Sie reichen von begeisterter Zustimmung in der „Weltwoche“ über ein nachdenkliches Grummeln in der „NZZ“ bis zum Aufstöhnen in der „WoZ“. Gemeinsam ist ihnen, bei aller unterschiedlicher politischen Couleur, die Frage nach dem „warum“?
Ein nur ein wenig zugespitzter Blick auf die Geschichte des Kernlandes der AfD, auf Sachsen, kann da zur Erklärung beitragen.
Endes des 17. Jahrhunderts. Sachsen hat einen Kurfürsten. Der möchte gerne König werden. Da trifft es sich gut, dass im benachbarten Polen einer gesucht wird. Etwas steht dem entgegen: Polen ist katholisch und Sachsen ist das Kernland der Reformation. Was ist zu tun? Man passt sich an. August, so der Name des Kurfürsten, tritt zum Katholizismus über. Allerdings, wohl um die religiösen Gefühle seiner Sachsen zu schonen, heimlich. Der Deal ist von Erfolg gekrönt und August wird König von Polen und Sachsen. Und noch heute als „August der Starke“ mit einem golden glänzenden Denkmal in Dresden geehrt.
Gut 150 Jahre später. Die Dresdner sind mit ihrem aktuellen König unzufrieden. Im Mai 1849 stürmen sie das Rathaus und besetzen den Landtag. Der König setzt sich aus Dresden ab und lässt preussische Truppen den Aufstand niederschlagen. Danach herrscht Ruhe im Land. Man passt sich an. Die Sachsen werden zu treuen Untertanen im Deutschen Reich. Bis zum Ende des 1. Weltkrieges. Da folgen sie dem allgemeinen Trend und legen ihrem König, es ist der 3. namens August, nachdrücklich nahe, vom Thron zu steigen. Der soll dem mit den, historisch nicht belegten, Worten: „Da machd doch euren Dregg alleene“ Folge geleistet haben.
Stärkste Partei in der neuen Republik werden die Sozialdemokraten. Fast 50% der Sachsen stimmen 1919 für sie. Und vier Jahre später bilden diese zusammen mit den Kommunisten eine Regierung. Sachsen ist rot. Zu rot für die Reichsregierung in Berlin. Durch eine „Reichsexekution“ beendet sie das Experiment einer rot-roten Regierung in Dresden. Die Sachsen lernen daraus. Zehn Jahre später geben sie der NSPAP, also den Nazis, die meisten Stimmen. Sachsen wird braun.
Nach der Niederlage des „3. Reichs“ im 2. Weltkrieg gibt es in Sachsen auf Initiative der Kommunisten eine Volksabstimmung. Sie gilt als die letzte gerade noch demokratisch zu nennende Wahl in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der späteren DDR. 1946 wird über die „Entschädigungslose Enteignung von Grossgrundbesitzern und aktiven Nationalsozialisten“ abgestimmt. 77,6% sind dafür.
Sachsen wird rot, der Einfluss sächsischer Parteifunktionäre in der Staatspartei SED bestimmend. Sie besetzen wichtige Positionen in Ost-Berlin. Zwar versuchen sich die Zuzüger aus Sachsen in Ost-Berlin anzupassen, bemühen sich auch sprachlich um Integration. Weitgehend ohne Erfolg. Die Ost-Berliner bezeichnen sie – neben den Amerikanern, den Briten, den Franzosen und Russen – gerne schon einmal als die „5. Besatzungsmacht“.
1989, als die DDR kollabiert, geht man auch in Dresden auf die Strasse. Bald steht nach „Die Mauer muss weg“ auf ihren Transparenten: „Lieber Helmut Kohl, nimm uns bei der Hand und führ uns in das Wirtschaftswunderland“.
Folgerichtig stimmen bei den ersten freien Wahlen 53,8% der Sachsen für die CDU.
Sachsen wird schwarz. Man hat sich angepasst.
In den nächsten Jahren erlebt besonders die Landeshauptstadt Dresden einen enormen Aufschwung: Die Frauenkirche wird wieder aufgebaut, das Schloss der Könige, die Semperoper, ja die ganze Altstadt. Dresden wird zu einem Touristenmagneten. Ein wenig störend ist dabei das Bild, das die Stadt an jedem Montag abgibt. Da ziehen Leute durch die Strassen, skandieren „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ und appellieren an ihren ehemaligen Mitbürger: „Putin hilf!“ Und sie machen die bräunlich angehauchte AfD zur stärksten Partei in Sachsen.
Steht also wieder ein Farbwechsel bevor, wird nun landauf landab gefragt? Nicht auszuschliessen. Aber es gibt Hoffnung. Denn, wenn es so etwas wie eine Konstante in der sächsischen Geschichte der letzten 250 Jahre gibt, dann ist es der ständige Wechsel in den Ansichten dieses vigilanten Völkchens.