fast 100 Seiten (2), regelmässig von "langsamem Fortschritt". Aus dem Zusammenhang geht allerdings hervor, dass es sich um nicht erreichte politische und militärische Ziele handelt. Nebenbei wird eingeräumt, dass sich die Taleban als unerwartet zäh erweisen und dass bisher kein Zusammenbruch ihrer Führungsstrukturen und kein Zerbrechen ihrer Kommunikationslinien feststellbar sei.
Schliesslich wurden die beinahe vollständigen endgültigen Resultate der afghanischen Parlamentswahlen veröffentlich (3). Die Wahlen waren im September durchgeführt worden. Fast ein Viertel der abgegebenen Stimmen (1,3 Mio.) wurde von der Internationalen Wahlkommission wegen Wahlbetrugs annulliert. Die Beteiligung betrug 41 Prozent. Da es praktisch keine Parteien gab, sind die Resultate schwer zu bewerten. Wer gewählt wurde, erhielt seinen Sitz auf Grund seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Ethnien und deren Untergruppen.
Wenige paschtunische Parlamentarier
Die so entstandenen Resultate zeigen, dass sehr wenige Paschtunen gewählt wurden. Das liegt offenbar daran, dass die Paschtunen entweder nicht wagten oder wenig gesonnen waren zu wählen. Auch mehrere als Vertrauensleute Karzais bekannte Personen, die im letzten Parlament sassen, wurden nicht wiedergewählt. Die Mehrheit von Paschtunen, die im letzten Parlament vertreten war, wurde zu einer Minderheit. In der Provinz Ghazni wurden die Resultate "aus technischen Gründen" zurückgehalten.
Nach den zuvor bekannt gewordenen provisorischen Resultaten waren in Ghazni lauter Vertreter der drittgrössten Volksgruppe, der Hazara, gewählt worden, obwohl die Paschtunen die grösste und die Tajiken die zweitgrösste der Volksgruppen der Provinz bilden. Zwischen der Wahlkommission und der Regierung Karzai soll es heftige Spannungen geben. Diese gehen offenbar darauf zurück, dass die Regierung versucht habe, Druck auf die Kommission auszuüben, um zu erreichen, dass diese genau diejenigen Resultate veröffentlicht, die der Regierung wünschenswert schienen.
(1) http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-11811285